Frage an Wolfgang Wieland bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Wolfgang Wieland
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Frage von Angelika S. •

Frage an Wolfgang Wieland von Angelika S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Wieland,

wegen der völlig unverständlichen "Auskünfte" vom 27.6. an Frau Großmann muss ich Sie leider fragen: Lesen Sie die Antworten ihrer Mitarbeiter?

Die an die Abgeltungssteuer angekoppelte Kirchensteuer wird nicht vom Finanzamt festgesetzt!

Wie kann hier die Rolle der Bank mit einem Inkassounternehmen vergleicbar sein? Die Banken errechnen die Höhe der abzuziehenden Kirchensteuer. Seit wann beschäftigen sich Inkassounternehmen auch mit der Festsetzung einer Steuer?

Die Berechnung(Festsetzung) der an die Abgeltungssteuer angekoppelten Kirchensteuer auf Kapitalerträge durch die Banken ist unbestreitbar eine hoheitliche Tätigkeit. Ist hier also doch die von Ihnen erwähnte Beleihung(Übertragung von Hoheitsrechten) erforderlich?

Bitte lesen Sie die Pressemitteilung Nr. 81/2002 des Bundesverfassungsgerichts. Der Vollzug der Kirchensteuer muss rechtsstaatlichen Grundsätzen genügen. Die Bindung an die Grundrechte ist zu beachten.

Für die Zeit ab 2011(Bestehen der staatlichen Datenbank) wurde im Unternehmensteuerreformgesetz folgendes Ziel festgeschrieben: Wegfall des Wahlrechts(Bank oder Finanzamt) bei der angekoppelten Kirchensteuer.
Ist bei Personen der persönliche Steuersatz höher als der Steuersatz für die Abgeltungssteuer, kann nicht die Zuständigkeit des Finanzamtes erreicht werden. In diesen Fällen bleibt es bei der Abgeltungssteuer, da der der Antrag auf Veranlagung durch das Finanzamt als nicht gestellt gilt.
Es gibt für diese Personen keinen Kirchensteuerbescheid, keine Rechtsbehelfsbelehrung und keine Bearbeitung eines Widerspruchs gegen die an die Abgeltungssteuer angekoppelte Kirchensteuerfestsetzung. Den betroffenen Personen wird das Grundrecht der Rechtsweggarantie verwehrt.

Werden Sie die Öffentlichkeit über diesen Verfassungsverstoß informieren?

Mit freundlichen Grüßen
Angelika Scheer

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Scheer,

Ihre grundsätzliche Kritik an der Abgeltungssteuer teile ich und meine Fraktion hat das durch ihr Abstimmungsverhalten auch untermauert. Zunächst ist die datenschutzrechtlich bedenkliche Grundsatzentscheidung des Gesetzes zu kritisieren. Was den Vollzug dieser Steuer betrifft, so muss unterschieden werden zwischen der Festsetzung der Steuer durch die Finanzbehörden - das "ob" der Kirchensteuerpflicht - und der Festlegung der Höhe - durch die Banken. Die harrsche und energische Kritik von Ihnen und der Vielzahl Ihrer KollegInnen setzte bisher vor allem an der fehlerhaften Festsetzung der grundsätzlichen Kirchensteuerpflicht an. Die neue Abgeltungssteuer sieht hier vor, dass die Meldung der Religionszugehörigkeit von 2009-2010 durch die Bürgerinnen und Bürger erfolgt. Eine Nichtmeldung führt damit zu einer Nichtfestetzung der Steuer (Fraglich ist natürlich, ob die Banken nicht auf andere Weise Informationen über die Religionszugehörigkeit erhalten).

Wenn ab 2011 die von mir und den Grünen heftig kritisierte zentrale Steuernummer eingeführt wird, werden die Banken Zugriff auf die Informationen zur Religionszugehörigkeit erhalten. Ich habe schon mehrfach dargelegt, dass ich in der Weitergabe derartiger höchstpersönlicher Daten Gefahren sehe. Ab diesem Zeitpunkt besteht dann wiederum die Möglichkeit, dass analog dem schlechten Beispiel der Landeskirche Berlin-Brandenburg veraltete Angaben über die Religionszugehörigkeit den Banken bekannt geben werden.

Was Fragen zur Höhe der Abgeltungssteuer anbelangt, so ist der Hinweis auf die PM des Bundesverfassungsgerichts so richtig wie banal. Selbstverständlich muss der Vollzug der Kirchensteuer rechtsstaatlichen Anforderungen genügen. Das hat offensichtlich auch die Große Koalition erkannt und mit einem Änderungsantrag vom Mai 2007 folgende Ergänzung in § 51a Abs. 2d Satz 1 des Gesetzes eingefügt:

„Wird die nach Absatz 2b als Zuschlag auf Kapitalerträge zu erhebende Kirchensteuer nicht nach Absatz 2c als Kirchensteuerabzug vom Kirchensteuerabzugsverpflichteten einbehalten, wird sie nach Ablauf des Kalenderjahrs nach dem Kapitalertragsteuerbetrag veranlagt, der sich ergibt, wenn die Steuer auf Kapitalerträge nach § 32d Abs. 1 Satz 4 und 5 errechnet wird; wenn Kirchensteuer auf Kapitalerträge als Kirchensteuerabzug nach Absatz 2c erhoben wurde, wird eine Veranlagung auf Antrag des Steuerpflichtigen durchgeführt.“.

Gegen die Veranlagung können dann Rechtsmittel eingelegt werden. Befriedigend ist das Verfahren nicht, da der Steuerpflichtige nur auf sein ausdrückliches Verlangen hin veranlagt wird.

Das genaue Verfahren der Gestaltung der Steuer ab 2011 ist aber noch unsicher. Details müssen noch abgewartet werden.

Übrigens: Inkassounternehmen berechnen beispielsweise Zinsen und setzen die Kosten der eigenen Inanspruchnahme fest.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Wieland