Frage an Sahra Wagenknecht bezüglich Recht

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Sahra Wagenknecht
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Frage von Michael L. •

Frage an Sahra Wagenknecht von Michael L. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Wagenknecht,

bei einer kürzlich durchgeführten TED-Umfrage auf SAT 1 wünschten sich 20 Jahre nach dem Mauerfall fast 90 Prozent der Anrufer definitiv wieder die Mauer zurück. Bedauern Sie es manchmal auch, dass es 1989 zum Mauerfall gekommen ist und wünschen Sie sich manchmal die Mauer und zwei deutsche Staaten mit unterschiedlichen Systemen zurück?

Mit freundlichen Grüßen
Michael Lux

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BSW

Sehr geehrter Herr Lux,

die von Ihnen zitierte (und mir bislang nicht bekannte) Umfrage finde ich insofern interessant, weil sich in ihr meines Erachtens weniger der Wunsch nach einer neuen Mauer abbildet, als vielmehr ein hohes Maß an Unzufriedenheit mit den jetzt herrschenden gesellschaftlichen Verhältnissen - und zwar ganz offensichtlich in beiden Teilen Deutschlands, da sonst kaum ein derart hoher Wert zustande kommen könnte. Dass dies so ist, kann ich gut verstehen, schließlich haben sich die Hoffnungen, die viele Menschen mit der deutschen Einheit verbunden haben, bei weitem nicht erfüllt. Anstelle blühender Landschaften in Ost und West gibt es wachsende Arbeitslosigkeit, ganze Regionen, die abgehängt werden und eine Gesellschaft, die nicht Wohlstand für alle bietet, sondern in der die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander klafft. Gerade in Krisenzeiten wird vielen Menschen bewusst, dass die Versprechungen und Verheißungen, denen sie vor 20 Jahren geglaubt haben, mitnichten Realität geworden sind.

Dass sich die Frustration über die herrschenden Verhältnisse in einer solchen Umfrage abbildet, finde ich nicht überraschend. Allerdings bin ich der Ansicht, dass es nicht hilfreich ist, vergangenen Zeiten nachzutrauern. Zum einen verklärt der Rückblick oftmals die damalige Realität mit ihren vielen Mängeln und Unzulänglichkeiten. Zum anderen muss es heute darum gehen, aus den Erfahrungen der Vergangenheit und den Enttäuschungen und Ernüchterungen zu lernen und das Wissen darum für eine bessere Zukunft einzusetzen. Mir geht es nicht um die Rückkehr zu den alten Verhältnissen. Was ich möchte und wofür ich mich einsetze, ist eine Gesellschaft, die nicht nach Prinzipien des Kapitalismus strukturiert ist und in der Profit über alles geht, sondern eine Gesellschaft, die umfassend demokratisch, sozial und gerecht ist und in der die Chancen der Menschen nicht von ihrem Einkommen abhängen.

Mit freundlichen Grüßen
Sahra Wagenknecht

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