Frage an Wolfgang Schäuble bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Wolfgang Schäuble
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Frage an Wolfgang Schäuble von Ursula L. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Schäuble,

Ich habe zwei Fragen an Sie:
Haben Sie bei Ihrer Zustimmung wirklich keinerlei Zweifel an der Demokratietauglichkeit des Vertrages verspürt?

Und : Was sagen Sie jetzt zu der Nachbesserung der Begleitgesetze und deren Folgen an Mehrarbeit für die ParlamentarierInnen? Empfinden Sie jetzt, nach gut einem Jahr, daß da eine Richtigkeit und Notwendigkeit im Karlsruher Urteil vom 30.6.09 besteht?

Für uns Bürger wäre eine schlimme Zeit angebrochen, wenn diese Verpflichtung zu nationalem, demokratischen Handeln nun nicht gekommen wäre, ganz ehrlich!

Ich frage Sie deshalb, weil ich leider sehr oft den Eindruck habe, daß Sie - als einer unserer Deligierten - die Dramatik und Folgen Ihrer Beschlüsse für uns einfache BürgerInnen verkennen. Ich wünschte, Sie frügen mehr bei uns nach. Wir Bürger konnten niemals Einfluß nehmen auf ein demokratischeres Europa. Ich muß Ihnen mitteilen, daß dies mit sehr ohnmächtigen Gefühlen einhergeht, das hat nichts mit Fortschritt zu tun. Lernen Sie vielleicht auch ein wenig dazu? Wir Bürger wollen jedenfalls gemeinsam mit Ihnen Demokratie entwickeln.

Mit freundlichen Grüßen!

Ursula Leitner

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Leitner,

dem Vertrag von Lissabon habe ich mit Überzeugung zugestimmt. Dies hätte ich nicht getan, wenn ich irgendwelche Zweifel an dessen Vereinbarkeit mit dem Demokratieprinzip als grundlegendem Prinzip unseres Grundgesetzes gehabt
hätte.

Gemäß Art. 10 Abs. 1 des EU-Vertrags nach Lissabon beruht die Arbeitsweise der Union auf der repräsentativen Demokratie. Dies entspricht auch dem wesentlichen Inhalt des Reformvertrags und ist vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich bestätigt worden. Die Forderungen, die das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf das Begleitgesetz formuliert hat, betreffen die parlamentarischen Mitwirkungsrechte der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts, die Integrationsverantwortung des Bundestages. Der Vertrag von Lissabon selbst wurde vom Bundesverfassungsgericht gerade nicht beanstandet.

Wenn man sich mit dem Vertrag von Lissabon einmal inhaltlich beschäftigt, wird dies auch klar. Jede Entscheidung auf Europäischer Ebene ist letztlich auf Wahlentscheidungen der Unionsbürger zurückzuführen. Über EU-Rechtsakte entscheiden der Rat, der sich aus Vertretern der gewählten Regierungen der Mitgliedstaaten zusammensetzt, und das Europäische Parlament. Weil das so genannte Mitentscheidungsverfahren nunmehr zum Regelfall wird, werden Rat und Parlament in weiten Teilen der Gesetzgebung zu gleichberechtigten Partnern.

Darüber hinaus sieht Art. 11 Abs. 4 des EU-Vertrags nach Lissabon eine Bürgerinitiative vor, die es den Unionsbürgern ermöglichen soll, die Europäische Kommission aufzufordern, bestimmte Vorschläge zu unterbreiten. So kann jeder Unionsbürger auch aktiv und direkt die europäische Demokratie mitentwickeln und -gestalten.

Wie Sie sehen, schafft der Vertrag von Lissabon - im Vergleich zur noch geltenden Rechtslage - mehr demokratische Legitimation für die Europäische
Union.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Schäuble