Frage an Siegfried Lehmann bezüglich Kultur

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Siegfried Lehmann
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Andreas B. •

Frage an Siegfried Lehmann von Andreas B. bezüglich Kultur

Sehr geehrter Herr Lehmann,

nach einem Bericht der Wochenzeitung Junge Freiheit unter dem Titel "Miesepeter von links" (siehe www.jungefreiheit.de) beteiligt sich die Jugendorganisation Ihrer Partei an der Initiative "Deutschland.Keine gute Idee". Entspricht dies den Tatsachen? Wenn dem so ist, halten sie dies für eine angemessene Antwort auf die Initiative "Du bist Deutschland"?

Mit freundlichen Grüßen

Andreas Blobel

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Blobel,

mir ist nicht bekannt, dass die Grüne Jugend die Kampagne „Deutschland – Keine gute Idee …“ unterstützt.

Die Kampagne „DU bist Deutschland“ empfinde ich als besonders zynisch. Mit ihr sollen die von Depressionen und Zukunftsängsten geschüttelten Deutschen wieder auf gute Laune getrimmt werden, während die Verantwortung von Staat und Wirtschaft für das „Schicksal des Landes“ dabei auf den Einzelnen abgeschoben wird.

Darüber hinaus ist der Spruch: „DU bist Deutschland“ besonders peinlich, geschmacklos und geschichtslos, weil die Nationalsozialisten die Parole „Denn Du bist Deutschland“ (auf Adolf Hitler gemünzt) während einer Kundgebung 1935 auf dem Ludwigsplatz in Ludwigshafen verwendet haben. Den Satz überragt ein großes Hitlerporträt. In etwas abgewandelter Form taucht der Satz auch in dem Film „Triumph des Willens“ von Leni Riefenstahl auf: „Sie sind Deutschland!“.

Über die Wochenzeitung: „Junge Freiheit“, aus der Sie hier zitieren, kann man im „Informationsdienst gegen Rechtsextremismus“ interssantes lesen. Ich zitiere:

„Die Wochenzeitung wurde in der Vergangenheit regelmäßig von den Verfassungsschutzbehörden ausgewertet und in ihren Berichten erwähnt. Nach der Einschätzung des hessischen Verfassungsschutzes versucht das Sprachrohr der Neuen Rechten durch das unverdächtige Etikett "konservativ" den Rechtsextremismus zu verschleiern, den es inhaltlich befördert. Geschickt wird dabei auf jegliche Form von NS-Nostalgie verzichtet, ebenso auf plumpe Angriffe konstitutiver Bestandteile der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, wie sie sonst bei rechtsextremistischen Parteien und Organistionen auftreten. Das Strickmuster der "Neuen Rechten" ist etwas feingewirkter. In drei Ausgaben (1-3/1990) befasste sich die rechtsextreme Zeitung mit dem "Leuchter-Report" und ließ den Auschwitz-Leugner David Irving und den in Frankreich wegen Leugnung der Nazi-Verbrechen verurteilten Prof. Robert Faurisson zu Wort kommen. Ein weiteres Themenfeld ist der Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit. Die Forderungen ehemaliger Zwangsarbeiter etwa wurde als "Nötigung" beschrieben. Es war auch die Rede von "Shoa-Business". Zu den Verehrern der JF zählt Dietmar Munier, dessen expansionistische Aktivitäten im nördlichen Ostpreußen wiederholt in den Verfassungsschutzberichten Erwähnung fanden: "Daher ist nichts wichtiger, als der konservativen Gegenkultur ein wirksames Sprachrohr zu verschaffen, das vordenkt, angreift, provoziert - und gerne auch seine Überlegenheit zur Schau tragen darf" (JF, Juli 1991). Redaktionsmitgliedern und Mitarbeitern des Blattes gelang es immer wieder, bekannte Persönlichkeiten für ein Interview zu gewinnen, darunter eine ganze Reihe von Politikern verschiedener Parteien, die Schauspielerin Veronika Ferres, den Fernseh-Spaßvogel Hape Kerkeling, Ex-DKP-Mitglied und Schriftstellerin Karin Struck, und im Oktober 2000 die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde in München, Charlotte Knobloch und den SPD-Politiker Friedhelm Farthmann.

Als Teil des "Projekts ´Junge Freiheit´" wertet der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen in seinem Bericht für das Jahr 2002 das "Institut für Staatspolitik" (IfS), das im Jahr 2000 durch Personen aus dem engsten JF-Umfeld gegründet wurde. Ziel des IfS ist die Bildung "geistiger Eliten" durch Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen. Die "Junge Freiheit" stellte das IfS mehrfach in Artikeln vor und nannte es die "Kaderschmiede des Metapolitischen" (Ausgabe 17/02). Im Verfassungsschutzbericht von Baden-Württemberg für das Jahr 2000 wurde die JF wie folgt charakterisiert: "Typisch für die mit intellektuellem Anspruch auftretenden JF-Autoren ist ihr geschicktes Agieren in einer Grauzone von demokratischem Konservatismus, Rechtsradikalismus und Rechtsextremismus. Dabei spielt der Rekurs auf die antidemokratische ´Konservative Revolution´ zur Zeit der Weimarer Republik und auf den Staatsrechtler Carl Schmitt eine tragende Rolle. Daneben wird gezielt gegen Funktionsträger der parlamentarischen Demokratie agitiert." Und im Bundesverfassungsschutzbericht 2001 wurde konstatiert: "Die JF bot damit auch 2001 ein Forum für rechtsextremistische Meinungsäußerungen und trug insofern weiterhin zur Erosion der Grenze zwischen rechtsextremistischen und demokratisch-konservativen Positionen bei." Das Blatt wurde vom Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen sowie durch die baden-württembergische Verfassungsschutzbehörde beobachtet. Gegen die Beobachtung durch den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz ging die Junge Freiheit zunächst erfolglos durch mehrere Instanzen gerichtlich vor. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf stellte mit Urteil vom 14. Februar 1997 fest, dass sich aus zahlreichen in der JF veröffentlichten Beiträgen Anhaltspunkte für die Zielsetzung ergeben, tragende Strukturprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung - insbesondere die Achtung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte sowie Bestandteile des Demokratieprinzips - zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Mit Beschluss vom 22. Mai 2001 wies das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen den Antrag auf Zulassung der Berufung zurück. Das Gericht hob in seiner Begründung hervor, "dass die Klägerin konstant über einen längeren Zeitraum hinweg kommentarlos und ohne Distanzierung eine größere Anzahl derartiger Beiträge veröffentlicht hat, dass es sich hierbei nicht um einige wenige, gegenüber dem Gesamtcharakter der Zeitung zurücktretende Entgleisungen einzelner Autoren handelt, sondern um einen von der Klägerin kontinuierlich verfolgten Aspekt ihrer Gesamtstrategie, der den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen rechtfertigt".

Zu diesen Ausführungen erübrigt sich wohl jeder weitere Kommentar.

Mit freundlichen Grüßen
Siegfried Lehmann