Frage an Sabine Wils bezüglich Arbeit und Beschäftigung

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Sabine Wils
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Frage von Carla K. •

Frage an Sabine Wils von Carla K. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Liebe Sabine Wils,

in einem Artikel in "Betrieb und Gewerkschaft" Anfang diesen Jahres forderst Du in Übereinstimmung mit John Monks vom EGB die Schaffung vieler grüner Arbeitsplätze. Wie konkret würdest Du das tun? Mittels Subventionen, Lohnzuschüssen, Krediten, Entwicklung des öffentlichen Sektors oder wie sonst? Wie würdest Du verhindern, dass neue Arbeitsplätze andere vernichten, dass mit anderen Worten, "ArbeitnehmerInnen" zueinander in Konkurrenz gebracht werden?
Wärest Du bereit, dafür zu sorgen, dass die Politik sich wieder "hands-on" um konkrete Menschen kümmert, Umschulungen wieder gefördert werden, Umzugsbeihilfen gewährt werden, Stipendien und Praktika finanziert werden etc.?
Oder schwebt Dir eher wie den Grünen ein makroökonomischer New Deal vor, in dem der Glückliche Arbeit hat oder findet, während der Rest mit sinkenden Sozialleistungen abgespeist wird? Andere Experten sagen mir, in EU-Europa gäbe es dafür das Fachwort "flexicurité". Wie stehst Du in diesem Zusammenhang zum bedingungslosen Grundeinkommen, wie es in unserer Partei zum Beispiel Katja Kipping befürwortet? Was hälst Du von der Idee der Newropeans, eines einheitlichen EU-Arbeitslosengeldes zumindest für die ersten paar Monate?
Und da das EP eigentlich so wenige beschäftigungs- und sozialpolitische Kompetenzen hat, wie willst Du Deine arbeitsmarktpolitischen Ziele in diesem konkreten Rahmen befördern?
Mit freundlichen Grüßen
Carla Krüger aus Berlin

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DIE LINKE

Liebe Frau Krüger,

vielen Dank für Ihre Nachfragen zu meinem Artikel „Investitionen in ‚grüne’ Arbeitsplätze retten Klima und Wirtschaft“. Ich freue mich sehr, dass mein Beitrag auf Interesse stößt und die Debatte um die Schaffung zukunftsweisender Arbeitsplätze weiter befördert.

Wie auch John Monks vom Europäischen Gewerkschaftsbund trete ich für ein umweltorientiertes europaweites Konjunkturpaket ein. Meines Erachtens ist es dringend erforderlich, dass die EU-Mitgliedsländer gemeinsam und koordiniert gegen die Wirtschaftskrise und den Klimawandel vorgehen. Es ist zwar bereits spät, aber noch nicht zu spät, den Klimakollaps zu stoppen. Auch die Wirtschaftskrise gewinnt erst richtig an Fahrt: Ein Rettungsschirm für die Menschen und ihre Arbeitsplätze käme noch nicht zu spät. Bundeskanzlerin Merkel und andere haben dagegen die Notwendigkeit noch nicht erkannt: Sie spielen weiterhin Klimaschutz und Arbeitsplätze gegeneinander aus.

Die europäischen Länder müssen sich zusammenraufen. Eine gute Umwelt- und Wirtschaftspolitik muss die verschiedenen Werkzeuge, die ihr zur Verfügung stehen, klug einsetzen. Zentral für mich ist das Handeln des Staates. Staatliche und staatlich geförderte Auftraggeber sollten ihre Ausgaben und Investitionen stets auf ökologische und soziale Ziele hin ausrichten. Ergänzend zu ordnungspolitischen Vorgaben oder gesetzlichen Vorschriften, wären zinsgünstige Kredite und Subventionen – natürlich gezielt eingesetzt. Um „grüne“ Arbeitsplätze zu fördern, bietet die Verstaatlichung der Banken ebenfalls neue Möglichkeiten. Voraussetzung ist, dass die Ziele der Banken nicht auf möglichst hohe Renditen ausgerichtet sind.
Lohnzuschüsse kommen für mich hingegen nicht in Betracht. Hierüber würden
Dumpinglöhne befördert. „ArbeitnehmerInnen“ sollen keineswegs gegeneinander
ausgespielt werden. Statt die ArbeitnehmerInnen gegeneinander auszuspielen
muss der Wandel sozial und ökologisch so gestalten werden, dass niemand
zurückgelassen wird. Die Menschen müssen dabei befähigt werden, den Wandel
aktiv und selbstbewusst zu gestalten und zu durchleben. Hierzu gehört für
mich zum Beispiel eine stärkere Förderung der Fort- und Weiterbildung sowie
von Umschulungen. Denn diese Angebote werden bisher vor allem von
Besserverdienenden und höher Qualifizierten wahrgenommen, da sie das nötige
Geld hierfür haben.

Mehr Arbeitsplätze zu schaffen, kann jedoch nicht das alleinige Ziel sein. Wir brauchen mehr und bessere Arbeitsplätze. Hierzu zählen für mich eine angemessene und gerechte Entlohnung: Wir benötigen sowohl einen gesetzlichen Mindestlohn als auch eine Begrenzung der Managergehälter. Ebenso müssen die Arbeitsbedingungen verbessert und die Arbeitszeit wieder gerechter verteilt werden. Im Moment arbeiten zunehmend weniger Personen immer länger, während andere gar keinen Arbeitsplatz mehr bekommen. Eine Debatte um Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich ist daher längst überfällig.

Das Grundeinkommen zielt hier aus meiner Sicht in die falsche Richtung. Statt gesellschaftlich und kollektiv eine Umverteilung von Arbeits- und Freizeit zu organisieren, verfestigt es die ungleiche Verteilung der Arbeit. Ein Aspekt erscheint mir jedoch wichtig: Erwerbslose und finanziell Arme dürfen nicht wie Menschen zweiter oder dritter Klasse behandelt werden, sie dürfen weder ausspioniert noch unwürdigen Repressalien ausgesetzt werden. DIE LINKE fordert daher eine soziale und sanktionsfreie Mindestsicherung die Armut tatsächlich verhindert.

Ich möchte auf europäischer Ebene das EU-Binnenmarktregime durchbrechen. Momentan drückt die Europäische Union auf allen Ebenen den freien Markt und Wettbewerb durch. Sozialpolitik gerät hierbei unter die Räder. Gleichzeitig verzichten die Regierungen der Nationalstaaten zunehmend auf den Spielraum, die Sozialpolitik frei zu gestalten oder diesen auf europäischer Ebene durchzusetzen. Ich möchte mich in der EU, gemeinsam mit den Gewerkschaften und den sozialen Bewegungen dafür einsetzen, dass soziale Rechte und die Ökologie Vorrang haben vor der unternehmerischen Freiheit. Gewinne und Renditen stehen niemals über den Menschenrechten. Um dies zu verwirklichen, müssen wir in Europa noch viel bewegen. Dies gilt für die europäischen Institutionen ebenso wie für die Nationalstaaten. Ich möchte im Europäischen Parlament meinen Teil dazu beitragen.

Mit freundlichen Grüßen

Sabine Wils