Frage an Sabine Wils bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Sabine Wils
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Frage von Dirk P. •

Frage an Sabine Wils von Dirk P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Moin Sabine Wils,

zzt. schwabt ja auf europäische Ebene mit einem Richtlinienentwurf der EU-Kommissarin Cecilia Malmström eine Diskussion über, die hier schon voriges Jahr unter dem Stichwort "Internetsperren" bzw. "Netzfilter" geführt wurde.
Im Kerne geht es um die Frage Verbrechen bestrafen oder lieber verstecken. Hintergrund Informationen gibt es u.a. von der European Digital Rights unter http://www.edri.org/files/Booklet_dt_final.pdf.

Wie ist deine Position zu diesem Thema und wie ist da die Postion deiner Fraktion?

Danke.

Dirk

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Prösdorf,

haben Sie vielen Dank für diese Frage.
Meine Antwort ist auf einen kurzen Nenner zu bringen: „Verbrechen bestrafen, nicht verstecken.“

Die EU darf es den Mitgliedstaaten nicht ermöglichen, rein kosmetische Maßnahmen zu ergreifen, die eher dazu angetan sind, echtes internationales Vorgehen, beispielsweise gegen Kindesmissbrauch, zu ersetzen.

Kriminelle könnten Netzsperren mühelos ausweichen, indem sie Systeme einrichten, die ihre Webseiten automatisch verlegen, sobald sie darauf aufmerksam werden, dass sie auf einer Sperrliste stehen. Demzufolge werden sich Netzsperren eher als nützliches Instrument erweisen, um kriminelle Aktivitäten abzuschirmen, und nicht als wirkungsvolle Maßnahme im Kampf gegen Internetkriminalität.

Aus meinen politischen Erfahrungen heraus befürchte ich allerdings, dass die Einführung von Netzsperren gegen Kindesmissbrauch die Tür für ganz andere Formen von Zensur im Netz öffnet. Als im Februar 2010 ein Bündnis Dresdner Antifaschisten auf seiner Website zur Blockade einer behördlich genehmigten großangelegten Nazi-Zusammenrottung in Dresden aufrief, war diese Website kurzfristig nicht erreichbar. Mit dem legalen Mittel von Netzsperren könnte so sehr leicht jedwede, den Regierenden missfallende Gegenwehr von Bürgern unterdrückt werden. In Stuttgart haben wir gerade miterlebt, wie ein Konzernchef der Bevölkerung bereits öffentlich das Recht auf Widerstand abgesprochen hat. Angesichts der sich stetig verschlechternden sozialen Lage breiter Bevölkerungsschichten in den EU-Mitgliedsländern zugunsten märchenhafter Profite ihrer Konzerne hoffen die Regierenden möglicherweise, unter dem Deckmäntelchen eines angeblichen Kampfes gegen Kindesmissbrauch ihr eigenes Süppchen kochen zu können und sich ein wirkungsvolles Instrument zuzulegen, um demokratischen Protest ersticken zu können.

Inhalte, die gegen Gesetze verstoßen, insbesondere derart abscheuliche wie Kindesmissbrauch, sind eine Sache für die Staatsanwaltschaft, nicht für Verwaltungshandeln. Vor Gericht kann man sich verteidigen; der Aufnahme in anonyme Listen sind Eigentümerinnen und Eigentümer sowie Nutzerinnen und Nutzer von Websites ausgeliefert, ohne davon zu erfahren und ohne sich dagegen wehren zu können.

Mit freundlichen Grüßen

Sabine Wils