Sind Sie für eine Impfpflicht?

Portrait von Ralph Lenkert
Ralph Lenkert
DIE LINKE
100 %
22 / 22 Fragen beantwortet
Frage von Herbert S. •

Sind Sie für eine Impfpflicht?

Der Parteivorstand der LINKEN fordert in dem Beschluss „Corona gemeinsam besiegen – solidarische Notbremse jetzt!“ (https://www.die-linke.de/partei/parteidemokratie/parteivorstand/parteivorstand/detail/corona-gemeinsam-besiegen-solidarische-notbremse-jetzt/) eine allgemeine Impfpflicht für Volljährige.
Teilen Sie diese Forderung des Parteivorstandes? Falls ja, wie soll nach Ihrer Meinung so eine Impfpflicht durchgesetzt werden? Soll es Geldstrafen geben (die hauptsächlich die arme Bevölkerung treffen, auch wenn die Strafen nach Einkommen gestaffelt sind)? Soll es im Falle einer Weigerung, sich impfen zu lassen, Gefängnisstrafen geben? Soll es im Falle einer Weigerung, die Geldstrafe zu zahlen, zu Gefängnisstrafen kommen? Sollen die Polizei oder das Militär die Unwilligen zum Impfen bringen? Soll es Berufsverbote geben, falls eine Impfung verweigert wird?
Falls Sie die Forderung des Parteivorstandes nicht teilen, begründen Sie bitte Ihre Ablehnung.

Portrait von Ralph Lenkert
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre Frage. Ja, ich stimme dem Beschluss des Parteivorstandes zu.

Die Entscheidung für oder gegen eine Impfplicht ist nicht leicht und ich habe lange mit mir gerungen, ob ich sie befürworte oder nicht. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich für eine allgemeine Impfpflicht bin, nicht nur für einzelne Berufsgruppen. Gern lege ich Ihnen die Gründe dafür dar:

Zuallererst betrachte ich Lockdowns als wesentlich schwereren Eingriff in die Grundrechte als eine Impfpflicht. Ein weiterer Lockdown ohne die gleichzeitige Einführung einer allgemeinen Impfpflicht setzt nur das JoJo-Spiel fort und ist daher für mich nicht ausreichend.

Denn ich frage mich: Wie viele Lockdowns soll es noch geben? Solidarität bedeutet für mich, dass man Verantwortung für andere übernimmt und für andere einsteht. Ich verstehe Menschen, die nachfragen, die zweifeln. Aber die Technik der Impfstoffe von Moderna und Biontech wurde seit über 10 Jahren erfolgreich bei Krebsbehandlungen eingesetzt. Kein Impfstoff, auch kein Medikament wurde so streng bei milliardenfacher Anwendung überwacht.

Nicht nur ich, sondern Familien, Mitarbeitende im Gesundheitswesen, die bisher schweigende und vor allem mitmachende Mehrheit der Bevölkerung fragen sich: Wo ist die Solidarität der Impfverweigerer mit dem Rest der Bevölkerung - mit uns? Wie lange sollen die Grundrechte aller immer wieder massiv und teilweise permanent eingeschränkt werden? Wegen einer Minderheit, die mit Scheinargumenten arbeitet und einfachste Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnungen ignoriert? Einer Minderheit, die das Wort Risikominimierung nicht verstehen will? Einer Minderheit, die die gesamte Gesellschaft „in Geiselhaft“ nimmt?

In Thüringen sterben Menschen inzwischen nicht nur an den Folgen einer COVID-Infektion, sondern weil notwendige Behandlungen für andere Erkrankungen verschoben worden sind und weil sie wegen der Lockdowns den Lebensmut verloren. Dazu gibt es mehrere Zeitungsberichte, unter anderem einen aus der taz: https://taz.de/Coronalage-in-Thueringen/!5820397/

Das heißt, Erkrankungen verschlimmern sich, weil Heilbehandlungen, Krankengymnastik bzw. generell die medizinisch sportliche Betätigung eingeschränkt ist. Menschen mit Autoimmunerkrankungen und nach Chemotherapien leben monatelang in Isolation, weil eine Corona-Infektion für sie ein Todesurteil bedeuten kann. Menschen nach Herz- und Schlaganfällen, nach schweren Unfällen erhalten Versorgungsmaßnahmen teilweise zu spät, weil erst freie Behandlungsplätze, nicht von Corona-Patientinnen blockiert, gefunden werden müssen. Eine Entscheidung gegen eine Corona-Schutzimpfung ist eben keine allein individuell wirkende Entscheidung, sondern kann für andere Kranke massive gesundheitliche Beeinträchtigungen bedeuten.

Unsere Kinder zahlen den größten Preis der Lockdowns - mit Bildungslücken, teilweise mit Depressionen und mit dem Verlust sozialer Kompetenz durch das Einschränken sozialer Kontakte. Unsere Jugendlichen werden mit Lockdowns und Einschränkungen um ihre Jugend gebracht und erleben Entsolidarisierung mit ihnen selbst. Sie nehmen seit Monaten Rücksicht, und haben trotzdem kaum die Möglichkeit, wieder ein „normales“ Leben zu führen.

Familien werden durch Homeoffice mit Kindern zu Hause (teilweise Homeoffice und Homeschooling gleichzeitig, und das über Monate) mit Kindern ohne Spielkameradinnen und Spielkameraden seelisch und körperlich überfordert.

Seniorinnen und Senioren vereinsamen aus Angst vor Ansteckung und/oder wegen der Regeln in Isolation.

Häusliche Gewalt, insbesondere gegen Frauen und Kinder, nahm während der Lockdowns stark zu.

Durch die Lockdowns wurden Geflüchtete und insbesondere ihre Kinder noch mehr in die Isolation getrieben und verloren bereits erworbene Sprachkennnisse wieder.

Eine Impfpflicht für ausgewählte Berufsgruppen ist ungerecht und impliziert indirekt, dass die Pflegekräfte oder pädagogischen Fachkräfte Schuld an den hohen Ansteckungsraten haben. Nein, es ist unsere gesamte Gesellschaft, die versagt, und deshalb ist für mich ein Lösungsweg eine Impfpflicht für Alle.

Ich bitte Sie zu akzeptieren, dass ich zu anderen Schlüssen komme, dass ich der Meinung bin, wer die Corona-Impfung ohne medizinische Notwendigkeit vermeidet, muss mit Einschränkungen leben, da sonst anderen oder allen Bürgerinnen und Bürgern Einschränkungen, wegen des Verweigerns und den resultierenden Folgen, abgefordert werden müssen. Schließlich ist es auch keine Frage, wer keine Fahrerlaubnis ablegt, den Gesundheitscheck nicht macht, oder eine notwendige Sehhilfe nicht nutzt, darf auch nicht selbst PKW fahren.

Zu Ihrer Frage der Umsetzung einer allgemeinen Impfpflicht: Es gibt schon heute einige Berufsgruppen die aus Berufsgründen ein Gesundheitszeugnis vorlegen müssen, zum Beispiel Köchinnen und Köche. Es sollte also eine Abfragepflicht für Arbeitgeber eingeführt werden. Der Arbeitgeber hat eine Verantwortung für die gesamte Belegschaft.

Ein Verstoß könnte als Ordnungswidrigkeit mit entsprechen Bußgeld eingestuft werden. Als LINKER plädiere ich dafür, dass das Bußgeld in Relation zum versteuernden Jahreseinkommen einzustufen ist, damit trifft es unabhängig vom Einkommen.

Auch Arbeitgeber müssen ein Bußgeld zahlen, wenn sie ihre Beschäftigten nicht entsprechend kontrollieren.

Meiner Meinung nach sollte der Verstoß gegen eine Impflicht eine Ordnungswidrigkeit darstellen, aber definitiv nicht als Straftat eingeordnet werden. Damit wäre ein Verstoß deutlich geringer eingestuft, als ohne Fahrschein öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Dies wird derzeit als Straftat verfolgt.

Mit freundlichen Grüßen

Ralph Lenkert

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Ralph Lenkert
Ralph Lenkert
DIE LINKE