Frage an Victor Perli bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Victor Perli
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DIE LINKE
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Frage von Christoph K. •

Frage an Victor Perli von Christoph K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Perli,

in Goslar ist eine Gleichstellungsbeauftragte abberufen worden, weil Sie sich für Frauen u n d Männer eingesetzt hat.
Was halten Sie von der Forderung nach Unisex Gleichstellungsbeauftragten und einer paritätischen Besetzung dieses Amtes mit Frauen und Männer?
Die Männerquote unter Gleichstellungsbeauftragten ist verschwindend klein und ein Diversity Ansatz sollte auch im öffenltichen Dienst gelten.

Mit freundlichen Grüßen

C. Kulm

Victor Perli
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Kulm,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Aus meiner Sicht muss Gleichstellungspolitik den gleichen Zugang und die gleiche Teilhabe von Frauen und Männern an allen gesellschaftlichen Bereichen zum Ziel haben, vor Diskriminierung und Gewalt schützen und von einschränkenden Geschlechterrollen befreien. Um diesen Zielen gerecht zu werden, sollte Gleichstellungspolitik eine Querschnittsaufgabe sein, die keinen Politikbereich außen vor lässt. Zeitgleich ist es notwendig nicht nur auf gleiche formale Rechte zu setzen, sondern auch auf die tatsächlichen Ergebnisse und Auswirkungen zu blicken, um im nächsten Schritt den Einsatz von Förderinstrumenten prüfen zu können.

Beim Blick auf die Fakten fällt beispielsweise auf:
- Frauen verdienen im Durchschnitt ein knappes Viertel weniger als Männer - bei gleicher Qualifikation. Deutschland ist damit im europäischen Vergleich Schlusslicht.
- Von den ohnehin zu bekämpfenden unsicheren und schlecht bezahlten Beschäftigungsverhältnissen und Altersarmut sind Frauen in einem erheblich stärkerem Maß betroffen bzw. bedroht. Ein gesetzlicher Mindestlohn käme deshalb insbesondere Frauen zu Gute.
- Frauen erreichen häufiger das Abitur und einen Hochschulabschluss, haben bei der Erwerbsarbeit und bei akademischen Laufbahnen aber trotzdem zum Teil deutlich geringere Chancen. Entsprechend niedrig ist der Anteil bei höheren Positionen in Unternehmen, gesellschaftlichen Institutionen/Verbänden, Politik oder Wissenschaft. Den höchsten Frauenanteil bei den zuletzt genannten Gruppen gibt es in Parlamenten, wo im Schnitt ein Drittel der Mitglieder weiblich sind, während es in den Vorständen der 100 größten Unternehmen (ohne Finanzsektor) gerade einmal 2 Prozent sind.

Eine zielorientierte Gleichstellungspolitik wirkt bestehenden Benachteiligungen mit gezielten Maßnahmen aktiv entgegen. So ist der Frauenanteil in Parlamenten in den letzten Jahrzehnten vor allem deshalb angestiegen, weil mehrere Parteien verbindliche Quotenregelungen in ihre Statuten aufgenommen haben.

Solange es in der Gesellschaft keine Gleichstellung der Geschlechter im oben definitierten Sinn gibt, ist es m.E. zweckdienlich die Position der Gleichstellungsbeauftragten in der Regel weiblich zu besetzen. Die realen Fakten legitimieren die Notwendigkeit spezieller Frauenförderung. Wenn sich die Fakten ändern, stellen sich auch die Fragen neu.

Zu Ihren Ausführungen zur ehemaligen Gleichstellungsbeaugtragten in Goslar habe ich mir Informationen von dortigen politischen Verantwortlichen eingeholt und gebe die zentralen Aussagen hier zur Kenntnis. Demnach wurde die Gleichstellungsbeaufragte mitnichten abberufen, weil "sie sich für Frauen u n d Männer eingesetzt" hätte. Zu Beginn ihrer Tätigkeit sei ausdrücklich begrüßt worden, dass sie sich auch aktiv um "Männerarbeit" kümmern wollte. Nach über zwei Jahren hätte aber konstatiert werden müssen, dass sie ihre Tätigkeit nahezu ausschließlich auf Männerbelange konzentriert und die Frauengleichstellung keine Rolle mehr gespielt hätte. Ferner sei parteiübergreifend die mangelnde Präsenz im Rat bzw. in den Ausschüssen sowie in den Arbeitsnetzwerken kritisiert worden. Zuletzt sei von ihr sogar ein Netzwerkprojekt zur Kinderschutzwoche konterkariert worden.

Dies alles habe zu einem schwerwiegenden Vertrauensverlust geführt. Die Abberufung wurde vom Rat mit deutlicher Mehrheit beschlossen. Von den sechs im Goslarer Rat vertreten Fraktionen hat nur eine mehrheitlich gegen die Abberufung gestimmt. Drei Fraktionen waren einstimmig für die Abberufung, darunter auch die Partei, der die ehemalige Gleichstellungsbeauftrage angehört.

Mit freundlichen Grüßen

Victor Perli

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