Frage an Renate Künast bezüglich Soziale Sicherung

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Renate Künast
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Ada A. •

Frage an Renate Künast von Ada A. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Künast,

vielen Dank für ihre Antwort vom 17.08.2011. Sie haben mir darin hier auf abgeordnetenwatch geschrieben:
"Sozialleistungen wollen wir nicht kürzen, sondern effektiver umsetzen."

Was heisst das konkret? Wie wollen Sie Sozialleistungen in Berlin effektiver umsetzen?
Sie nennen als Ansatzpunkt, um die real zunehmende Armut in Berlin zu bekämpfen, mal wieder die Bildung. Was sagen Sie aber dazu, dass in Berlin sehr viele habilitierte und promovierte AkademikerInnen für lachhafte 135 Euro pro Semester (!) an Berliner Universitäten arbeiten? Das sind Leute mit den höchsten Bildungsabschlüssen, die an Berliner Universitäten als BetteldozentInnen "beschäftigt" sind. Die Leute müssen adäquat bezahlt werden. Ihre Bildung allein nutzt ihnen gar nichts! Wie setzen Sie sich konkret für die adäquate Bezahlung von AkademikerInnen und anderen ArbeitnehmerInnen in Berlin ein?

Rot-Grün hat unter Ihrer eigenen Abstimmungszustimmung als Bundestagsabgeordnete mit den Hartz-IV und den Agenda 2010 - Gesetzen sehr viele Menschen dauerhaft ins Elend gestürzt und diese verheerenden Gesetze bestehen weiterhin. Davon sind auch sehr viele gebildete HochschulabsolventInnen betroffen!
Es ist längst durch Studien erwiesen, dass die Rot-Grünen Sozialabbau-Gesetze insgesamt zu schlechteren Arbeitsbedingungen (Niedriglöhne, Leiharbeit, Minijobs, prekäre Beschäftigung etc.) bzw. zu Hunger-Existenzen bei den längerfristig Arbeitslosen geführt haben. Genutzt haben die Rot-Grünen Gesetze nur den Arbeitgebern, die verstärkt von Billiglöhnen profitieren und dadurch höhere Gewinne machen. Warum wollen die Grünen immer noch keine echte Wende Ihrer unsozialen Sozial- und Arbeitsmarktpolitik vollziehen?

Wieso sollte denn irgendjemand glauben, dass Sie und die Grünen nun plötzlich "sozial und gerecht für Berlin" (Zitat Ihr Wahlplakat) stehen - zumal Sie keine Angaben machen wie Sie den Armen und Arbeitslosen konkret helfen wollen, falls Sie an die Landesregierung kämen?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Adler,
ich freue mich über Ihr Interesse und danke Ihnen für die Nachfragen.

In den letzten Jahren gab es unter rot-rot massive Kürzungen in der sozialen Infrastruktur. Viele präventive, sogenannte ?freiwillige soziale Leistungen? auf die es keinen gesetzlich verankerten Rechtsanspruch gibt, wurden gestrichen. Dazu gehören quartiersnahe Angebote und Angebote der Nachbarschaftsarbeit. Insgesamt droht das System sozialer Hilfen finanziell und inhaltlich außer Kontrolle zu geraten. Problematisch ist insbesondere die Entwicklung weg von ganzheitlichen Unterstützungsangeboten hin zu spezialisierten Einzelleistungen auf Basis einzelner Bewilligungen. Das führt wiederum dazu, dass die Betroffenen von vielen verschiedenen Institutionen und Personen betreut und unterstützt werden.

Wir Grüne wollen die Verteilung der sozialen Leistungen effektiver gestalten und in Berlin einen Modellversuch ?Sozialraumbudget? starten. Sozialraumbudgets und sozialräumliche Steuerung sind fachlich unbestritten und als sinnvollerer Steuerungsformen als die jetzigen versäulten Modelle anerkannt. Es geht uns darum, den Weg zu einer flächendeckenden Implementierung der sozialräumlichen Steuerung von Fachpolitiken aber auch Finanzressourcen aufzuzeigen.

Die Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit muss einen ganzheitlichen Ansatz haben und unterschiedliche Maßnahmen beinhalten. Ein wichtiger Punkt ist für uns zum Beispiel die Begrenzung von Mietsteigerungen. Menschen mit mittlerem oder geringem Einkommen, insbesondere auch ältere Menschen, müssen in ihrem Kiez wohnen bleiben können. Deswegen wollen wir Berlins Wohnungsbaugesellschaften wieder auf ihre sozialen Zwecke verpflichten und neue bezahlbare Wohnungen bauen.

Weitere wichtige Punkte sind die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns und somit bessere Rahmenbedingungen um prekäre Beschäftigung zu verhindern.

Auch prekäre Beschäftigungsverhältnisse unter Wissenschaftlern wollen wir nicht hinnehmen. Was wir brauchen ist eine gute Mischung aus befristeten und unbefristeten Stellen im wissenschaftlichen ?Mittelbau? und nicht nur wenige verbeamtete Professuren. Wir werden uns außerdem dafür einsetzen, dass auch gute Lehre endlich belohnt wird!

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Renate Künast

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