Was ist Ihr Beitrag, um Energiesicherheit in bezahlbarer Form zu gewährleisten

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Uwe Halla
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Frage von Kira S. •

Was ist Ihr Beitrag, um Energiesicherheit in bezahlbarer Form zu gewährleisten

Sehr geehrter Herr Halla,

meiner Erkenntnis nach haben uns Atomkraftwerke die letzten Jahrzehnte stabile, sichere und zuverlässige Energie geliefert und unseren Wohlstand gesichert.
Aus meiner Sicht sollten Sie die Atomkraft wieder aktivieren!
Und auch die Forschung an der neuen Form der Reaktoren fördern, die den existierenden Atommüll Brennstoff verwenden.
Energie nur auf Basis von erneuerbaren Energien - und da zukünftig rein auf Windkraft und Solar zu setzten zerstört zuviel der Wälder und der Umwelt
Diese Energie ist total unzuverlässig

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau S.,

zunächst bedanke ich mich für Ihr Interesse und entschuldige mich für die lange Wartezeit auf meine Antwort. Ich war leider eine Weile erkrankt.

Auf Ihre Frage gibt es keine einfache oder kurze Antwort, da die Energiewende nicht durch Einzelmaßnahmen, sondern nur durch eine Summe von Maßnahmen in einem komplexen Konzept umgesetzt werden kann. Stichworte sind der massive Ausbau der erneuerbaren Energien, Sektorkopplung zwischen Energieversorgung, Industrie, Verkehr und Wärme, die Energiespeicherung mit ihren verschiedenen Technologien sowie das Einsparen von Energie. Im Verkehrssektor verfolgen wir eine Strategie mit weniger motorisiertem Individualverkehr (z. B. Autos). Stattdessen wollen wir den Fahrradverkehr unter anderem durch ein bayernweites Radwegekonzept fördern genauso wie den öffentlichen Personennahverkehr sowohl durch ein besseres Angebot, als auch durch günstigere Preise, um stromfressende Elektroautos größtenteils zu vermeiden.

Die Summe aller Maßnahmen können Sie gerne unserem Wahlprogramm unter anderem ab Seite 42 entnehmen:

https://www.die-linke-bayern.de/fileadmin/Bayern/Dokumente/Programm/Wahlprogramme/2023/Wahlprogramm_DIE_LINKE_By_2023_LTW.pdf

Ganz im Detail hat bereits die TU München in ihrer Studie von 2021 ausgearbeitet, welche Maßnahmen erfolgen müssen, um Bayern zu 100% erneuerbar zu gestalten. Das Ergebnis der Studie: Es ist möglich, aber es erfordert die Umsetzung eines all umfassenden, komplexen Konzepts in allen Sektoren und das schnell. Die Details finden Sie hier:

https://www.epe.ed.tum.de/es/publikationen/bayernstudie/

Die Aussage ist ganz klar: Es klappt ohne Atom- und Kohlekraft. Und so wollen wir LINKE das auch umsetzen. Die Atomkraft ist keineswegs eine verlässliche Energiequelle. Erstens fällt sie aus, wenn die Flüsse niedrige Wasserstände haben, weil das zum Betrieb notwendige Kühlwasser fehlt.

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/niedrigwasser-rhein-wirtschaftliche-auswirkungen-101.html

Zweitens treten Störfälle auf. Die Atomkraftwerke in Deutschland sind inzwischen sehr alt, deshalb wird die Anzahl der Störfälle stetig ansteigen, wenn man sie weiter betreibt. Das heißt, wir bräuchten eigentlich neue Atomkraftwerke. Neue Atomkraftwerke zu bauen, benötigt zu viel Zeit. Des Weiteren sind Atomkraftwerke zu unflexibel um sie mit erneuerbaren Energieanlagen in Kombination zu betreiben. Das heißt, wir würden die Energiewende damit blockieren. Aus demselben Grund waren es Atomkraftwerke und sind es noch immer die ebenfalls unflexiblen Kohlekraftwerke, die die Netze mit ihrem Strom verstopfen, was immer wieder dazu führt, dass Windräder aus dem Wind gedreht und abgeschaltet werden müssen oder Solarenergie im Ausland verschleudert werden muss, während die hocheffizienten und flexiblen Gas- und Dampfturbinenkraftwerke leerlaufen.

Zudem möchte ich darauf hinweisen, dass Atomkraft die teuerste Energieform ist, wenn man alle Folgekosten berücksichtigt.

Vgl. dazu das Forum für Ökologische und Soziale Marktwirtschaft:

https://foes.de/publikationen/2020/2020-09_FOES_Kosten_Atomenergie.pdf

oder Statista: 

https://de.statista.com/infografik/27231/kosten-der-stromerzeugung-in-deutschland-nach-energietraeger/

Wir sollten uns die verdeckten Subventionen, die seit Jahrzehnten vom Staat in die Atomenergie fließen, sparen und sie stattdessen in den Ausbau der erneuerbaren Energien stecken.

Leider werden abgesehen von Störfallrisiken die vielen anderen Gefahren, die von der Atomkraft ausgehen, in der Öffentlichkeit nicht erwähnt. Bereits vor Jahren wurde erforscht, dass die Kinderkrebsrate in der Nähe von Atomkraftwerken signifikant erhöht ist:

https://www.bfs.de/DE/bfs/wissenschaft-forschung/ergebnisse/kikk/kikk_node.html

Ich finde, wir sollten unsere Energieversorgung nicht auf Kosten der Gesundheit unserer Kinder aufbauen. Auch die Umweltschäden und Gesundheitsschäden der Minenbeschäftigten im Uranabbau sind immens. Deshalb wurde nach der Wende der Uranabbau in Deutschland sofort eingestellt. Die Bilanz weist trotzdem über 10.000 Tote durch Lungenkrebs allein in Deutschland aus:

https://umweltfairaendern.de/2013/12/08/uranbergbau-mit-todesfolge-fast-10-000-lungenkrebstote-durch-deutschen-uranbergbau-bei-der-wismut-ag/

Atomkraft hat bereits genug Menschen das Leben gekostet. Das muss nun enden.

Auch Verfahren wie mit Transmutation aus Atommüll Energie zu erzeugen, bieten viele Nachteile und lösen das Atommüllproblem nicht. Nur 5% des Atommülls sind spaltbares Material, wie verbrauchte Brennstäbe. 95% des Atommülls sind kontaminierte Gegenstände, z. B. aus den technischen Anlagen und der Bausubstanz der Atomkraftwerke. Diese können nicht verwendet werden, um Energie aus ihnen zu gewinnen, sowie ebenfalls nicht durch Transmutation „entschärft“ werden. Im Gegenteil: Wenn man Transmutationsreaktoren zur Energiegewinnung betreibt, wird man mehr kontaminierte Gegenstände und damit mehr Atommüll erzeugen. Wir werden mehr 95% haben um 5% einzusparen. Das ist irrational.

Natürlich müssen wir weiter zur Entsorgung bzw. „Entschärfung“ von Atommüll forschen. Wir sollten aber nicht in einem Energiegewinnungskonzept daraufsetzen.

Wie Sie zu Recht schreiben, hat selbstverständlich auch Windkraft Nachteile. Die einzige zu 100% umweltschonende Energie, ist die, die nicht verbraucht wird und damit nicht erzeugt werden muss.

Was die ökologische Verträglichkeit von Windkraft und Artenvielfalt betrifft, vertrete ich das Konzept von Greenpeace, je nach ökologischem Nutzen Schutzgebiete auszuweisen, in denen dann unter anderem keine Windkraftanlagen gebaut werden dürfen, aber dann eben auch keine Braunkohle abgebaut werden darf, wie es im Hambacher Forst – der ökologisch sehr wertvoll war - erfolgt.

https://www.greenpeace.de/biodiversitaet/waelder/waelder-deutschland/windenergie-waldschutz-zusammenpassen

Sie sehen, es gibt Konzepte, wie Bayern zu 100% erneuerbar versorgt werden kann. Diese Konzepte sind ökologisch und mittelfristig günstiger und versorgungssicherer als die konventionellen Energieträger.