Frage an Thomas Bareiß bezüglich Verkehr

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Thomas Bareiß
CDU
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Frage von Wolfgang P. •

Frage an Thomas Bareiß von Wolfgang P. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Abgeordneter,
die deutsche Bahn soll gemäß der großen Koalition privatisiert werden. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Meine Stellungnahme:
Die Deutsche Bahn ist in vielen Jahren von unseren Steuergeldern aufgebaut worden. Nun soll sie ohne Zustimmung der Steuerzahler an private Investoren verkauft werden. Es geht um Profite für Investoren und schlechtere Leistungen für die Bahnfahrer.

Es heißt oft: Mehr Wettbewerb bringt günstigere Preise für die Verbraucher. Damit soll der Verkauf der Deutschen Bahn AG an private Investoren gerechtfertigt werden. Tatsächlich steigen die Preise in Deutschland schon seit der Bildung der Aktiengesellschaft von 1994.

Die Privatisierung der Bahn würde die Zerschlagung des bundesweit einheitlichen Schienennetzes bedeuten: Keine notwendigerweise abgestimmten Fahrpläne, keine flächendeckende Versorgung und keine einheitlichen Tarife. Bahnfahren würde zu einem noch größeren Abenteuer, ganze Regionen würden möglicherweise vom Bahnnetz abgehängt.

Die Bahn gehört bisher zu den sichersten Verkehrsmitteln der Welt. Doch wo Kontrolle und Betrieb privaten Interessen überlassen werden, kann sich das schnell ändern. Profitgier ohne knallharte Kontrolle geht oft auf Kosten der Sicherheit!

Großer Personalabbau, Lohnverzicht, schlechtere Arbeitsbedingungen = Shareholder Value! Das sind mittlerweile die üblichen Folgen der Privatisierung zu Gunsten weniger. Das darf es nicht für die Bürger sein . Das wären Folgen, die nicht mit der Globalisierung zu begründen sind.

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Perreiter,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 9. September 2007, in der Sie mir Ihre Sorgen bezüglich der Privatisierung der Deutschen Bahn (DB) AG zum Ausdruck gebracht haben. Ich nehme Ihre Bedenken sehr ernst und darf Ihnen versichern, dass die vorgebrachten Argumente in unserem politischen Meinungsbildungsprozess eine erhebliche Rolle spielen. Bitte entschuldigen Sie, dass ich Ihnen erst heute antworte, ich wollte aber den Diskussionsprozess in den letzten Wochen abwarten.

Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass bereits mit der Bahnreform im Jahre 1994 eine Organisationsprivatisierung der früheren Deutschen Bundesbahn vorgenommen wurde. Der Vorstand der DB AG handelt seitdem im Rahmen seiner unternehmerischen Verantwortung nach dem Aktiengesetz. In Zusammenhang mit der Organisationsprivatisierung wurde damals auch das Eigentum an der Schieneninfrastruktur an die DB AG übertragen.

Dies war ein notwendiger Schritt in die richtige Richtung, denn die konsequent vorangetriebene unternehmerische Ausrichtung der Bahn und die daraus folgenden organisatorischen Veränderungen und technischen Innovationen haben dazu geführt, dass der Bundeshaushalt und damit letztendlich der Steuerzahler entlastet wurden. Auch sind Qualität und Service bei der DB AG deutlich besser geworden. Die Kundenorientierung steht nun eindeutig im Vordergrund

Der folgerichtige weitere Schritt der Privatisierung ist die angestrebte Hereinnahme von privatem Kapital. Das ist seit Beginn der Bahnreform auch für die DB AG so vorgesehen. Die Effizienzkontrolle durch die Kapitalmärkte trägt zu einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen bei. Allerdings muss sichergestellt werden, dass die aus Steuermitteln getätigten Investitionen in das Netz, d.h. in die Schieneninfrastruktur, nicht zum Spielball von Anleger-Interessen werden – ganz im Sinn der auch von Ihnen geäußerten Bedenken.

Wir haben deswegen das Ansinnen des Bahnvorstandes und der SPD, den gesamten Bahnkonzern an die Börse zu bringen, von Anfang an zurückgewiesen. Vielmehr hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion im bisherigen Entscheidungsprozess bereits durchgesetzt, dass bei dem weiteren Privatisierungsschritt das Eigentum an den Eisenbahninfrastrukturunternehmen (DB Netz AG, DB Station & Service AG, DB Energie GmbH) auf den Bund übertragen wird. Das Unternehmen Deutsche Bahn AG erhält für einen gewissen Zeitraum lediglich das Recht zur Bewirtschaftung, Betriebsführung und Bilanzierung des Netzes. Die Option, am Ende der Bewirtschaftungszeit die ordnungspolitisch sinnvolle und von der Union immer gewollte Trennung von Netz und Betrieb zu beschließen, bleibt erhalten. Mit dieser Lösung sorgen wir dafür, dass die vom Steuerzahler finanzierte Infrastruktur nicht den Kapitalmarktinteressen ausgeliefert wird.

Darüber hinaus hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion gegenüber dem Koalitionspartner deutlich gemacht, dass sie dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes erst zustimmen kann, wenn folgende unverzichtbare Kernforderungen - ohne Wenn und Aber - erfüllt sind:

1. Der Bund muss uneingeschränkt seiner Infrastrukturverantwortung nachkommen können. Bei der Umsetzung des Bundesverkehrswegeplanes darf er nicht auf das Belieben des DB-Konzerns angewiesen sein, sondern er muss für die vom Gesetzgeber beschlossenen vordringlichen Bedarfsplanmaßnahmen ein Durchsetzungsrecht erhalten.

2. Es muss transparent sein, was die DB AG für die Steuergelder leistet, die ihr für den Betrieb des Netzes auch künftig zur Verfügung gestellt werden.

3. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Laufzeit des Bewirtschaftungszeitraums und der Sicherungsübertragung der Eisenbahninfrastruktur an die DB AG muss verkürzt werden. Die jetzt im
Gesetzentwurf vorgesehenen 18 Jahre sind zu lang.

4. Dem Gesetzgeber dürfen keinerlei Vorgaben gemacht werden, wie er nach Ablauf des Bewirtschaftungszeitraums mit seinem Eigentum verfährt.

5. Die Rechte der Regulierungsbehörde, der Bundesnetzagentur, müssen verstärkt werden, um Wettbewerb auf der Schiene zu sichern– ein wichtiges Ziel der Bahnreform. Die Bundesnetzagentur muss ggfs. Trassenentgelte verhindern können, die einseitig die Wettbewerber der DB AG belasten und Anlass für höhere Fahrpreise sein könnten. Auch sollte eine Anreizregulierung, ähnlich wie im Bereich der Telekommunikation, eingeführt werden.
Ich unterstütze die Haltung meiner Fraktion, dass wir zukünftig von Seiten des Bundes jährlich Milliarden für den Unterhalt und den Ausbau des Eisenbahnnetzes ausgeben, während die Infrastruktur aber im Miteigentum eines internationalen Konzern stehen soll, der wiederum seine operativen Entscheidungen ausschließlich an betriebswirtschaftlichen Renditeinteressen ausrichtet. Vielmehr muss der Bund auch zukünftig für die Erfüllung seines Infrastrukturauftrages und seiner verkehrspolitischen Ziele den Substanzwert des deutschen Schienennetzes im Eigentum behalten. Nur so behält der Bund die Steuerungsmöglichkeiten. Die Steuermöglichkeit ist beispielsweise notwendig, um auch zukünftig die Versorgung auch der Fläche und des ländlichen Raums gewährleisten zu können.

Darüber hinaus haben die zumeist unionsregierten Bundesländer deutlich gemacht, dass sie zahlreiche Änderungen und Sicherungen verlangen, um insbesondere die Versorgung mit Verkehrsleistungen in der Fläche zu gewährleisten. Da der Bundesrat als Ländervertretung einem Privatisierungsgesetz zustimmen muss, können Sie davon ausgehen, dass auch mit Unterstützung der Länder eine zukunftsfähige Lösung sichergestellt wird.

Im Hinblick auf Fahrpläne, Fahrpreise und Streckennetz bleibt es ansonsten bei den schon heute geltenden gesetzlichen Regelungen, die sich nach unserer Auffassung bewährt haben:

Die Beförderungsbedingungen im Fernverkehr werden jetzt und in Zukunft durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, die des Nahverkehrs durch die Länder genehmigt. Die Fahrpläne im Fernverkehr unterliegen der unternehmerischen Verantwortung der Verkehrsunternehmen. Im Nahverkehr haben die Länder die Möglichkeit, als Besteller Einfluss auf die Fahrpläne zu nehmen.

Die willkürliche Stilllegung von Strecken wird bereits heute durch ein Genehmigungsverfahren ausgeschlossen. Auch dies wird künftig so bleiben und durch die Teilprivatisierung nicht angetastet.

Die Diskussion um die Bahnreform hat durch den SPD-Bundesparteitag und neue Überlegungen im Koalitionsbeschluss in den letzten Wochen eine neue Dynamik erfahren. Das ändert aber nichts an den dargestellten grundsätzlichen Forderungen der Union, auf deren Einhaltung wir auch bei Diskussionen um neue Modelle achten werden.

So lehnen wir unter den beschriebenen Vorzeichen das von der sozialdemokratischen Partei favorisierte Volksaktienmodell ganz klar ab. Hier soll das Volk zwar breit am Volksvermögen beteiligt werden, aber dann nicht mitreden dürfen. Auch ist das Volksaktienmodell mit der Ausgabe von stimmrechtslosen Vorzugsaktien ein Trojanisches Pferd für den Bund. Es führt einerseits zu wesentlich geringeren Einnahmen beim Börsengang, andererseits zu einer praktisch unlimitierten Zahlungsverpflichtung des Bundes zusätzlich zu den laufenden jährlichen Zuwendungen für die Bahn (Infrastrukturzuschüsse, Regionalisierungsmittel).

Eine akzeptable Variante könnte hingegen das im Koalitionsausschuss diskutierte. Eisenbahninfrastruktursicherungsmodell (Holding-Modell) sein. Bei diesem Modell würde die Infrastruktur dauerhaft beim Bund bleiben, private Investoren würden lediglich an den Verkehrsgesellschaften beteiligt. Die von der CDU/CSU aufgestellten Forderungen wären damit erfüllt. Zunächst ist aber abzuwarten, wie sich der Koalitionsausschuss entscheidet. Bundesverkehrsminister Tiefensee wurde beauftragt, das Holding-Modell einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen, dann wird der Koalitionsausschuss sich erneut damit befassen.

Sehr geehrter Herr Perreiter, ich hoffe, dass ich mit meinem heutigen Schreiben einige Bedenken aus dem Wege räumen konnte. In jedem Fall werde ich Ihre Argumente in meine Entscheidungsfindung mit einfließen lassen. Sie können versichert sein, dass ich die weitere Diskussion kritisch verfolgen werde und dem Gesetzentwurf nur zustimmen werde, wenn – wie bereits oben beschrieben - zukünftig die Versorgung auch in der Fläche und insbesondere des ländlichen Raums weiterhin gewährleistet ist. Ein Anliegen, das sicherlich Ihnen, aber besonders auch mir sehr wichtig liegt.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Bareiß MdB

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