Sehr geehrte Fr. Weeser, wie stehen Sie zu dem Faktum des Fraktionszwangs bei Bundestagsabstimmungen? Ist es nicht der demokratischen Verpflichtung einer/eines Abgeordneten entgegenstehend .... ?

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Frage von Bernhard R. •

Sehr geehrte Fr. Weeser, wie stehen Sie zu dem Faktum des Fraktionszwangs bei Bundestagsabstimmungen? Ist es nicht der demokratischen Verpflichtung einer/eines Abgeordneten entgegenstehend .... ?

Meines Wissens verpflichtet sich die/der Abgeordnete nach Annahme der Wahl doch, seine Abstimmungsentscheidung einzig und alleine dem persönlichen Gewissen zu unterwerfen; dies wird durch den Fraktionszwang doch ausgehebelt! Insofern ist in meinen Augen ein Fraktionszwang eine an sich undemokratische Einrichtung, oder?

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Sehr geehrter Herr Rümelin,

Sie liegen richtig mit Ihrer Einschätzung, dass der Fraktionszwang undemokratisch bzw. verfassungswidrig ist.

So heißt es in Art. 38 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes, dass Bundestagsabgeordnete „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“ sind.

Es muss allerdings zwischen dem Fraktionszwang und der Fraktionsdisziplin unterschieden werden. Fraktionsdisziplin ist nämlich zulässig, während der Fraktionszwang generell verfassungswidrig ist.

Für mich ist die Fraktionsdisziplin ein wichtiger Baustein für einen funktionierenden Bundestag. Ich bin in Rheinland-Pfalz für die Freien Demokraten über die Liste in den Deutschen Bundestag eingezogen. Ich als Abgeordnete habe ein Mandat erhalten durch die Menschen, die mich gewählt haben, und habe dann den Auftrag, mich für die Themen und Inhalte im Parlament einzusetzen, für die ich angetreten bin und mit denen ich die Menschen überzeugt habe. Um dies effektiv tun zu können, brauche ich jedoch zunächst eine Partei und dann eine Fraktion im Rücken, mit der ich gemeinsam liberale Vorhaben entwickele und vorantreibe. Gleichzeitig unterstütze ich meine Kolleginnen und Kollegen in der Fraktion, indem ich ihrer Expertise bei anstehenden Entscheidungen vertraue. Wichtig ist hierfür aber selbstverständlich eine offene Informations- und Debattenkultur innerhalb der Fraktion. Das war bei der Fraktion der Freien Demokraten stets der Fall.

Zudem gibt es jedoch viele Entscheidungen, bei denen die Fraktionen sich nicht in die Meinungsbildung einschalten, weil es sich zum Beispiel um moralisch-ethische Fragen handelt, die sehr sensibel sind. So zum Beispiel bei der Bundestagsabstimmung über die Organspende oder bei der Frage nach der „Ehe für alle“. Hier gibt es dann auch keine Fraktionsdisziplin und in der Regel werden fraktionsübergreifende Anträge und Gesetzentwürfe beraten.

Viele fragen sich, warum das dann nicht bei allen Anträgen und Gesetzen geht.

Dazu ist es wichtig zu verstehen, wie unser Parlament mit der Bundesregierung und den anderen Verfassungsorganen zusammenhängt. Eine ausführliche Beschreibung der Entwicklung und Zusammenhänge finden Sie hier: Der Deutsche Bundestag und seine Akteure | bpb

 

Mit freundlichen Grüßen

Sandra Weeser

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