Frage an Renate Künast bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Renate Künast
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Barbara H. •

Frage an Renate Künast von Barbara H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Frau Künast,

als Mitarbeiterin eines Berliner Frauenzentrums musste ich mit Bedauern feststellen, dass im Wahlprogramm Ihrer Partei keine Aussage zum Erhalt der Berliner Fraueninfrastruktur gemacht wird. Was haben Frauenzentren und Frauenprojekte, die nicht im Antigewaltbereich (der als einziger Erwähung findet) arbeiten, zu erwarten? Wie stehen Sie zur tarifgerechten Bezahlung der Mitarbeiterinnen der Berliner Frauenprojekte? Welche Schwerpunkte setzen Sie in der Arbeitsmarktförderung von Frauen, insbesondere von ältere Frauen? Was planen Sie im Bereich des öffentlichen Beschäftigungssektors ohne den viele gerade ältere Frauen keine Chance auf dem Arbeitsmarkt mehr haben? Viele Projekte können ohne den ÖBS ihre akteullen Angebote nicht mehr aufrecht erhalten, was wiederum zu Lasten der Frauen dieser Stadt geht.
Wir sind gespannt auf Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen
Barbara Hömberg

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Hömberg,

Frauenpolitik und Frauenförderung sind bei Bündnis 90/Die Grünen schon immer integrativer Bestandteil der Parteiprogrammatik. Im Abgeordnetenhaus haben wir Grüne in den vergangenen Jahren viele Initiativen zu Geschlechtergerechtigkeit unternommen. Auch für den Erhalt der Vielfalt der Fraueninfrastruktur des Landes Berlin setzen wir uns seit Jahren ein. Freie Träger sind für uns eine wichtige gesellschaftliche Kraft. Wir werden uns auch weiterhin darum bemühen, Planungssicherheit für die Projekte herzustellen.

Seit 2001 haben SPD und Linke eine massive Abkopplung der Gehälter der Beschäftigten der freien Träger von den Tarifstrukturen des öffentlichen Dienstes vorgenommen, sei es durch pauschale Absenkung von Entgelten, Festschreibung von Tarifen vergangener Jahre oder einfach durch fehlende Fortschreibungen bei Tagessätzen. Die Berücksichtigung der Tarife des öffentlichen Dienstes in allen Kostensätzen etc. würde mehrere 100 Millionen Euro kosten. Angesichts der Haushaltslage ist dies leider nicht leistbar.

Auch wir können das nicht versprechen. Wir werden aber ehrlich damit umgehen. Klar ist, dass die Abkopplung gestoppt werden muss. Obwohl sich viele Träger sehr bemüht haben, die Lohndifferenz in Grenzen zu halten und die Personalmittel durch eigene Mittel, Drittmittel und Einsparungen an anderer Stelle zu schonen, ist mittlerweile oft ein Gehaltsniveau erreicht, das nicht mehr tragbar ist. Wir wollen, dass in Zukunft zumindest die Tarifsteigerungen des öffentlichen Dienstes auch wieder für die Entgelte und Zuwendungen der Träger anerkannt werden.

Leider setzen uns die drastischen Sparmaßnahmen der schwarz-gelben Bundesregierung bei den Eingliederungsmaßnahmen in Arbeit enge finanzielle Grenzen, was die Ausgestaltung der Arbeitsmarktmaßnahmen angeht. Wir können das in Berlin nicht kompensieren. Wir werden den vorhandenen Spielraum jedoch im Sinne der Erwerbslosen nutzen und uns im Bund und in Berlin dafür einsetzen, neue Perspektiven für die Beschäftigung insbesondere auch für die von Ihnen benannte Zielgruppe der älteren Frauen, zu schaffen.

Der Senat hat zugelassen, dass die Arbeit der Jobcenter nun noch stärker zentralistisch ausgerichtet ist ? tonangebend bei den Fördermaßnahmen ist die Bundesagentur für Arbeit. Hinzu kommt, dass der Senat im Ausführungsgesetz zum SGB II, das im Zuge der Neuordnung der Jobcenter erlassen wurde, die Einflussnahme der Bezirke auf die regionale Arbeitsmarktpolitik massiv eingeschränkt hat.

Das Prestigeprojekt des rot-roten Senats, der Öffentliche Beschäftigungssektor (ÖBS), kann wohl oder übel als gescheitert betrachtet werden. Die Förderungsmaßnahmen wechseln ständig in Abhängigkeit von den jeweiligen arbeitsmarktpolitischen Instrumenten, und sind somit wenig nachhaltig. Was wir in Berlin jedoch dringend brauchen, ist ein dauerhaft finanzierter sozialer Arbeitsmarkt. Deshalb wollen wir Grüne gemeinsam mit den Jobcentern ein Landesbeschäftigungsprogramm ins Leben rufen, das befristete qualifizierende Beschäftigungen anbietet. Ein solches Programm garantiert allgemeinen gesellschaftlichen Nutzen und den Beschäftigten gleichzeitig gesellschaftliche Anerkennung.

Außerdem haben wir Grüne es uns zum Ziel gesetzt Berlin in den nächsten 5 Jahren zur Klimahauptstadt zu machen. Unter den 100.000 Jobs, die wir in der Gesundheitswirtschaft, Kreativwirtschaft, Umwelttechnologie, Gebäudesanierung, E-Mobilität und im Tourismus schaffen wollen, sollen selbstverständlich auch anteilig viele Arbeitsplätze für Frauen sein.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Renate Künast

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