Frage an Wolfgang Wieland bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Wolfgang Wieland
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Christoph S. •

Frage an Wolfgang Wieland von Christoph S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Wolfgang Wieland
der geheimer Teil des Toll-Collect-Vertrages wurde nicht an die Parlamentarier herausgegeben, trotz mehrfachem Anfordern:
Da Sie für DIE GRÜNEN Mitglied des Justizausschusses sind, frag ich Sie ausgehend von diesem Beispiel allgemein zum Thema Geheimhaltung innerhalb PPP Public Private Partnerships:
Die Vertragsunternehmen bestehen darauf, dass ein Teil des Vertrages als "Betriebsgeheimnis" geheim gehalten wird und somit nur wenigen Eingeweihten in der Regierung bzw. Magistrat bekannt wird:
1. Was passiert, wenn das Parlament dabei ist, in Unkenntnis des Inhalts Gesetze im Widerspruch zum geheimen Teil zu erlassen: Ist die Beurteilungsmacht der Regierung bzgl. eines solchen Widerspruchs nun eine wesentliche Verminderung der Gesetzgebungsbefugnis des Parlaments? D.h. Gesetze können dann nur noch mit Zustimmung der hiermit betrauten Beamten erlassen werden, können Beamte wesentliche Verwässerungen / Änderungen in eigenem Sinn durchsetzen?
2. Welche Schadenersatzansprüche hat das Unternehmen bei Veröffentlichung oder Erlass widersprechender Rechtsvorschriften?
3. Ist Ihrer Ansicht nach so ein geheimer Teil nur eher langweilig oder gerade besonders interessant bei der parlamentarischen Kontrolle der Exekutive; kann man sagen, dass die Exekutive geteilt wird: vorher eine Behörde, jetzt teils Behörde, teils privatwirtschaftlich?
4. Wollen Sie ein Bundesgesetz befürworten, welches in Zukunft Parlamente von Bund, Ländern und Gemeinden berechtigt und verpflichtet, auch in den geheimen Teil Einsicht zu nehmen und
diesen zu prüfen? Oder ist ein solches Gesetz jüngst schon Ihrer Meinung nach in hinreichender Weise erlassen bzw. verbessert worden?
4a Gleiches bzgl. Missbrauch des Umfangs von "Betriebsgeheimnissen"?
5. Sind Ihnen in Zusammenhang mit der Bahnprivatisierung Absichten zu geheimen (Teil-)Verträgen bekannt?
pace e bene C.S.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Strebel,

Ich möchte Ihre Fragen mit der von Ihnen gewählten Nummerierung beantworten:

1) Sie sprechen mit Ihrer Frage Konflikte an, die sich bei der Übertragung von Aufgaben an Private durch Vertrag ergeben. In aller Regel werden Verträge solcher Art durch die Regierung geschlossen, ohne dass da Parlament ihnen zustimmen müsste. Eine solche Ratifizierung ist nur bei völkerrechtlichen Verträgen üblich. Allerdings, - da haben Sie völlig Recht -, darf das nicht dazu führen, dass politische Entscheidungen und insbesondere Kosten für die staatlichen Haushalte für das Parlament nicht mehr kontrollierbar sind.

Das Beispiel Toll-Collect hat gezeigt, wie schnell das prinzipiell berechtigte Interesse eines Privatunternehmens auf Wahrung von Betriebsgeheimnissen und parlamentarische Kontrollrechte in Konflikt geraten. Leider ist – gegen unsere damaligen Forderungen – im Informationsfreiheitsgesetz der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sehr umfangreich geraten (Dass es auch anders geht, zeigt das Gesetz in Schleswig Holstein mit einer Abwägungsklausel zwischen Betriebsgeheimnis und öffentlicher Kontrolle). Allerdings hat es den Anschein, als würde in den Toll-Collect-Verträgen mehr geheim gehalten, als es der Gesetzgeber an sich für notwendig hält. Um das zu klären und Einsicht in die Verträge zu bekommen, hat ein Kollege bereits ein gerichtliches Verfahren angestrengt.

2)Was ihre Frage nach Schadenersatz und Beschränkung der Gesetzgebung angeht, so gilt das Prinzip des Rechtsschutzes. Das heißt, einem bestehenden Vertrag kann nicht durch eine Gesetzesänderung einfach die Grundlage entzogen werden. Insofern kann der Bundestag Änderungen an Gesetzen vornehmen, die aber normalerweise nur für die Zukunft wirken. Ein Schadenersatzanspruch würde dann auch nicht entstehen.

3) Langeweile ist nun kein Rechtsbegriff, aber um mit Wolf Biermann zu antworten:“ Keiner tut gern tun, was er tun darf, und was verboten ist, dass macht uns gerade scharf“. Natürlich interessiert der geheime Teil besonders. Es geht darum, durch Akteneinsicht zu erfahren, wer für die Verzögerungen zu Betriebsbeginn verantwortlich ist und haftet.

Im Übrigen haben sie Recht, dass bei der Flucht der öffentlichen Hand in das Privatrecht erhebliche Demokratieprobleme entstehen. Je privater ein Unternehmen, umso schwerer der öffentliche Einblick und die Kontrolle. Das IFG gilt gar nicht für Private, nur für öffentliche Stellen oder sog. Beliehene wie den TÜV.

4) Um solche Probleme in Zukunft besser lösen zu können, wollen wir das Informationsfreiheitsgesetz weiterentwickeln und einheitliche rechtliche Grundlagen über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse schaffen. Leider kann der Bundestag hier nur Regelungen für Verträge des Bundes schaffen, alles andere bleibt den Ländern und Kommunen überlassen. Die bisherigen Regelungen über die Geheimhaltung von Verträgen waren auf die Verträge zwischen Privaten gemünzt – und die gehen ja wirklich niemanden etwas an. Aber für den Bereich Öffentlich-Privater Partnerschaften gilt das nicht: Parlament und Öffentlichkeit sind vielleicht nicht juristisch Vertragspartner, das ist immer die Regierung. Aber Aufgabe des Parlamentes ist die Kontrolle, gerade wenn es um die Verwendung von Steuergeldern geht. Deswegen brauch es klare Regeln, für die parlamentarische Kontrolle, auch durch Einschränkung des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses für solche Fälle.

5) Solche Absichten sind mir nicht bekannt. Ich hoffe aber, dass die genannten Klagen dazu führen, dass wir dies selber als Abgeordnete überprüfen können.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Wieland