Frage an Winfried Hermann bezüglich Verkehr

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Winfried Hermann
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Frage von Ralph U. •

Frage an Winfried Hermann von Ralph U. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Herrmann

Ich schreibe an Sie, als ein Mitglied des Verkehrsausschusses und Abgeordneten aus Baden-Württemberg.

In letzter Zeit wurden in verschiedenen Städten mit hoher Feinstaubbelastung Umweltzonen eingerichtet. Gleichzeitig wurden an Kraftfahrzeugen rote, gelbe oder grüne Plaketten angebracht. Diese sollen die Schadstoffklasse der Fahrzeuge angeben und richten sich nach der Euronorm.

Nach meinen Informationen enthält jedoch keine dieser Normen einen Grenzwert für Feinstaub. Gemessen wird lediglich die gesamte Partikelmasse, ohne Rücksicht auf die Größenverteilung. Feinstaub geht daher aufgrund seiner sehr geringen Masse praktisch nicht in das Messergebnis ein. Erst ab Euro - 6 also ungefähr in 5 Jahren ist ein Grenzwert für die Partikelanzahl im Gespräch.

1.Frage:
Können Sie sich vorstellen, daß moderne „abgasentgiftete“ Motoren „feineres“ Abgas ausstossen. Folglich diese Motoren mehr Feinstaub produzieren als ältere?

2.Frage:
Können Sie mir mitteilen, ob es irgendwelche Feinstaub-Grenzwerte für die rote, gelbe und grüne Plakette gibt oder ob die Einteilung rein subjektiv erfolgte.

3.Frage:
Wie stehen Sie dazu, daß mit der Einrichtung von Umweltzonen auf andere Möglichkeiten zur Senkung der Smogbelastung verzichtet wird. So wurde speziell in Stuttgart das Durchfahrverbot für LKW aufgehoben. Zahlreiche „Autobahn-Mautpreller“ nutzen vor allem nachts die Möglichkeit, über die B10/B14 zwischen Ludwigsburg und Wendlingen quer durch zwei Umweltzonen abzukürzen. Nach Angabe des Regierungspräsidiums schade dies nicht, da die Fahrzeuge ja über rote, gelbe und grüne Plaketten verfügen müssen, folglich umweltfreundlich sind.

Mit freundlichen Grüßen
Ralph Urban

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Urban,

danke für Ihr Interesse an unserer grünen Position und meiner Arbeit.

Wir begrüßen ausdrücklich die Einführung von Umweltzonen in vielen Kommunen im Kampf gegen hohe Feinstaubbelastungen. Die Kennzeichnungsverordnung ist die Grundlage für die Verkehrsbeschränkungen und legt fest, welche Autos eine Plakette erhalten, die sie zur Einfahrt in eine Umweltzone berechtigt. Die Kennzeichnungsverordnung ermöglicht es den Behörden der Länder, auch Gruppen, wie beispielsweise Handwerker, Anlieger oder Besitzer von Oldtimern, von Fahrverboten auszunehmen. Mit der Änderung der Kennzeichnungsverordnung (Kabinettsbeschluss vom 14.11.2007) erhalten jetzt also auch Fahrzeuge mit einem geregelten Katalysator der ersten Generation (Anlage XXIII der StVZO), die vor dem In-Kraft-Treten der Abgasnorm Euro 1 zugelassen wurden, eine grüne Plakette. Auch für nachgerüstete Diesel-Pkw der Abgasstufe Euro 1 sowie die mit einem Partikelminderungssystem nachgerüsteten Nutzfahrzeuge wird es künftig Plaketten geben.

Sie schreiben in Ihrer Frage, die Euronormen enthielten keine Feinstaubgrenzwerte. Das ist nicht richtig resp. gilt nur für Benziner, da diese keinen Feinstaub ausstoßen. Für Dieselfahrzeuge hingegen gelten bereits seit 1992 (Euro 1) Grenzwerte für Feinstaub (Euro 1 180 mg/km PM). Diese Grenzwerte wurden in den darauffolgenden Jahren weiter angeschärft, bis zur geltenden Euro 4 mit 25mg/km PM und bis zur Pre-Norm 5mg/km für die kommende Euro 5 (ab September 2009). Selbstverständlich

Zu Ihrer Frage nach möglichem „feineren Abgas“: Ultrafeine Partikel haben nur geringe Massenanteile an PM (wenige Prozent), weisen jedoch wegen ihrer großen Zahl (bis zu 90 %) eine erhebliche Teilchenoberfläche auf. An dieser können sich schädliche Stoffe (zum Beispiel Schwermetalle oder organische Stoffe anlagern, wie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe oder Dioxine. Aus ultrafeinen Teilchen besteht auch der Ruß aus dem Auspuff moderner Dieselfahrzeuge. Die ultrafeinen Teilchen sind wegen ihrer geringen Größe „lungengängig“, können also in die Blutbahn gelangen. Für den Gesundheitsschutz ist daher nicht nur die Partikelmasse, sondern auch die Zahl und Größe der Partikel entscheidend. Wir setzen uns schon seit Jahren dafür ein, dass die Erfassung und Messung kleiner und kleinster Stäube sowie der Anzahl der Partikel in die europäischen Vorgaben zur Luftreinhaltung (Revision der Luftreinhalterahmenrichtlinie) Eingang findet. Überdies fordern wir, dass nur funktionsfähige Filter zugelassen und eingebaut werden. Mit der neuen Richtlinie zur Luftqualität (Inkrafttreten ab 2008) sind allerdings Begrenzungen für Feinstaubpartikel PM 2,5 (Feinstaubpartikel mit weniger als 2,5 Mikrometer Durchmesser) hinzugekommen. Der Skandal um den massenhaften Einbau kaputter Rußpartikelfilter hat die Debatte um die Brauchbarkeit von Teilfiltern erneut entfacht. Wir waren schon lange dafür eingetreten, den Einbau von Vollfiltern (Partikelreduktion ca. 98,5%) weit stärker über einen Nachlass der Kfz-Steuer zu fördern (mit 600 Euro) als den Einbau von Teilfiltern. Dies vor allem auch, weil die Vollfilter zuverlässig auch die Feinststäube (PM 2,5, PM 1) herausfiltern.

Zu Ihrer letzten Frage: Es ist nicht richtig, dass mit den Umweltzonen alle anderen Anstrengungen gegen Feinstaub eingestellt worden sind. Richtig ist, dass Feinstaub nicht nur aus Auspuffen kommt, daher müssen Anstrengungen an allen Feinstaubquellen unternommen werden. Hierzu gehören Industrieanlagen, große und kleine Feuerungsanlagen oder Raffinerien und Holzöfen. Wir haben schon unter der Rot-grünen Bundesregierung Konsequenzen gezogen: In Zementwerken, Industrieanlagen und Raffinerien sind die Staubgrenzwerte angehoben und Vorgaben verschärft worden. Die Anlagenbetreiber, Besitzer von Kaminen müssen sich zukünftig an andere Vorgaben halten. Gegen die Spitzenbelastungen vor allem aus dem Verkehr gibt es derzeit kein wirksameres Instrument als Fahrbeschränkungen in Umweltzonen.

Um das richtige Instrument der Umweltzone wirksam zur Reduktion von Feinstaub einsetzen zu können, fordern wir transparente Vorgaben für Ausnahmeregelungen nach bundesweit einheitlichen Kriterien. Es ist unsinnig stark befahrene Durchgangstraßen aus der Umweltzone auszunehmen. Da der Bund dies nicht regeln kann, sind andere etwa Verbände der Städte und Gemeinden aufgerufen, einheitliche Kriterien zu definieren, an die sich alle halten.

Jedes neue Instrument hat mit Kinderkrankheiten zu kämpfen. In der aktuellen Debatte ist es von zentraler Bedeutung Aufklärung über die Gesundheitsgefahren durch Feinstaub zu betreiben statt Vorurteile gegen umweltpolitische Maßnahmen zu reproduzieren. In einigen Umweltzonen werden im Verlauf der kommenden Jahre die Normen für die Fahrzeuge verschärft. Für die Erneuerung der Flotte und also weniger Feinstaub ist es notwendig, ab 2009/2010 nur noch Diesel-Fahrzeuge mit der Euro-3- und 4-Norm ohne Beschränkungen fahren zu lassen. In absehbarer Zeit wird die Umweltzone auch ein geeignetes Instrument sein, um effektiv auf die ab 2010 gültigen Stickoxid-Grenzwerte zu reagieren. Kritik an den Umweltzonen ist das falsche Signal für eine Verkehrspolitik, die nicht nur Mobilität, sondern Umwelt und Gesundheit im Blick hat. Vielmehr sind konstruktive Vorschläge für die effektive Ausgestaltung der Umweltzonen, für einfache, transparente und wirksame Verfahren gefragt.

Mit freundlichen Grüßen
Winfried Hermann

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