Frage an Wolfgang Wieland bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Wolfgang Wieland
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Tim K. •

Frage an Wolfgang Wieland von Tim K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Wieland,

werden Sie bei Ihrer Enthaltung zum Tornadoeinsatz in Afghanistan (wie im März 2007) bleiben? Wie ist Ihre damalige Enthaltung zu bewerten? Ist sie z.B. getragen von Gleichgültigkeit gegenüber den Einsätzen oder von Unwissen darüber, ob zB die Einsätze auch reinen Kriegshandlungen dienen (die ja nicht von einem Mandat gedeckt wären)? Nach meinem bisherigen Kenntnisstand haben die Kriegshandlungen in Afghanistan gegenüber früheren Bemühungen das Land weit zurückgeworfen; internationale NGOs sprechen davon, dass 1/3 des Landes no-go-area ist, die Zivilbevölkerung leidet am Meisten. Unter diesem Hintergrund ist die weitere Entsendung von Tornados doch wohl kontraproduktiv und außerdem auch der Sicherheit in Deutschland alles andere als dienlich. Wäre es angesichts dessen nicht angebracht, jegliche Kriegshandlungen sofort zu beenden (incl. Aufklärungsflüge) und das so gesparte Geld in echten Wiederaufbau zu stecken? Vielen Dank.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Karsten,

wie viele Menschen treibt sie das Thema Afghanistan um. Und Ihrer Frage entnehme ich, dass auch Sie keine einfache Antwort finden. An meinem Abstimmungsverhalten – ich habe der Verlängerung des ISAF-Mandates zugestimmt, die weitere deutsche Beteiligung an OEF abgelehnt und mich bei der Entscheidung über die Entsendung der Tornados im März enthalten – können Sie sehen, dass die Entscheidung über die Bundeswehrmandate für Afghanistan auch für mich ein Abwägungsprozess ist.

Meine Erwägungen zur Abstimmung beginnen mit der Feststellung, dass die Unterstützung des Aufbaus in Afghanistan weiterhin eine Notwendigkeit ist. Die Durchsetzung von Demokratie und Menschenrechten war und ist immer politisches Ziel meiner Partei gewesen und ist auch mein Anliegen. Daraus folgt zunächst die Unterstützung des zivilen Aufbaus in Form der klassischen Entwicklungshilfe. Hier tut die Bundesregierung leider zu wenig, wir haben hier immer wieder mehr Engagement eingefordert und werden das auch weiterhin tun.

Dieser zivile Aufbau findet aber nicht in einem befriedeten Land statt. Afghanistan ist seit Jahrzehnten vom Bürgerkrieg zerrissen. Und nicht nur das: Mit den Taliban gibt es auch eine Gruppe, die in ihrer Regierungszeit bewiesen hat, dass sie an der Achtung der Menschenrechte, einer offenen Gesellschaft und einem demokratischen Gemeinwesen kein Interesse hat. Es geht also nicht darum, ein verarmtes Land mit Hilfe zu unterstützen, sondern Aufbauhilfe zu leisten, während eine bewaffnete Kraft das Land zurückerobern will. Das zeigt die Notwendigkeit des militärischen Schutzes und damit die Notwendigkeit von ISAF.

Dass die Kriegshandlungen zunehmen und die Lage sich verschlechtert hat ist übrigens kein Zeichen für einen überbordenden Militarismus der internationalen Gemeinschaft, sondern zeigt, wie rücksichtslos die Taliban bei der Rückeroberung der Macht in Afghanistan vorgehen. Ein Abzug der internationalen Truppen würde den weiteren zivilen Aufbau nicht erleichtern, sondern unmöglich machen.

Gleichzeitig darf dieser militärische Schutz aber nicht zur Kriegführung werden. ISAF ist als Unterstützung für die entstehenden afghanischen Sicherheitskräfte gedacht, nicht als Instrument einer bestimmten Politik anderer Staaten. Bei OEF ist das anders.

Es war richtig, im Jahr 2001 das Regime der Taliban mit Waffengewalt von der Macht zu vertreiben. Denn dieses Regime hat die afghanische Bevölkerung unfassbarer Unterdrückung und Rechtlosigkeit ausgesetzt. Und es hat mit seiner Unterstützung für den islamistischen Terrorismus eine Gefahr weit über die afghanischen Grenzen dargestellt. Dieser Auftrag ist aber im wesentlichen erfüllt, OEF sollte deswegen nicht fortgesetzt werden. Zumal es Einsätze im Rahmen dieser Mission sind, die viel zu oft Opfer unter der Zivilbevölkerung fordern. Damit wird der Aufbau eines neuen Afghanistan gefährdet.

Die Tornados sind Teil von ISAF. Ihre Bilder können die Arbeit von ISAF fördern, den Schutz des zivilen Aufbaus verbessern und helfen, die Zivilbevölkerung zu schützen. Aber: Die Bilder können eben auch im Rahmen von OEF zum Einsatz kommen und somit Teil einer kontraproduktiven Kraft werden. Wegen diesem möglichen negativen Effekt habe ich mich im März bei der Entscheidung enthalten.

Die Abwägung, ob nun trotz der Tornados ISAF zuzustimmen ist, oder ob diese so negativ wirken, dass ich dem von der Bundesregierung nun vorgelegten Paket aus ISAF und Tornados nicht zustimmen kann, ist für mich noch nicht abgeschlossen. Sie wird vor allem dadurch behindert, dass die Bundesregierung bisher keine Informationen darüber vorgelegt hat, was genau die Tornados in Afghanistan bisher getan haben und welche Bilder wofür verwendet wurden. Unsere Fraktion bemüht sich, diese Informationen noch vor der Abstimmung zu bekommen. Denn ohne die Fakten zu kennen ist eine seriöse Einschätzung darüber, ob die Tornados eben nutzen oder kontraproduktiv sind, nicht zu treffen.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Wieland

PS: Meine Erklärung zur Tornadoabstimmung im März finden Sie im Internet unter www.wolfgang-wieland.de in Rubrik „Positionen“.