Frage an Reinhold Reck bezüglich Senioren

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Reinhold Reck
ÖDP
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Frage von Franz F. •

Frage an Reinhold Reck von Franz F. bezüglich Senioren

Sehr geehrter Herr Dr. Reck,

im Bundestagswahlkampf wird aus meiner Sicht ein Thema stiefmütterlich behandelt und zwar die Frage: welche Folgen das Altern und absehbare Schrumpfen der Gesellschaft für den Staat und seine Bewohner hat. Bereits jetzt treten dadurch Probleme zutage. Die im Berufsleben stehenden Jahrgänge werden kleiner, der Anteil der Rentner steigt, was die Innovationskraft der Wirtschaft schwächt. Die große Zahl der Pflegebedürftigen machen uns jetzt schon große Sorgen.

Welche Möglichkeiten sehen Sie, bzw. die ödp, wie wir den damit verbundenen Herausforderungen begegnen können.

Mit freundlichen Grüßen
Franz Friedel

Foto Dr. Reinhold Reck
Antwort von
ÖDP

Sehr geehrter Herr Friedel,

dass sich der Altersaufbau der Gesellschaft seit Jahrzehnten kontinuierlich verändert, ist schon lange beobachtbar und an sich kein unabänderliches Schicksal. Das Problem ist nur, dass auch das Umsteuern ein sehr träger, langwieriger Prozess ist. Dieses Umsteuern wird allerdings, wie Sie zu recht anmerken, bis heute sträflich vernachlässigt. Die bisherigen politischen Versuche (Demographiefaktor, Rente mit 67), mit dem Thema umzugehen, haben zudem eher bei den Folgen (z.B. Rentenfinanzierung und Pflegeaufwand) angesetzt als bei den Ursachen. Hier ist v.a. die extrem niedrige Geburtenrate in Deutschland (2012: 8 pro 1000 Einw., zum Vergleich: Frankreich 13, Großbritannien 12, Schweiz 10) zu sehen, durch die sich der Bevölkerungsrückgang naturgemäß von Generation zu Generation weiter verstärkt. Es ist zwar kein Wert an sich, die Bevölkerung zahlenmäßig stabil zu halten; die Welt würde auch mit ein paar Deutschen weniger klarkommen. Wenn allerdings der Rückgang zu schnell passiert, sind große soziale und wirtschaftliche Probleme zu erwarten. Um diesen Trend zu stoppen und umzukehren, braucht es eine Veränderung der Rahmenbedingungen für Familien in doppelter Hinsicht: zum einen hinsichtlich der gesetzlichen und finanziellen Bedingungen und zum anderen hinsichtlich der gesellschaftlichen Wertschätzung. Die neueren politischen Maßnahmen dazu (einkommensabhängiges Elterngeld im 1. Lebensjahr und Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz ab dem vollendeten 1. Lebensjahr) fördern mit hohem finanziellen Aufwand der öffentlichen Hand einseitig nur die Fremdbetreuung in Kindertagesstätten. Das sog. Betreuungsgeld in Höhe von 100,- Euro ist keine Alternative, sondern Augenwischerei, denn es ermöglicht nicht den Verzicht auf eigene Erwerbstätigkeit und auch nicht die Organisation einer alternative Betreuungsmöglichkeit z.B. bei einer Tagesmutter. Die genannten Maßnahmen setzen einseitig auf institutionelle Betreuung in Kindertagesstätten. Sie schaffen nicht die angepriesene Wahlfreiheit der Eltern und zeigen auch nicht die erwünschte Wirkung.

Meine wesentlichen Positionen zu dieser Problematik: - Eltern dürfen nicht länger die Lastesel der Nation sein, die für die Erziehung der Kinder auf Erwerbseinkommen verzichten und daher dann im Alter geringere Rentenansprüche haben. Die von ihnen aufgezogenen Kinder zahlen im Umlageverfahren die (in der Regel höheren) Renten der Kinderlosen mit. Der Eiertanz der CDU/CSU/FDP-Regierung um die Rentenansprüche der Mütter mit vor 1992 geborenen Kindern spricht für sich. Und junge Leute verstehen die Botschaft: für Elternarbeit gibt es keine gesellschaftliche Wertschätzung. Die ÖDP steht daher für ein steuer- und sozialversicherungspflichtiges Erziehungsgehalt etwa in Höhe der realen Kosten für einen Krippenplatz, der nach fachlichen Standards betrieben wird (z.B. nach Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte: Betreuungsschlüssel 1:2 für 9-12monatige, 1:3 für 12-24monatige und 1:4 für 24-36monatige Kinder - der durchschnittliche Betreuungsschlüssen ist in Deutschland gegenwärtig 1:4,5). Ein solcher Platz kosten zwischen 1000 und 1500 Euro pro Monat. Das gibt den Eltern echte Wahlfreiheit gibt, ob Sie voll erwerbstätig sein wollen und mit dem Erziehungsgehalt die Betreuung des Kindes bzw. der Kinder finanzieren oder ob sie ihre Erwerbstätigkeit reduzieren und sich selbst um die Betreuung und Erziehung der Kinder kümmern wollen. - Was die Zukunft der Rente angeht: wir brauchen ein Rentensystem, das die Benachteiligung der Eltern durch das gegenwärtige System überwindet. - Gute Pflege darf nicht zuerst eine Frage der Kosten sein, denn hier geht es um die Menschenwürde. Dass durch gute Pflege die viel höheren Folgekosten schlechter Pflege erst gar nicht entstehen, kommt noch hinzu. Häusliche Pflege sollte von der Pflegeversicherung in derselben Höhe gefördert werden wie die Pflege im Heim. Es ist ja nicht so, dass gute Pflege nicht bezahlbar wäre (wie auch gute Bildung oder gute Kinderbetreuung). Es ist nur die Frage, wieviel uns diese elementaren menschlichen Anliegen als Gesellschaft insgesamt wert sind. Analog zum Erziehungsgehalt fordert die ÖDP daher ein Pflegegehalt. - Was die Innovationskraft der Wirtschaft angeht: die hängt wohl weniger an der reinen Zahl der jungen Menschen, sondern vor allem an ihren Bildungschancen, an motivierenden Arbeitsumgebungen und lebenslangen Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten. - Schließlich brauchen wir (neben dem Asylrecht) faire Regelungen für normale Einwanderung. Und dann optimale Unterstützung der Integration von Migranten.

Ich weiß, die genannten Punkte erfassen das Thema keineswegs erschöpfend. Es wäre auch auf die Organisation der Arbeitswelt (work-life-balance) zu schauen, auf Ausbildung und Entlohnung bei Lehr- und Sozialberufen, auf Fehlentwicklungen wie die Abschiebung von Pflegebedürftigen in Billiglohnländer und auf anderes mehr.

Mit freundlichen Grüßen
Reinhold Reck