Frage an Ulrike Müller bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Ulrike Müller
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Frage von Anna S. •

Frage an Ulrike Müller von Anna S. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrte Frau Müller,

In der nächsten Woche stimmt das Europaparlament über die künftige Gemeinsame Agrarpolitik ab und stellt damit wichtige Weichen für die Landwirtschaft. Passend dazu erschien heute in der Süddeutschen Zeitung ein Artikel zu einer Analyse der biologischen Vielfalt durch die Nationalen Akademien der Wissenschaften: Die ökologische Krise in der Agrarlandschaft in Deutschland habe mittlerweile ein Ausmaß erreicht, das die Funktionsfähigkeit des Ökosystems gefährde. Nur ein Umsteuern zu einer naturverträglichen Wirtschaftsweise könne gravierende Folgen auch für die Menschen noch abwenden. Die Analyse stellt fest, dass der Verlust der biologischen Vielfalt in Mitteleuropa vor allem in der Agrarlandschaft stattfindet und schlussfolgert, dass ein entschlossenes Entgegensteuern der EU entscheidend ist.

Wie treten Sie persönlich und Ihre Partei im Allgemeinen dafür ein, der beschriebenen ökologischen Krise entgegenzusteuern? Welche Bedingungen sollten Ihrer Meinung nach an die doch so stark in den Markt eingreifenden Subventionen geknüpft werden? Welche Regeln sollten grundsätzlich verpflichtend sein?

Beziehungsweise halten Sie es für vertretbar, angesichts der aktuellen Lage überhaupt noch Subventionen an Betriebe zu zahlen, wenn diese Pestizide einsetzen, Monokulturen bewirtschaften, Massentierhaltung betreiben, für die sie Futter importieren und Gülle exportieren müssen, wenn sie nicht das Grundwasser verseuchen wollen?

Wie stehen Sie insbesondere zur aktuellen Regelung, die die Höhe der Subventionen im Wesentlichen an die bewirtschaftete Fläche koppelt und damit letztlich große Agrarunternehmen bevorzugt?
Und wäre es in Ihren Augen ein Ansatz, die Höchstfördermenge auf einem relativ niedrigen Niveau, das beispielsweise der Höchstförderung eines Hofes mit fünfzig Milchkühen und dazugehörigen Feldern, schlicht deckelt?

Vielen Dank im Voraus!

Mit freundlichen Grüßen,
Anna Schmitt

Ulrike Müller
Antwort von
FREIE WÄHLER

Sehr geehrte Frau Schmitt,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Mich freut es persönlich immer sehr, wenn Bürgerinnen und Bürger wie Sie sich mit einer so wichtigen europäischen politischen Angelegenheit auseinandersetzen und hierfür Ihre Zeit investieren.  Gerne beantworte ich Ihre Fragen.

Die Europäische Union hat sich verpflichtet, Umwelt, Klima und biologische Vielfalt mit einer starken, widerstandsfähigen und nachhaltigen landwirtschaftlichen Produktion in Einklang zu bringen, in der Landwirte ihren Lebensunterhalt verdienen können und sie gleichzeitig die Erwartungen der Märkte und der Verbraucher erfüllen.

Der Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofes zur Biodiversität landwirtschaftlicher Nutzflächen unterstreicht Ihre Aussage zur ökologischen Krise. Da mir die außerordentlich wichtige Rolle der Biodiversität bewusst ist, habe ich mich proaktiv für eine grünere, effizientere und effektivere GAP eingesetzt.

Ein Schlüsselelement für die Bekämpfung der ökologischen Krise ist eine neue, grünere Architektur der GAP. Durch eine verstärkte Konditionalität mit höheren Umwelt- und Klimaschutzauflagen, die für alle europäischen Landwirte verpflichtend ist, versuchen wir, den Herausforderungen gerecht zu werden. Darin enthalten sind unter anderem EU-Rechtsvorschriften für Umwelt, Lebensmittelsicherheit, Tier- und Pflanzengesundheit und Tierschutz. Die Maßnahmen der Konditionalität werden von zertifizierten Kontrollstellen regelmäßig kontrolliert, und bei Verstößen werden Sanktionen gegen den Begünstigten eingeleitet.

Darüber hinaus sind mit der Abstimmung der vergangenen Woche 30% der Direktzahlungen nun erstmalig an erweiterte Umwelt- und Klimaschutzanforderungen gebunden, den sogenannten „Eco-Schemes“. Sowohl meine als auch die Position meiner Fraktion Renew Europe war mit 40% ursprünglich sogar deutlich ambitionierter. Mit diesem neuen Ansatz werden die Landwirte nun nicht mehr ausschließlich pro bewirtschaftete Fläche subventioniert, sondern es werden Anreize für ein leistungsfähigeres Modell geschaffen. Wenn ein Landwirt nun Maßnahmen aus den Eco-Schemes auswählt und umsetzt, und somit einen Mehrwehrt für die Umwelt und das Klima schafft, wird er für seinen Mehraufwand auch dementsprechend belohnt.

Als Renew Europe Fraktion haben wir die Vision einer europäischen Landwirtschaft, die nachhaltig, effizient und produktiv ist.

Auch wenn ich Ihre Sichtweise nachvollziehen kann, teile ich Ihre Meinung nicht. Komplexe Fragen bedeuten, dass wir auch komplexe Antworten geben müssen. Wir müssen immer noch die ursprünglichen Ziele berücksichtigen, auf denen die GAP beruht: Steigerung der Produktivität der Landwirtschaft durch Förderung des technischen Fortschritts und durch bestmöglichen Einsatz der Produktionsfaktoren, insbesondere der Arbeitskräfte, Gewährleistung eines angemessenen Lebensstandards für die landwirtschaftliche Bevölkerung, Stabilisierung der Märkte, Sicherstellung der Versorgung und die Sicherstellung angemessener Preise für die Verbraucher.

Auch wenn sich die Anforderungen der Verbraucher stetig ändern, halte ich es für falsch, die gesamte Verantwortung für Natur- und Umweltschutz den Landwirten in die Schuhe zu schieben. Natürlich muss auch die Landwirtschaft ihren Beitrag dazu leisten, aber mehr Umwelt- und Klimaschutz hat seinen Preis, und diesen Preis muss am Ende jemand bezahlen. Unsere Gesellschaft wird zu entscheiden haben, wie viel dieser Kosten von den Verbrauchern und wie viel von den Steuerzahlern getragen wird. Ich glaube nicht, dass irgendein aktuelles oder früheres Landwirtschaftsmodell die eine definitive Antwort auf die Nachhaltigkeit der Landwirtschaft sein kann. Exzessive oder ökologische Landwirtschaft können besser für die biologische Vielfalt sein, sie haben aber auch eine höhere Klimawirkung im Vergleich zu effizienteren, konventionellen landwirtschaftlichen Praktiken.

Als aktive Landwirtin eines Milchvieh-Betriebs im Allgäu und als Abgeordnete der Freien Wählen Bayern, sind mir die Interessen und Angelegenheiten der kleineren, familiengeführten Betriebe ein besonderes Anliegen.

Das Europaparlament hat in der vergangenen Woche beschlossen, eine Degression der Direktzahlungen ab einem Betrag von 60 000 EUR und eine obligatorische Obergrenze für Zahlungen über 100 000 EUR pro Betrieb einzuführen. Damit soll verhindert werden, dass große Unternehmen überproportional bevorzugt werden.

Des Weiteren sind alle Mitgliedstaaten verpflichtet, sechs Prozent der Direktzahlungen exklusiv für eine Umverteilungsprämie zu reservieren, von der insbesondere kleine und mittlere Betriebe profitieren. Das bedeutet, die ersten Hektare eines Betriebes werden explizit gefördert. Diese Zahlung kann für eine Anzahl Hektar bis zu einer von den nationalen Behörden festgelegten Obergrenze (30 Hektar oder die durchschnittliche Betriebsgröße im Land, sofern diese über 30 Hektar liegt) gewährt werden. Der Betrag pro Hektar wird von den einzelnen EU-Ländern bestimmt, darf aber 65 Prozent der durchschnittlichen Zahlung pro Hektar nicht überschreiten. So erhalten zum Beispiel Betriebe in Deutschland für die ersten 30 Hektar zusätzlich etwa 50 EUR pro Hektar, für weitere 16 Hektar etwa 30 EUR pro Hektar.

Ich hoffe, dass ich Ihnen hiermit meine Positionen näherbringen konnte.

Mit freundlichen Grüßen,

Ulrike Müller

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