Frage an Sahra Wagenknecht bezüglich Finanzen

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Sahra Wagenknecht
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Frage von Nicolas M. •

Frage an Sahra Wagenknecht von Nicolas M. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Wagenknecht!

In Ihre Antwort an H. S. schreiben Sie:

„in einem festgelegten Rahmen sollen die öffentlichen Haushalte direkt von der Europäischen Zentralbank Kredite bekommen.“

Diese Aussage finde ich sehr erfreulich, und solche Forderung wird m.W.n. von keiner weiteren Partei erhoben. Somit würde ich mich über weitere Konkretisierungen freuen. Wie sollte Ihrer Meinung nach der angesprochene „Rahmen“ bemessen sein? Sollte nicht etwa dieser Rahmen 100 % der Haushaltsdefizite bedeuten, um der Staatsverschuldung als Geißel (ja nicht nur) des deutschen Volkes endlich den Boden zu nehmen? Wie realistisch wäre dieser Anspruch aber auch im Falle einer von der Partei „Die Linke“ dominierten Regierung gegenüber der EZB durchzusetzen? Schon weil es doch unwahrscheinlich anmutet, dass die BRD als einziges Land der EU dieses Privileg erhält?! Dass die Notenbanken dem Souverän als Kreditnehmer die Türen verschließen, bedeutet wohl wahr die originäre Eigenmacht, mit der ganze Völker geknebelt werden.

Können Sie aber wirklich eine so bahnbrechende Erwägung als realistische Option anbieten, oder doch nur in der stillen Gewissheit, diese Erwartung niemals erfüllen zu können?

Schöne Grüße

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BSW

Sehr geehrter Herr Mayer-Reinach,

vielen Dank für Ihre Nachfrage. Der Rahmen, in dem die Europäische Zentralbank (EZB) die öffentlichen Haushalte in der Eurozone finanzieren soll, könnte über die Schuldenquote festgelegt werden. Beispielsweise könnten bis zu einer Schuldenquote von 60 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) eine Finanzierung durch die EZB erfolgen. Darüber hinaus gehende Staatsausgaben müssten in den jeweiligen Staaten durch Reichensteuern finanziert werden. Von konjunkturstützenden Maßnahmen abgesehen will DIE LINKE umverteilen anstatt Geld drucken.

Die Chancen für eine entsprechende Änderung der EU- bzw. EZB-Statuten sähen nicht schlecht aus, sobald sich eine deutsche Regierung dafür einsetzen würde. Frankreich und Italien haben sich vor gut einem Jahr bereits für einen unbegrenzte Kreditaufnahmemöglichkeit des Europäischen Rettungsfonds (ESM) bei der EZB ausgesprochen. Ohne die Verknüpfung mit dem Diktat der katastrophalen Renten-, Lohn- und Sozialausgabenkürzungen hätte dies quasi eine sehr ähnliche Wirkung wie eine direkte Finanzierung der öffentlichen Haushalte durch die EZB. Bundeskanzlerin M. und ihre konservativ-liberale Regierung haben dieses Modell blockiert. Wie realistisch ein solches Finanzierungsmodell durch die EZB ist, hängt folglich davon ab, wie realistisch ein Regierungswechsel in Deutschland ist, der einen echten Kurswechsel ermöglicht. Da SPD und Grüne in den letzten vier Jahren regelmäßig das fünftes Rad an Merkels Euro-Krisenpolitik waren, ist eine andere Politik nur mit einer starken LINKEN möglich.

Mit freundlichen Grüßen,
Sahra Wagenknecht

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