Frage an Thomas Oppermann bezüglich Finanzen

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Thomas Oppermann
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Frage an Thomas Oppermann von Erich H. bezüglich Finanzen

Werter Herr Oppermann,

heute habe ich Sie im TV gesehen, wo Sie gesagt haben, dass es keine Steuererhöhung für Geringverdiener und die mittleren Einkommen geben kann, wenn nicht die nachfolgenden Generationen die Last schultern müssen. Sind es nicht gerade diese Einkommensgruppen, die bisher nicht vom Aufschwung profitiert haben. Habe gerade in der Bildzeitung gelesen, dass Verkäufer und Friseure gerade einmal 900€ verdienen. Wer soll davon leben? Nun habe ich mir einen Artikel aus der FAZ vom 17. April 2011 aufgehoben, worin steht, dass sich die Fraktionen der Parteien im Bundestag 2010 450 mal mehr Geld aus der Staatskasse nehmen, als 1950. Das bedeutet im Einzelnen, dass Abgeordnete wie Sie, teilweise bis 7668€ monatlich zusätzlich (steuerfrei) erhalten. Herr von Arnim beschreibt es als Selbstbedienungsmentalität, die nicht durch das Gesetz gedeckt ist. Warum bereichern sich die Abgeordneten auf solche Weise? Wäre es nicht sinnvoller, wenn die Parteien ihre Sekretärinnen und Putzfrauen besser entlohnen, damit sie ein menschenwürdiges Leben führen können? Zur Zeit sucht die Wirtschaft dringend Arbeitskräfte, warum wird der Bundestag nicht auf 299 direkt gewählte Abgeordnete begrenzt?

Mit freundlichen Grüßen

E. Humplik

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Humplik,

vielen Dank für Ihren Kommentar vom 26. Juni.

Wir sind uns einig: Gute Arbeit muss fair bezahlt werden. Deswegen setzt sich die SPD für flächendeckende Mindestlöhne ein. Die Bundesregierung blockiert dies seit Monaten stur.

Zu Ihrer Frage nach den Abgeordnetendiäten möchte ich Ihnen Folgendes erläutern:

Abgeordnete haben nach Artikel 48 Grundgesetz und der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung („Diät“).

Die Diäten oder wie es im Grundgesetz heißt die „Entschädigung“ der Abgeordneten sind eine demokratische Errungenschaft. Niemand sollte in die Politik gehen, nur um Geld zu verdienen. Es darf aber auch nicht sein, dass nur diejenigen in die Politik gehen, die es sich finanziell leisten können. Wir brauchen daher eine angemessene Abgeordnetenentschädigung.

Was angemessen ist, ist in der Öffentlichkeit ein kontrovers diskutiertes Thema. Was ist angemessen für Abgeordnete, die zwischen 150.000 und 250.000 Wahlberechtigte in ihrem Wahlkreis repräsentieren und vertreten sollen? Was ist angemessen für Abgeordnete, die die Auslandseinsätze deutscher Soldaten zu beschließen (Afghanistan) oder abzulehnen haben (Irak)? Was ist angemessen für Abgeordnete, die zwischen Staatsverschuldung und Haushaltskonsolidierung zu entscheiden haben? Was ist angemessen für Abgeordnete, die über die schwierige ethische Frage der Zulässigkeit der Präimplantationsdiagnostik (PID) entscheiden müssen?

Grundgesetz und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schreiben vor, dass die Höhe der Entschädigung durch Gesetz festgelegt werden muss. Die Übertragung der Entscheidung über die Höhe der Abgeordnetenentschädigung an eine unabhängige Kommission oder die automatische Anpassung der Entschädigung ist daher ausgeschlossen. Der Bundestag und damit die Abgeordneten selbst müssen entscheiden. Selbst über die Höhe des einem zustehenden Geldes zu entscheiden, ist nicht einfach. Nicht zuletzt deshalb hat es in den vergangenen 10 Jahren 5 Nullrunden für die Abgeordneten gegeben.

Die damit verbundene immer weitere relative Absenkung der Entschädigung der Abgeordneten kann aber auch nicht richtig sein. Das Bundesverfassungsgericht hat daran erinnert, dass die Abgeordnetenentschädigung von Zeit zu Zeit an die steigenden Lebenshaltungskosten angepasst werden müssen. Die Abgeordneten sollen wirklich unabhängig arbeiten können. Sie sollen nicht in die Versuchung geraten, sich andere Einkommensquellen zu suchen und dadurch von anderen Menschen und Interessen abhängig werden.

Der Bundestag hat daher 1995 eine Neuregelung der Abgeordnetenentschädigung verabschiedet. Die Entschädigung der Abgeordneten soll sich an dem Gehalt anderer Amtsinhaber mit ähnlicher Verantwortung und Belastung orientieren. Als Richtgröße sollen die Bezüge von Bürgermeistern kleiner Städte und Gemeinden mit 50.000 bis 100.000 Einwohnern gelten. Sie erhalten als kommunale Wahlbeamte auf Zeit eine Vergütung der Besoldungsgruppe B6. Als vergleichbar wurden auch die einfachen Richter bei einem obersten Gerichtshof des Bundes (Bundesgerichtshof, Bundesarbeitsgericht, etc.) angesehen, die bei der Ausübung ihres Amtes ähnlich wie Abgeordnete unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind. Sie erhalten eine Vergütung nach der Besoldungsgruppe R6.

Gegenwärtig erhalten die Abgeordneten eine Entschädigung, die geringer ist als gesetzlich vorgesehen. Als die Vergütung für B6 und R6 nach den Tarifrunde 2008/2009 und der Tarifrunde 2010/2011 angehoben wurde, haben die Abgeordneten auf eine Erhöhung ihrer Entschädigung verzichtet. Die Entschädigung der Abgeordneten entspricht derzeit dem Niveau von B6/R6 aus dem Jahr 2007.

Um die Abgeordnetenentschädigung wie gesetzlich vorgesehen an die Vergütung von B6/R6 anzupassen, wurde entschieden, die Entschädigung von jetzt 7.668 Euro in zwei Schritten anzuheben: Zum 1. Januar 2012 und zum 1.Januar 2013 wird die Abgeordnetenentschädigung um jeweils 292 Euro angehoben. Im Jahr 2013 wird die Abgeordnetenentschädigung dann 8.252 Euro betragen und damit dem Stand von B6/R6 im Jahr 2010 entsprechen.

Außerdem wird eine unabhängige Kommission beim Deutschen Bundestag eingesetzt, die bis Ende der laufenden Wahlperiode ein Verfahren empfehlen soll, wie die Diäten künftig angepasst werden und wie die Altersversorgung künftig geregelt werden kann.
Auch im internationalen Vergleich sind die deutschen Diäten moderat: Gemessen an der Zahl der Einwohner, die ein Abgeordneter vertritt, liegen die Diäten auch nach der Erhöhung im unteren Drittel in Europa. Insgesamt machen die Diäten übrigens nach dieser Erhöhung einen Betrag von nur 0,75 Euro pro Einwohner und Jahr aus.

Insgesamt handelt es sich um eine zurückhaltende Diätenerhöhung. Im Durchschnitt steigen die Diäten von 2010 bis 2013 jedes Jahr um 1,9 Prozent. Das ist auch im Vergleich zu aktuellen Tarifabschlüsse moderat und absolut vertretbar: So wurde in der Chemischen Industrie eine Tariferhöhung von 4,1 Prozent zum April 2011 vereinbart, im Baugewerbe steigen die Löhne und Gehälter und Gehälter dieses Jahr um 3,0 Prozent und bei Volkswagen wurde eine Erhöhung von 3,1 Prozent zum Mai 2011 erreicht.

Übrigens: Entgegen einer weit verbreiteten Vorstellung müssen die Abgeordneten ihre Diäten voll versteuern. Dabei wird es auch bleiben.

Ich habe die Hoffnung, dass es mit diesen Hinweisen zu einer Versachlichung der Debatte kommt.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Oppermann