Frage an Thomas Oppermann bezüglich Recht

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Thomas Oppermann
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Frage an Thomas Oppermann von Maria G. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Oppermann,

Meine Frage bezieht sich auf das "Netzwerkdurchsetzungsgesetz". Wie ich gelesen habe, soll das Gesetz Facebook und Co. dazu zwingen "offensichtlich rechtswidrige Inhalte" innerhalb von 24 Stunden zu löschen.

Meine Frage: Was verstehen Sie unter "offensichtlich"? Wann ist ein Inhalt "offensichtlich rechtswidrig" und wann ist es nicht "offensichtlich"? Und wer bestimmt das? Wo wird das definiert, wann eine "Offensichtlichkeit" der Rechtswidrigkeit vorliegt?

Soweit ich weiss waren Sie selbst einmal Richter. Und meines Wissens entscheiden in einem Rechtsstaat ausschließlich unabhängige Gerichte in ordentlichen Strafprozessen darüber, ob eine Straftat vorliegt oder nicht.

Gerade bei mutmaßlichen Delikten wie Beleidigung oder Verleumdung ist die juristische Bewertung häufig schwierig. Es gibt zahlreiche Strafverfahren, die sich über viele Jahre und durch diverse Instanzen bis hin zum Bundesverfassungsgericht hinziehen, bis irgendwann mal ein rechtskräftiges Urteil gefällt wurde, ob nun eine Straftat vorliegt oder nicht.

Wie soll Ihrer Meinung nach ein Facebook-Mitarbeiter innerhalb von 24 Stunden ein juristisch korrektes Urteil fällen, wofür Gerichte sonst manchmal Jahre brauchen?

Sehen Sie nicht die Gefahr, daß Facebook und Co. im Zweifel auch viele eigentlich legale, aber umstrittene Meinungsäußerungen löschen werden, um sich im Zweifel vor Millionenstrafen zu schützen und da kein Risiko einzugehen?

Mit freundlichen Grüßen

Maria Geisner

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Geisner,

vielen Dank für Ihre Frage zum Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungs-Gesetz – NetzDG), das vor kurzem im Bundestag verabschiedet wurde.

Ich weiß, dass es zahlreiche Bedenken gegen den Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung gab und auch seitens der SPD-Bundestagsfraktion wurde im parlamentarischen Verfahren insbesondere thematisiert, wie das befürchtete Overblocking und eine Einschränkung der Meinungsfreiheit ausgeschlossen werden können. Wir haben die vielfach geäußerte Kritik – auch hinsichtlich der von Ihnen kritisierten starren Fristen - sehr ernst genommen, zahlreiche Vorschläge aus der Anhörung aufgegriffen und das Gesetz an entscheidenden Stellen verändert.

Eine der wichtigsten Änderungen ist die Etablierung einer regulierten Selbstregulierung: Ein unabhängiges Gremium soll eine staatsferne Entscheidung über die Rechtswidrigkeit von Inhalten sicherstellen. Damit verhindern wir, dass die Anbieter zu Richtern über die Meinungsfreiheit werden. Ich hoffe sehr, dass die Anbieter von dieser Möglichkeit schnell Gebrauch machen und eine funktionierende regulierte Selbstregulierung aufbauen. Denkbar ist auch eine Auditierung der Beschwerdemanagementsysteme.

Wir haben auch klargestellt, dass Bußgelder nur verhängt werden können, wenn soziale Netzwerke kein taugliches Verfahren zur Löschung von rechtswidrigen Inhalten vorhalten, nicht aber bei der Nichtlöschung einzelner strafbarer Inhalte. Die starre 7-Tage-Frist wurde gelockert. Neben dem objektiven Straftatbestand müssen auch mögliche Rechtfertigungsgründe geprüft werden, so dass – gerade wenn es um Meinungsäußerungen geht – auch der Kontext in die Überprüfung einbezogen werden muss. Dies sind wichtige Maßnahmen zum Schutz vor Overblocking und zum Schutz der Meinungsfreiheit.

Was die von Ihnen kritisierte 24-Stunden-Frist anbelangt, so möchte ich hierzu wie folgt Stellung nehmen: Das Gesetz schreibt den Anbietern der sozialen Netzwerke vor, ein wirksames und transparentes Beschwerdemanagement vorzuhalten, welches sicherstellen muss, dass offensichtlich rechtswidrige Inhalte innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde entfernt werden. In der Begründung des eingebrachten Gesetzentwurfes wird klargestellt, dass ein Inhalt dann offensichtlich rechtswidrig ist, wenn zur Feststellung der Rechtswidrigkeit „keine vertiefte Prüfung erforderlich“ ist. Dabei ist der Begriff der Offensichtlichkeit nicht neu und es kann beispielsweise auf die Erfahrungen mit dem Begriff in ähnlichen Konstellationen zurückgegriffen werden (z. B. in § 101 Absatz 2 des Urheberrechtsgesetzes – UrhG).

In der Begründung des Änderungsantrages haben wir dies nochmals klarer gefasst und deutlich gemacht, dass Inhalte nur dann offensichtlich rechtswidrig sind, „wenn die Rechtswidrigkeit ohne vertiefte Prüfung, d. h. von geschultem Personal in der Regel sofort, mit zumutbarem Aufwand aber in jedem Fall binnen 24 Stunden erkannt werden kann.“ Verbleiben danach Zweifel in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht, liegt keine offensichtliche Rechtsverletzung vor.

Bei den von Ihnen angeführten Beispielen wird es sich in der Tat in der Regel um Fälle handeln, in denen beispielsweise Rechtsfertigungsgründe geprüft und Stellungnahmen eingeholt werden müssen, weil die Offensichtlichkeit nicht ohne vertiefte Prüfung festgestellt werden kann. In diesen Fällen soll diese Prüfung „in der Regel“ innerhalb von sieben Tagen erfolgen. Genau diese schwierigen Fälle können seitens der Netzwerke auch an das zu etablierende System der regulierten Selbstregulierung zur Prüfung übergeben werden.

Bitte lassen Sie mich abschließend klarstellen, dass auch die Anbieter der sozialen Netzwerke Verantwortung tragen. Die bislang zugesagten Selbstverpflichtungen seitens der sozialen Netzwerke haben nicht ausreichend gegriffen. Es gab erhebliche Probleme bei der Durchsetzung des geltenden Rechts. Deshalb bedurfte es einer Klarstellung der gesetzlich bereits bestehenden Regelungen und einer Konkretisierung des im Telemediengesetz geregelten Notice-and-Take-down-Verfahrens. Genau diese Klarstellung und Konkretisierung schafft das Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Auch die Zusammenarbeit zwischen sozialen Netzwerken und den Strafverfolgungsbehörden muss dringend verbessert werden. Deswegen werden Anbieter sozialer Netzwerke mit dem Gesetz nicht nur verpflichtet, einen inländischen Zustellbevollmächtigten zu benennen, sondern diesen auch auf ihrer Homepage zu veröffentlichen. Es gelten nunmehr konkrete Fristen für die Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden.

Ich bin mir sicher, dass mit diesen Änderungen die Vorwürfe, dass das Netzwerkdurchsetzungsgesetz zu einer Einschränkungen der Meinungsfreiheit führen, ausgeräumt sind und dass das Gesetz gesellschaftliche Akzeptanz finden wird. Gesetzliche Regelungen allein aber reichen nicht aus. Notwendig ist über dieses Gesetz hinaus auch ein stärkeres zivilgesellschaftliches Engagement, um gegen Rechtsverletzungen wie Hassrede, Verunglimpfung o.ä. vorzugehen.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Oppermann

Anmerkung der Redaktion
Aufgrund technischer Probleme im Zusammenhang mit unserer neuen Webseite, konnten auf abgeordnetenwatch.de zwischen dem 13.07.2017 - 19.07.2017 leider keine Antworten eingestellt werden. Wir möchten Sie bitten, die Umstände zu entschuldigen.