Frage an Rudolf Henke bezüglich Gesundheit

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Rudolf Henke
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Frage von Alexandra S. •

Frage an Rudolf Henke von Alexandra S. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Henke,

die derzeitige gesellschaftliche und politische Entwicklung durch die Diskussion über die Einführung einer Masernimpfpflicht beschäftigt mich sehr.
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat sich bereits 2016 im Rahmen der Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 019/06 mit der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer Impfpflicht beschäftigt.
In dieser Ausarbeitung (S. 5-6) ist festgehalten, dass eine generelle Impfpflicht mit dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nicht vereinbar ist: „In der Abwägung [beider Positionen] sind außerdem die Schwere der Gefahr sowie die Wahrscheinlichkeit einer Infektion zu berücksichtigen. [...] Im Falle einer Maserninfektion beträgt die Sterblichkeit in Deutschland laut RKI dagegen nur 0,1 Prozent. [...] Ergibt die Abwägung im Ergebnis nur ein geringes Risiko, dürfte eine generelle Impfpflicht ein Eingriff in das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art 2 Abs. 2 GG darstellen, der verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen wäre.“
Wie begründen Sie es, dass drei Jahre nach dieser Ausführung des Wissenschaftlichen Dienstes eine Masernimpfpflicht (und gleichzeitig durch den Kombinationsimpfstoff auch eine für Mumps, Röteln und ggf. sogar Windpocken) eingeführt werden soll? Wie ist das verfassungsrechtlich zu rechtfertigen?

Mit freundlichen Grüßen
Alexandra Schirm

https://www.bundestag.de/resource/blob/413560/40484c918e669002c4bb60410a317057/wd-3-019-16-pdf-data.pdf

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Sehr geehrte Frau S.,
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 4. Oktober. Ihre Frage richtet sich auf die verfassungsrechtliche Begründung der derzeit diskutierten Nachweispflicht einer Masernimpfung bzw. -immunität für bestimmte Personen, die sich regelmäßig in Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen mit besonders hohen Infektionsrisiken aufhalten.

In der von Ihnen ausschnitthaft zitierten Ausarbeitung „Verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Impfpflicht“, die der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages im Januar 2016 vorlegte, heißt es auf Seite 5 auch: „Ob ein Eingriff in das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der zu impfenden Menschen unter Inkaufnahme möglicher Impfschäden zugunsten des Schutzes von Gesundheit und des Lebens anderer Menschen angemessen erscheint, lässt sich pauschal nicht beantworten. Die Abwägung müsste stets unter Berücksichtigung der verschiedenen Erkrankungsarten erfolgen.“ Im Fall der Masern handelt es sich um eine hochansteckende und für alle Altersgruppen gefährliche Infektionskrankheit, die nur in ihren Symptomen zu behandeln ist. Je nach körperlicher Konstitution und Zustand des Immunsystems kann sie eine Reihe schwerer Komplikationen und Folgeerkrankungen auslösen. Vor allem solche Personen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, sind ohne ausreichend hohe Impfraten im Grunde schutz- und schuldlos vermeidbaren Risiken ausgesetzt. Ein hinreichend hoher Gemeinschaftsschutz der Bevölkerung trägt also dazu bei, Übertragungswege von Infektionskrankheiten frühzeitig zu unterbinden. Diese Notwendigkeit betrifft vor allem Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen, in denen viele schutzbedürftige Menschen auf engem Raum zusammentreffen.

Für die Vereinbarkeit des Masernschutzgesetzes mit unserer Verfassung sprechen mehrere Gründe. Das Bundesministerium für Gesundheit geht in seinem Gesetzentwurf, der mit allen Ressorts der Bundesregierung abgestimmt ist, nachvollziehbar auf das hohe öffentliche Interesse ein, das an dem Schutz der gesamten Bevölkerung und besonders verletzlicher Bevölkerungsgruppen vor Ansteckungen und klinischen Verläufen besteht. Ein hohes öffentliches Interesse sollte meines Erachtens auch darin liegen, Deutschlands langjährige Verpflichtung auf internationaler Ebene zu erfüllen, die Masern bei uns und dann europaweit zu eliminieren.

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich im Zusammenhang mit der Pockenschutzimpfung bereits 1959 der Vereinbarkeit einer verpflichtenden Schutzimpfung mit dem Grundgesetz gewidmet. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Schutz der Gesundheit anderer Menschen und der Allgemeinheit einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit rechtfertige – bei besonders ansteckenden Krankheiten und besonders hohen Gesundheitsrisiken. Zudem hielt das Gericht fest, dass ein Eingriff nicht den Wesensgehalt des Grundrechts antaste, weil die Zielsetzung eines solchen Eingriffes ja gerade die Erhaltung der Unversehrtheit sei. Wenn Sie sich für eine detaillierte Einordnung von wissenschaftlicher Seite interessieren, empfehle ich Ihnen einen Rückblick auf die öffentliche Anhörung zum Masernschutzgesetz, die der Ausschuss für Gesundheit am 23. Oktober im Deutschen Bundestag durchführte. Die schriftliche Stellungnahme des Einzelsachverständigen Prof. Dr. Nils Schaks von der Universität Mannheim führt zur Verfassungskonformität und zum staatlichen Gestaltungsrahmen aus.

Mit freundlichen Grüßen

Rudolf Henke MdB