Frage an Uwe Kekeritz bezüglich Finanzen

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Uwe Kekeritz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Reinhard G. •

Frage an Uwe Kekeritz von Reinhard G. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Kekeritz,
der Schuldenstand des Bundes und der EU wurde dieses Jahr erhöht und wird wegen der Corona-Maßnahmen noch weiter erhöht werden. Es gibt Stimmen, die in Zukunft ein „gutes“ (exponentielles) Wirtschaftswachstum fordern, um Schulden zu bezahlen. Das würde sich wohl negativ auf die Umwelt auswirken. Vielleicht wird bald auch gleichzeitig gefordert, dass die Bevölkerung „den Gürtel enger schnallen“ soll, was ein Widerspruch in sich wäre.

Was denken Sie? Könnten nicht die Gewinner der Krise, wie Amazon, Zoom oder die Inhaber bestimmter spekulativer Anlagen umgehend eine Abgabe zahlen? Und damit der Erhalt kleiner selbstständiger Unternehmen sowie der Gastronomie gesichert werden? Sollten die Staaten sich nicht mehr teuer über Privatbanken finanzieren, sondern nur direkt über eine Zentralbank? (Für die vielleicht neue Regeln festgelegt werden könnten?) Könnte so auch die Abhängigkeit von privaten Ratingagenturen und dem Finanzsektor vermieden werden? Sollen vielleicht die Kredite (zinslos) dauerhaft bestehen bleiben? Oder kann es in Zukunft einen Schuldenschnitt geben? Vielleicht verbunden mit einer Verminderung bestimmter Vermögen?

Das Weltwirtschaftsforum, bei dem sich Vertreter der größten Wirtschaftsunternehmen mit Politikern treffen, wird nächstes Jahr über einen globalen „Great Reset“ sprechen. Klaus Schwab, der Gründer des WEF, hat als Co-Autor dazu ein Buch veröffentlicht. Ich habe gehört, das er einige steile Thesen vertreten soll, wie zum Beispiel, dass es 2030 kein Privateigentum mehr geben wird.
Haben Sie sich über diese Pläne näher informiert und was halten sie davon? Für wie groß halten Sie den Einfluss des WEF? Sehen Sie eine Gefahr für die Demokratie? Könnten Unternehmen, die an einer Umweltzerstörung, Umverteilung und weltweit an vielen sozialen Problemen beteiligt sind, noch mehr an Einfluss gewinnen und unsere Zukunft bestimmen?
Viele Grüsse

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Großmann, Sie werfen ein umfangreiches Sortiment an Fragen auf, die ich leider nicht alle im Detail beantworten kann. Daher nur kursorisch:

1. Amazon, Google, Apple, Ikea und Co müssten tatsächlich steuerlich belastet werden. Leider kommen wir hier bei langjährgen grünen Vorschlägen und Forderungen wie einer Digitalsteuer, Finanztransaktionssteuer, Mindestbesteuerung, Country-by-Country-Reporting (öffentlich), etc. nicht voran. Immerhin ist das sog. BEPS-Projekt der OECD der richtige Ansatz, der aber noch nicht weit genug geht.

1. Die Verschuldung ist wirklich nicht das Problem. Das Privatvermögen in Deutschland hat sich innerhalb von 5 Jahren von 6 auf fast 8 Bio Euro erhöht. Vermögen und Einkommen sind zudem immer ungleicher verteilt, was für die Politik eigentlich der Auftrag wäre, dies steuerlich auszugleichen. Wenn nur eine wirklich sanfte Steuererhöhung (natürlich nicht für die unteren Einkommens- und Vermögensschichten) durchgeführt würde, können die Schulden wirklich zügig zurückgezahlt werden. Was allerdings auch zu ökonomischen Problemen führt (Aber das geht in der Erklärung zu weit)

1. Der Staat finanziert sich nicht über Privatkredite sondern über Staatsanleihen, die derzeit negativ verzinst werden. Mitte Dezember gab es die Meldung, dass Deutschland mit seinen coronabedingten Schulden rund 7 Mrd. Euro verdient hat. Schulden sind derzeit für den Bundeshaushalt ein gutes Geschäft.

1. Dauerhaftes BIP-Wachstum ist der Fluch unseres Gesellschaftssystems: alle Lösungen dieser ökonomischen-sozialen Fragen liegt im Wachstumswahn wobei wissentlich ignoriert wird, dass dieser die Ursache der Probleme ist. Wir brauchen Gemeinwohlökonomie und eine gerechte Besteuerung von Vermögen und Einkommen – niemand wird deshalb ärmer, aber die Armen könnten so etwas mehr vom Kuchen bekommen. Nur die Hinwendung zur Gemeinwohlökonomie und das Abwenden vom BIP-Wachstum berücksichtigt die ökologischen Bedingungen in unserer Gesellschaft. Die grüne Bundestagsfraktion legt daher seit einigen Jahren einen Wohlfahrtsindex auf.

1. Auch 2030 wird es Privateigentum geben – es muss aber auch gerechter verteilt werden. Deutschland gilt als Land mit einer der ungerechtesten Verteilung des Vermögens. Hier muss sich etwas ändern, um die Stabilität der Gesellschaft insgesamt zu erhalten.

Mit besten Grüßen
Uwe Kekeritz