Frage an Renate Künast bezüglich Familie

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Renate Künast
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Lutz L. •

Frage an Renate Künast von Lutz L. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Künast,

ich schließe mich der Frage von Hr. Möhle an (
http://www.abgeordnetenwatch.de/renate_kuenast-778-78280--f448102.html#q448102 ),
möchte Sie aber insbesondere als Mitglied des Rechtsauschusses ansprechen. Ich weise Sie auf erhebliche Missstände in der Rechtswirklichkeit, gerade im Familienrecht hin. Angemessene gerichtliche Verfahren sind allein vom Verantwortungsgefühl der Richter und weiterer Professionen abhängig. Nur wer Glück hat, kann bei Beteiligung von Juristen auf sachgerechte Vermittlung und tragfähige Lösungen hoffen. Familien gehören eigentlich auch nicht vor Gerichte.

Die ungleiche Ausgangslage und erhebliche Manipulationsmöglichkeiten bringen Eltern aber auch zwangsläufig dorthin. Weder das Sachrecht noch das Verfahrensrecht schützen Kinder und Eltern gegen amtliche Willkür. Mit Formalismus und Manipulationen werden Probleme in Familien missbraucht, um sachfremde Eigeninteressen und strukturelle oder persönliche Unzulänglichkeiten zu bedienen. Als Vater von 4 Kindern habe ich Erfahrung in nichtehelicher Lebensgemeinschaft mit Kindern, Elternzeit, Wechselmodell, Kontaktausschluss, Kindesentzug, gerichtliche Befragungen der Kinder, Umgangsregelungen, Umgangspflegschaft, Zwangsgeldverfahren, wechselnden Sorgeentscheidungen, Unterhaltsverfahren, Zwangsvollstreckungen, Anwaltshaftung, Prozessbetrug, Befangenheitsgesuchen, Gehörsrügen, Dienstaufsicht, Verfassungsbeschwerden und überlange Verfahrensdauer in dutzenden Verfahren. Ich habe erschreckende Einblicke in die Rechtspraxis gewonnen. Einmal in diese Mühlen hineingeraten, gibt es kaum Chancen sich dem wieder zu entziehen.
Beispielhaft sei auf katastrophale Nachwirkungen der gesetzliche Neuregelung zum Sorgerecht in 2013 verwiesen. Durch Konfliktverschärfung werden Rechte an einigen Gerichten noch massiver ausgehebelt als zuvor und Kinder systematisch entzogen. Eine Evaluation der Rechtspraxis blieb bisher aus. Was gedenkt der Rechtsausschuss zu tun? Ist das Thema?

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Lippke,

vielen Dank für Ihre Fragen. Gerne verweise ich auch auf die Beantwortung der von Ihnen angesprochenen Frage von H. M..

Bezüglich Ihrer Nachfragen zum Prozessrecht kann ich Ihnen sagen, dass wir Grüne kritisch den gesamten Kompromiss zur Reform des Sorgerechts begleitet habe und uns dazu positioniert haben. Wir finden es richtig, dass ein Vater, der die Vaterschaft für sein Kind anerkannt hat, nun das gemeinsame Sorgerecht beantragen kann und dann in einem niedrigschwelligen Verfahren gemeinsam mit der Mutter das Sorgerecht erhält, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht. Doch natürlich gibt es auch Aspekte, die unserer Meinung nach bei der Evaluierung des Gesetzes besondere Beachtung finden sollten. Dazu gehört, dass zu klären ist, ob ein Antrag beim Familiengericht nicht eine zu große Hürde darstellt im Gegensatz zum Jugendamt. Auch ist fraglich, ob die vergleichsweise kurze Widerspruchsfrist der Mutter nach der Geburt des Kindes ihre schutzbedürftige Lage angemessen berücksichtigt. Und fraglich ist, inwiefern Beratungs-, Mediations- und Unterstützungsangebot noch stärker einbezogen werden könnten.

Sie bemängeln nun, dass eine Evaluation der Reform bisher ausblieb. Nun, die Reform ist noch keine drei Jahre her, belastbare Ergebnisse geschweige denn eine allumfassende Evaluation ist in einem solchen Zeitraum wohl kaum möglich. Nicht umsonst steht in Art. 6 des betreffenden Gesetzes zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern, dass eine Evaluierung fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes anstehe.

Als Vorsitzende des Rechtsausschusses, in welcher Position Sie mir die Fragen gestellt haben, meine ich, dass es sinnvoll erscheint, an dieser Fünfjahresregel grundsätzlich festzuhalten und auf eine belastbare statt vorschnelle Evaluierung zu setzen.

Ich hoffe, Ihnen weitergeholfen zu haben.

Mit freundlichen Grüßen
Renate Künast

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