Frage an Winfried Hermann bezüglich Verkehr

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Winfried Hermann
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Herbert S. •

Frage an Winfried Hermann von Herbert S. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Hermann,

Halten Sie ältere Autofahrer im Ernst für eine Gefahr im Verkehr, der sich das Parlament stellen muß. Offensichtlich haben Sie in Dieser Angelegenheit Ihre Hausaufgaben nicht gemacht; sonst wüßten Sie, das die Altersgruppe zwischen 18 und 25 Jahren die meisten und schwersten Unfälle verursacht. Ihre Forderung nach Pflichtuntersuchungen sind deshalb eine reine Förderung der Bürokratie bei gleichzeitiger Erhöhung der Kosten für die Autofahrer. Es wäre wünschenswert, das Politiker die Folgen Ihrer Äußerungen und erlassenen Gesetze sorgfältik zu Ende denken. Sonst werden immer mehr Bürger den Wahlen fern bleiben. Meine abschließende Frage: Sind Sie tatsächlich der Meinung, das ältere Autofahrer eine erhöhte Gefahr für den Straßenverkehr darstellen und damit Pflichtuntersuchungen eingeführt werden sollten? Sollten Sie für ein solches Gesetz sein, wäre Ihre Partei zumindest für mich nicht wählbar.

Mit freundlichen Grüßen
Herbert Stangl

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Stangl!

Vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich möchte gerne mit den u.s. Ausführungen zur Versachlichung der Debatte beitragen.

Nach einem tragischen Verkehrsunfall in Menden durch einen 79jährigen Autofahrer, bei dem drei Menschen starben und 50 verletzt wurden, ist in der Öffentlichkeit eine Diskussion darüber entstanden, ob die Fahrtüchtigkeit von älteren Menschen stärker überprüft werden soll. Zunächst möchte ich feststellen, dass wir Grüne uns zu keiner Zeit für einen generellen Führerscheinentzug für ältere Menschen ausgesprochen haben. Es geht uns nicht um eine Diskriminierung älterer Autofahrer. Das wäre vollkommen unangemessen, denn ältere Fahrer fahren häufig besonnener und sind weniger am Unfallgeschehen beteiligt als der Durchschnitt der Autofahrer. Das liegt allerdings auch an der im Durchschnitt geringeren Verkehrsteilnahme.

Auch der Hinweis, dass Ältere nicht zu den Hauptverursachern von Unfällen gehören und von jugendlichen Fahranfängern die weitaus größere Gefährdung der Sicherheit im Straßenverkehr ausgeht, ist richtig.

Deswegen erhalten Fahranfänger den Führerschein zunächst auch nur zur Probe. Um die Unfallzahlen von Fahranfängern zu senken, sprechen wir uns dafür aus, das Begleitete Fahren – also den Erwerb des Führerscheins mit der Bedingung, dass immer ein erfahrener Fahrer den Fahranfänger im ersten Jahr begleiten muss – zum Regelfall in der Fahrausbildung werden sollte, weil die Unfallzahlen durch diese Maßnahme drastisch zurückgehen. Wir haben einen umfassenden Ansatz für die Verbesserung der Verkehrssicherheit, den wir in einem Bundestags-Antrag „Mehr Verkehrsicherheit auf deutschen Straßen – Masterplan Vision Zero“ formuliert haben. Die weitaus wichtigsten Maßnahmen zur Verringerung der Unfallzahlen sind dabei eine Senkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit bzw. die Einführung eines Tempolimits auf Autobahnen, ein Alkoholverbot für alle Kraftfahrer, die Verbesserung der Sicherheitstechnik in Autos und eine bessere Kontrolle, dass Verkehrsregeln auch eingehalten werden.

Ein Baustein unseres Verkehrssicherheitskonzepts befasst sich mit der Verkehrssicherheit von älteren Personen. Dabei geht es uns zunächst um den Schutz älterer Menschen. Das Statistische Bundesamt hat jüngst festgestellt, dass ältere Menschen zwar weniger häufig in Unfälle verwickelt sind, dann aber die schwereren Unfallfolgen zu erleiden haben: Dies wird durch folgende Zahlen belegt: 8,9% der bei Straßenverkehrsunfällen verunglückten Pkw-Insassen waren über 65 Jahre alt, aber 18% der dabei getöteten. Und in einem jährlich veröffentlichten Bericht des Statistischen Bundesamts „Unfälle von Senioren im Straßenverkehr“ wird aufgezeigt, dass der Anteil der Hauptverursacher von Unfällen mit Personenschaden insbesondere ab dem 75. Lebensjahr stark ansteigt. In dieser Altersklasse tragen 77% der unfallbeteiligten Pkw-Fahrer die Hauptschuld am Unfall. Das liegt sogar noch über dem Anteil bei den 18 bis 20jährigen Fahranfängern mit 70%. Die Gründe dafür sind vielschichtig: Verschlechterungen der Leistungsfähigkeit sind nicht an ein bestimmtes Alter gebunden, sondern verlaufen fließend und können bis zu einem gewissen Grad durch Erfahrung und Kompensationsverhalten (Geschwindigkeitsreduktion, Vermeidung von Fahrten in der Dunkelheit sowie unbekannter Strecken) aufgefangen werden, wenn sie bewusst erlebt werden. Viele altersbedingte Veränderungen sind fahrrelevant, etwa eine verringerte Sehfähigkeit, die Einschränkungen der Beweglichkeit beim Schulterblick oder auch das Übersehen oder Überhören von verkehrsrelevanten Informationen. Bei vielen älteren Menschen verändert sich auch die Informationsverarbeitung und die Aufmerksamkeit; z. B. wird es für viele ältere Fahrer schwieriger, in komplexen Verkehrssituationen alle sicherheitsrelevanten Informationen gleichzeitig zu beachten. Diese Problematik wird durch den demographischen Wandel weiter zunehmen.

Berufskraftfahrer (z.B. Omnibus- oder Lkw-Fahrer) müssen sich in Deutschland ab 50 Jahren einer regelmäßigen Fahrtauglichkeitsprüfung unterziehen. In der Schweiz, Großbritannien und Finnland müssen sich ältere Menschen ab einem bestimmten Alter einer Fahrtauglichkeitsüberprüfung unterziehen.

Wir setzen uns für eine Reglung ein, die geeignet ist, fahrrelevante Verschlechterungen der Leistungsfähigkeit regelmäßig per Untersuchung festzustellen. Sie soll dazu dienen, auch altersbedingte Einschränkungen der Fahrtüchtigkeit erkennen zu können und die Autofahrer entsprechend zu beraten. Regelmäßige Gesundheitsüberprüfungen ab einem bestimmten Alter können Führerscheininhaber bei der Selbsteinschätzung ihrer Fahrtüchtigkeit unterstützen.

Der demographische Wandel stellt auch die Verkehrspolitik vor neue Aufgaben. Hier sind insbesondere auch die Fahrzeughersteller gefordert, Autos nicht nur umweltfreundlicher sondern auch noch sicherer zu machen. Zudem setzen wir Grüne uns massiv für Alternativen zum Auto ein und drängen z.B. auf den Ausbau eines barrierefreien öffentlichen Verkehrs. Denn die Fahrt mit der Bahn ist für alle Bevölkerungsgruppen sicherer. Das Verletzungsrisiko bei einer Zugfahrt ist 83-mal geringer als bei einer Autofahrt. Und umweltfreundlicher ist Bahnfahren ohnehin.

Mit freundlichen Grüßen

Winfried Hermann
MdB

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