Frage an Tankred Schipanski bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Tankred Schipanski (CDU)
Tankred Schipanski
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Frage von Helga M. •

Frage an Tankred Schipanski von Helga M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter herr Schipanski,
in der Schule lernten wir, daß von Deutschland nie wieder Krieg ausgehen darf. Wie beurteilen Sie die Tatsache, daß Deutschland inzwischen zum weltweit drittgrößten Waffenexporteur geworden ist? Die rohstoffarme DDR war immer auf gute Handelsbeziehungen zu den anderen Staaten der Erde angewiesen. Inzwischen hat unser Land durch die völkerrechtlichen Kriegseinsätze in Afghanistan, am Horn von Afrika und an anderen Stellen der Welt viel von seinem ehemals guten Ruf verloren. Wie beurteilen Sie diese Einsätze? Teilen Sie die Meinung vieler Deutscher, daß unsere Soldaten konsequent zurückgeholt werden müssen?
Freundliche Grüße aus Thüringen von Frau Helga Müller

Tankred Schipanski (CDU)
Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Müller,

vielen Dank für Ihre Anfrage, in der Sie sich kritisch mit dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan auseinandersetzen. Ihre Beteiligung an der sicherheitspolitischen Diskussion begrüße ich ausdrücklich und bedanke mich für Ihren Beitrag. Da ich erst vor Kurzem darauf hingewiesen wurden, dass bei Abgeordnetenwatch Anfragen vorliegen, möchte ich mich zudem für die späte Antwort entschuldigen. Anfragen, die mich per Post oder per E-Mail erreichen, beantworte ich grundsätzlich zeitnäher.

Vereinzelte Stimmen in Politik und Medien sprechen im Zusammenhang mit dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan von einem „Krieg“. Die Bundeswehr befindet sich in Afghanistan aber nicht in einem Krieg im herkömmlichen Sinn. Dieser wird zwischen Staaten geführt, was in Afghanistan nicht der Fall ist. In Übereinstimmung mit ihrem Bundestagsmandat ist es vielmehr die Aufgabe der Bundeswehr, die afghanischen Behörden bei der Etablierung einer soliden Staatlichkeit zu unterstützen. Neben einer funktionstüchtigen Verwaltung und einer zuverlässigen wirtschaftlichen Infrastruktur braucht es hierfür in erster Linie ein grundlegendes staatliches Gewaltmonopol auf der Basis von Recht und Gesetz.

Vor dem Eingreifen der internationalen Gemeinschaft bestand in Afghanistan eine durch die Taliban errichtete Schreckensherrschaft, in der auch fundamentalste Menschenrechte missachtet wurden. Darüber hinaus war Afghanistan ein Rückzugsraum und Trainingsgebiet für Extremisten, die mit ihrer Gewalt alle liberalen Gesellschaften bedrohten. Aufgrund der weitreichenden Verquickung zwischen der Taliban-Regierung und Al-Qaida wurde den USA in der Folge der Anschläge vom 11. September 2001 vom UN-Sicherheitsrat das Recht auf Selbstverteidigung zuerkannt. Der folgende Einsatz amerikanisch geführter Streitkräfte in Afghanistan hatte den Sturz der Taliban zur Folge. Seither engagieren sich verschiedene Nationen im Land in dem Bestreben, den Terrorismus zurückzudrängen und rechtsstaatliche Strukturen zu etablieren. Dieses ist im unmittelbaren Interesse der deutschen Sicherheitspolitik, da auch die Bundesrepublik vom internationalen Terrorismus bedroht ist, wie aktuelle Beispiele immer wieder zeigen. Das übergreifende Ziel des Einsatzes ist es, die afghanischen Behörden in die Lage zu versetzen, selbst für Sicherheit und Stabilität in ihrem Land zu sorgen.

Ein Rückzug der Bundeswehr zum jetzigen Zeitpunkt würde lediglich dazu führen, alle Fortschritte, die bisher gemacht worden sind, in Frage zu stellen. Auch die Sicherheit in Deutschland ist direkt vom Erfolg der Afghanistan-Mission abhängig. Im Falle eines Endes des Engagements der internationalen Streitkräfte, würde das Land innerhalb kürzester Zeit wieder zu einer Ausbildungsstätte für Terroristen werden, von denen auch für die deutsche Bevölkerung eine direkte Bedrohung ausgehen würde. Ein Rückzug aus Afghanistan würde Deutschland nicht vor Terroranschlägen schützen, wie manche behaupten. Wir würden uns bestenfalls das kurzfristige Wohlwollen von jenen Fanatikern erkaufen, die die Werte unserer Gesellschaft ohnehin als dekadent und schwach verachten. Viel dramatischer wären jedoch die Auswirkungen in Afghanistan selbst. Durch einen Rückzug würden wir alle Afghanen im Stich lassen, die sich keine Rückkehr in das Mittelalter und zu den Gewaltorgien der Taliban wünschen. Deutschlands Glaubwürdigkeit als Schützer seiner Bürger – aber auch als ehrlicher Vertreter humanitärer Grundwerte – stünde zur Disposition, wenn wir uns im Angesicht solcher Perspektiven unserer Verantwortung entziehen würden.

Ich hoffe, dass meine Ausführungen Ihre Fragen beantwortet haben und verbleibe

mit freundlichen Grüßen
Tankred Schipanski