Frage an Victor Perli

Victor Perli
Victor Perli
DIE LINKE
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Frage von Thomas S. •

Frage an Victor Perli von Thomas S.

Sie sagen: eine Einlagerung von Atommüll in Schacht Konrad soll verhindert und eine faire Standortsuche für den Atommüll aus Asse II muss durchsetzt werden.
Meine Frage: wie wollen Sie Menschen überzeugen, das ihr Bundesland, ihre Landkreis, ihre Stadt, ihr Dorf der richtige und sichere Standort für eine Einlagerung des Atommüll ist?
Meine zweite Frage: wenn Sie die Standortfrage ehrlich und ohne Emotionen betrachten, dann müssten Sie wissen, das es keine Alternative zur Asse und Konrad gibt. Warum sagen Sie dann den Menschen der Region nicht klipp und klar und öffentlich, das niemand in Deutschland den Müll haben will und das es dann sinnvoll ist, in Konrad einzulagern und ein Endlager an der Asse gebaut werden muss?
Und glauben Sie mir, die meisten Menschen würden diese Entscheidung akzeptieren, weil ihnen das ewige rumgeeire der Politik auf die "Eier" geht.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Steinmann

Victor Perli
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Steinmann,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Es war ein schwerer Fehler, dass in Deutschland die Standorte für Atommüll-Endlager (Gorleben, Schacht Konrad) und das sogenannte „Versuchsendlager“ Asse II nach politischen Opportunitäten anstatt auf Basis wissenschaftlicher Auswahlverfahren unter Beteiligung der Bevölkerung benannt worden sind. Im Umgang mit radioaktiven Abfällen ist der langfristige Schutz von Mensch und Umwelt von zentraler Bedeutung. Viele radioaktive Substanzen haben lange Halbwertszeiten, bei Plutonium-239 etwa 24.000 Jahre. Die Gesetzgebung fordert eine sichere Lagerung für den immensen Zeitraum von über 1 Million Jahre. Deshalb müssen in fairen, transparenten und wissenschaftsbasierten Verfahren die am wenigsten schädlichen Standorte ermittelt und miteinander verglichen werden. Aufgrund der langen Zeiträume muss aus meiner Sicht im Interesse kommender Generationen auch auf die grundsätzliche Rückholbarkeit geachtet werden.

Im Fall Gorleben hat man inzwischen aus den schweren Fehlern gelernt und ein neue Suchverfahren für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle gestartet. Der ursprünglich geplante Standort Gorleben ist dabei bereits im frühen Verfahren als ungeeignet ausgeschieden. Das ist eine Bestätigung der Kritik aus der Wissenschaft und von den Bürgerinitiativen.

Beim geplanten Endlager Schacht Konrad hat es ebenfalls kein ordentliches und wissenschaftliches Standortauswahlverfahren gegeben. Es gibt erhebliche Kritik an der mangelnden Eignung, die Inbetriebnahme verzögert sich immer weiter. Ich verweise hierzu auf die umfangreiche Darstellung der AG Schacht Konrad (https://www.ag-schacht-konrad.de/konrad/hintergrund/). Es ist inkonsequent und nicht nachvollziehbar, dass der Bund sich weigert, hier ein faires Auswahlverfahren zu starten. Darüber besteht in unserer Region Einigkeit bei den betroffenen und umliegenden Kommunen, bei Gewerkschaften, Umweltverbänden, Landvolk und vielen anderen sowie zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern.

Auch im Fall Asse II kann heute niemand mehr seriös bestreiten, dass es die Einlagerung von Atommüll in das ausgebeutete Bergwerk ein schwerer Fehler war. Die Hauptforderung des einst viel gelobten Asse-Begleitprozesses (unter Beteiligung von Kommunen, Verbänden, Politik und Bürgerinitativen) ist die nach einem fairen Standortvergleich zwischen verschiedenen Asse-nahen und Asse-fernen Standorten für den ungeklärt langen Zeitraum eines erforderlichen Zwischenlagers. Es ist schlimmer Umgang mit unserer Region, dass diese Forderung bislang nicht erfüllt werden soll. Die oberirdische Atomanlage würde sehr nah an den Ortschaften sein, sie wären auch von der Abluft betroffen.

Die Wissenschaftler der AG Optionenvergleich/AG Option Rückholung haben auf ihrer Internetseite (https://www.ptka.kit.edu/ptka-alt/wte/421.php) zu diesen Fragen zahlreiche Stellungnahmen und Alternativvorschläge veröffentlicht. Auf drei möchte ich Sie konkret hinweisen.
- Die Wissenschaftler lehnen die Standortentscheidung der BGE ab und rügen die schwerwiegenden methodischen Verfahrensmängel: https://www.ptka.kit.edu/ptka-alt/downloads/ptka-wte-e/%5bStandortauswahlbericht%20ZL%5d%20(AGO-08)%20(22-07-2020f).pdf
- Sie haben dazu eine Präsentation veröffentlicht: https://www.ptka.kit.edu/ptka-alt/downloads/%5bA2B-Praesentation%20Bewertung%20R%c3%bcckholplan%5d%20(AGO-03)%20(10-07-2020f).pdf
- Ferner haben Sie ein Positionspapier mit Vorschlägen zur Auswahl Asse-ferner Standorte veröffentlicht: https://www.ptka.kit.edu/ptka-alt/downloads/ptka-wte-e/%5bAGO-Positionspapier%20Auswahl%20asseferner%20ZL-Standorte%5d%20(AGO-03)%20(11.02.2021f).pdf

Mit der grundsätzlichen Frage wie die Suche nach Atommülllagern gelingen kann, habe ich mich ausführlich in meinem politikwissenschaftlichen Buch „Atommüll - Vom Technik- zum Standortkonflikt? Konfrontation und Kooperation bei der Endlagersuche“ beschäftigt.

Mit freundlichen Grüßen
Victor Perli

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