Frage an Ralf Stegner bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Ralf Stegner
SPD
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Frage von Manfred B. •

Frage an Ralf Stegner von Manfred B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Stegner,

wie kommt es, dass offiziell immer noch Zustimmung "der Bundes-SPD" zu TTIP, CETA und TiSA verbreitet wird, wo doch
- Ihr Koalitionsvertrag Freihandelsverträge mit Staaten (wie die USA), die nicht zur Unterzeichnung aller 8 ILO-Kernarbeitsnormen bereit sind, ausschließt,
- das klare Votum der verdienten Mitglieder der SPD-Grundwertekommission diesen Vertrag ablehnt (01/2015),
- die ASJ Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen mit deutlichen Worten TTIP rundweg ablehnt (BuKonferenz 2014 Beschl. 2),
- ein großer Teil, wenn nicht die Mehrheit der SPD-Mitglieder (vor allem der gut informierten!) TTIP, CETA und TiSA ablehnt (und trotzdem der Mitgliederentscheid bisher trickreich verhindert wird),
- Gutachten klarstellen, dass TTIP sowohl gegen europäisches Recht als auch gegen das Grundgesetz verstößt,
- selbst die Europ. Kommission die im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums gefertigte, auf unrealistisch günstigen Annahmen basierende IFO-Studie mit trotzdem nur 0,05% jährl. BIP-Wachstum nicht mehr zitiert, dagegen mindestens eine andere Studie ca. 150.000 Arbeitsplätze (wohl EU-weit) als bedroht ansieht,
- tiefgehende Eingriffe in die Selbstverwaltungshoheit der Gemeinden in Europa durch TTIP, CETA und TISA immer noch nicht ausgeschlossen werden, sondern sehr wahrscheinlich sind,
- durch Pflichten zur vorparlamentarischen Abstimmungsgesprächen mit Konzernen durch TTIP die gesetzgeberische Freiheit des Deutschen Bundestages voraussichtlich in völlig inakzeptabler Weise eingeschränkt würde,
- durch Schadensersatzansprüche von Konzernen für den "Verlust erwarteter Gewinne" vor privaten oder auch öffentlich organisierten Schiedsstellen/-gerichten für fortgesetzte Gesetzgebung "bestraft" werden können,
- bisher durch das deutsche Verhandlungsmandat (außer audiovisueller Medien) kein Wirtschaftsbereich von vornherein aus dem Regelungsbereich ausgenommen wurde?

Im Voraus besten Dank!

Freundliche Grüße
M. Bauer

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Bauer,

besten Dank für Ihre Frage.

Die SPD hat mit dem Konventsbeschluss zu TTIP und CETA vom vergangenen September eine klare und grundsätzliche Positionierung vorgenommen, deren Kern besagt: Freihandel ja, aber nicht um jeden Preis und genau dafür deutliche rote Linien formuliert. Ich habe diese Linien schon im Mai 2014 in einem Artikel in der Frankfurter Rundschau skizziert, den ich Ihnen zur Lektüre empfehle: http://www.spd.de/aktuelles/120384/20140520_ttip_spd_stegner.html
Deshalb bin ich der Meinung: Besser als sofort Nein zu sagen zu Verhandlungen, die viele Unternehmerinnen und Unternehmer in Deutschland sich wünschen, weil sie Handel und Investitionen auf beiden Seiten erleichtern können, ist auf jeden Fall, um das bestmögliche Ergebnis zu verhandeln. Und genau das tut Deutschland gerade mit der EU gegenüber den USA, was TTIP betrifft. Und klar ist auch: Dem Vertragsentwurf, der daraus entsteht, werden sowohl die 28 nationalen europäischen Parlamente wie auch das europäische Parlament zustimmen müssen.

Ich bin sehr sicher, dass unsere Bundestagsabgeordneten die Vertragsergebnisse auf Herz und Nieren prüfen werden - und nur zustimmen, wenn das Paket passt. Wir werden die Verhandlungsergebnisse an unseren roten Linien messen. Werden unsere Bedingungen nicht erfüllt, ist eine Zustimmung nicht vertretbar und damit in der SPD nicht durchsetzbar.
Auch unser Parteivorsitzender und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat deutlich gemacht, dass er für einen guten Vertragsentwurf kämpft - und hat ja mit seinem Vorschlag z.B. eines internationalen Handelsgerichtshofs bereits wichtige Debatten in den Verhandlungen angestoßen.

Ich bin übrigens ein wenig stolz, dass die SPD als einzige Partei in Deutschland zu TTIP und CETA eine echte Debatte führt.
Trotzdem bleibe ich dabei: Bevor der Vertragstext nicht vorliegt, macht das Nein-Sagen zu einem nicht bekannten Vertrag keinen Sinn.

Freundliche Grüße

Ralf Stegner

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