Frage an Sylvia Canel bezüglich Finanzen

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Sylvia Canel
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Frage von Alexander S. •

Frage an Sylvia Canel von Alexander S. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Canel,

am kommenden Freitag wird über das Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz namentlich abgestimmt.
Werden Sie dem Gesetz zustimmen?

Das BMF wird ermächtigt, Gesamthilfe bis zu 22,4 Mrd € zu leisten.
Dieser Betrag *soll* nicht überschritten werden. Unter welchen Bedingungen wird er überschritten werden und stimmen Sie diesen Fällen zu?

Lese ich den § 1 I WFStG-Entwurf demnach richtig, dass der Bundestag zwar das BMF ermächtigt, Geld an die Hellenische Republik zu zahlen, die Höhe aber nur eine Soll-Bestimmung und nicht eine Muss-Bestimmung ist? Demnach kann ohne Mitwirkung des Bundestages dieser Betrag durchaus überschritten werden?

Bis zu welcher Höhe?

Nach § 1 II WFStG-E sind in den 22,4 Mrd € Ermächtigungsrahmen Zinsen und Kosten nicht enthalten. Bei 3% Zinsen und 10 Jahren Laufzeit gehe ich von 6,7 Mrd. € zusätzlicher Zinsen aus. Wieso wird diese Belastung verschwiegen?

Hinzu kommt:
Sollte ein Kreditgeber höhere Refinanzierungskosten haben als der Zins des Kreditnehmers im Rahmen des Darlehensvertrags, kann er verlangen, dass ihm ein Zinsausgleich gewährt wird, der anteilig aus dem Zinsertrag der anderen Geber finanziert wird, lautet eine Vereinbarung der Euro-Gruppe zur GR-Hilfe. (Deutsche Presse-Agentur GmbH am 5.5.10).
Zinseinnahmen müssen also ggf. an andere Euro-Länder abgegeben werden, zB Portugal, dass schon jetzt mehr für seine Kredite ausgibt, als GR.

Können Sie dieser Regelung zustimmen?

Sollten die Hilfen trotz allem nicht reichen und der Staatsbankrott oder eine Umschuldung in GR eintreten, werden die Kredite ihrem Rang nach bedient.

Sind also unsere Kredite junior, pari passu oder senior?

Wie stehen Sie zu den Alternativen Umschuldung (Haircut), geordnete Insolvenz, Austritt GR aus der Euro-Zone?

Falls Sie dem WFStG zustimmen, werden Sie dies auch entsprechend tun, wenn Portugal, Italien, Irland oder Spanien in eine vergleichbare Lage kommen und EU-Hilfen benötigen?

Vielen Dank für Ihre Beantwortung im Voraus! :-)

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Antwort von
Neue Liberale

Sehr geehrter Herr Schinzing,

zunächst bedanke ich mich herzlich für Ihre Frage vom 6. Mai, in welcher Sie maßgebliche Fragen zur aktuellen Stützung der Gemeinschaftswährung ansprechen. Bevor ich auf diese Fragen eingehe, lassen Sie mich bei einem so komplexen Thema eine allgemeine Bewertung der Lage voranstellen.
Am Abend des 9. Mai 2010 stand Europa am Scheideweg. Aufgrund unterschiedlicher Gespräche aller Beteiligten mit Fachleuten des IWF, der Bundesbank und der EZB stellte sich die Lage folgendermaßen dar:
Es musste auf unmittelbar bevorstehende und massive Spekulationen gegen den Euro vor der Öffnung der asiatischen Börsen reagiert werden. Es mussten Maßnahmen ergriffen werden, die keinen Zweifel daran lassen, dass die Gemeinschaftswährung beschützt wird. Beschützt übrigens nicht nur gegen „Bedrohungen“ von außen, sondern insbesondere auch gegen Bedrohungen von innen.
Der Beitrag Deutschlands am Rettungspaket der Eurostaaten ist an die Hilfe des IWF gekoppelt. Erfüllt ein betroffenes Land die strengen Auflagen des IWF nicht, zieht sich dieser und damit auch Deutschland zurück. Die Programme des IWF bieten einen starken Anreiz für betroffene Staaten, sich so schnell wie möglich wieder in die finanzielle Unabhängigkeit zu begeben. Nur der IWF ist in der Lage, auf diese Staaten auch den nötigen Druck auszuüben. Was die Höhe der bereitgestellten Hilfsmittel anbetrifft, ist festzuhalten, dass diese im äußersten Notfall geeignet sind, die Sicherung gefährdeter Staaten für einen Zeitraum von rund drei Jahren zu gewährleisten. Die deutschen Kreditermächtigungen sind folgerichtig auch nur auf drei Jahre befristet.
Die Unterstützung Griechenlands ist ein Ausnahmefall, der nicht in einen Mechanismus für notleidende Staaten führt. Wir werden es nicht zulassen, dass aus der erfolgreichen Währungsunion eine Transferunion wird. Deshalb haben die Koalitionsfraktionen mit einem Entschließungsantrag dafür gesorgt, dass neben der Krisenbewältigung jetzt sofort auch die Krisenprävention auf der Tagesordnung steht.

Was wäre die Folge, wenn wir nicht gehandelt hätten und die Dinge ihren Lauf genommen hätten? Griechenland wäre zahlungsunfähig geworden. Die Gläubiger Griechenlands, die übrigens zu einem Großteil aus Lebensversicherungen, Versorgungswerken und Riesterfonds bestehen, hätten Ihre Anleihen teilweise abschreiben müssen. Abgesehen von den für diese Einrichtungen und damit für die Renten vieler Bürger dramatischen Folgen käme noch eine andere Folge hinzu. Jegliche Anleihen anderer Staaten, die ähnlich wie Griechenland mit Haushaltsproblemen zu kämpfen haben, würden sofort mit erheblichen Risikoaufschlägen versehen werden. Diese Verteuerung der Kreditaufnahme würde diese Staaten mit einer immensen Beschleunigung in den Staatsbankrott befördern. Es käme zu einer Kaskade zusammenbrechender Staaten in Europa. Diesen Staaten bliebe dann nur noch der Ausstieg aus der Eurozone und der Weg über die Abwertung einer neuen nationalen Währung. Zur Folge hätte die Entwicklung, dass die Wirtschaft in dramatischer Weise einbrechen würde. Dass Deutschland mit seinem Exportvolumen von über 70 % in die Eurozone hiervon erheblich betroffen wäre, ist evident. Weiterreichende Folgen für die Volkswirtschaften wären dann unkalkulierbar.
Auch eine Umschuldung hätte dramatische Folgen für andere Euro-Mitgliedsländer und deren Refinanzierungsmöglichkeiten auf dem Kapitalmarkt, da sich auch dadurch die Kosten der Anleihen erheblich erhöhen würden. Für andere Euro-Länder, die derzeit Schwierigkeiten bei ihrer Refinanzierung haben, würde sich durch eine Gläubigerbeteiligung, die Kreditaufnahme sofort und erheblich verschlechtern. Die Folge wäre auch hier ein Dominoeffekt einbrechender Eurostaaten und damit der Zusammenbruch der Gemeinschaftswährung insgesamt.

Kein Abgeordneter der FDP hat sich die Zustimmung zu den Griechenlandhilfen leicht gemacht. Im Bewusstsein der Verantwortung für Deutschland, seine Bürger und seine Wirtschaft haben wir eine Entscheidung für die Stabilität und die Zukunft des Euro getroffen. Allen Alternativen ist eines gemein, sie sind in ihren Folgen für Deutschland bei weitem schlimmer und unkalkulierbarer als die beschlossenen Rettungsmaßnahmen.

Mit freundlichen Grüßen

Sylvia Canel