Frage an Xaver Fichtl bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Xaver Fichtl
ÖDP
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Frage von Bernhard N. •

Frage an Xaver Fichtl von Bernhard N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Fichtl,
wie ist Ihre Haltung zu Lobbyismus und Einflussnahme auf Politiker? Planen Sie oder ihre Partei Maßnahmen zur Verbesserung der Transparenz bei der Gesetzesgebung (Akkreditierung von Beratern wie z.B. Verbandsmitgliedern, Offenlegung von Nebeneinkünften von Parlamentariern...)
Wie ist Ihre Haltung zur Privatisierung der Bahn?
Danke für eine Antwort!

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Antwort von
ÖDP

Sehr geehrter Herr Niehoff,

vielen Dank für Ihre Frage.

Lobbyismus, Bestechung, bezahlte Politik (Spenden an Parteien und Politiker) bilden ein großes Ärgernis und eine Bedrohung der Demokratie, sie ermöglichen neben der gravierenden Abhängigkeit in der Gesetzgebung vielen Parteien einen teuren Wahlkampf mit viel Hochglanzwerbung, Zeitungsanzeigen und Präsenz in den (ebenfalls nicht unabhängigen) Medien, erlauben ihnen aber nicht, die versprochenen Ziele anzugehen, da diese oft nicht den Wünschen der Geldgeber entsprechen. Die Abgeordneten des Bayerischen Landtags dürfen Geldgeschenke bis zu 10.000,- Euro annehmen, ohne dass dies veröffentlicht werden muss. Die ödp ist die einzige Partei, die laut Parteisatzung keine Spenden von Firmen annehmen darf und dies nach dem Selbstverständnis ihrer Mitglieder und aktiven Politiker auch nicht will. Politik muss unabhängig sein und nur dem Gemeinwohl verpflichtet. Abgeordnete sollen wie Richter, Polizisten und andere Beamte keine Geldgeschenke annehmen dürfen! Dies haben wir zum Beispiel 2007 in einer Petition an den Landtag gefordert. Das Ergebnis der Aktion habe ich am 29.11.2007 in einem Leserbrief an die Lindauer Zeitung zusammengefasst, er wurde aber nicht gedruckt (Begründung: dies betrifft Lindau nicht). Diesen Leserbrief möchte ich zitieren (er steht seit damals in der homepage der Lindauer ödp: www.oedp-lindau.de ), er gilt heute genauso:

„Deutliche Ablehnung von Demokratie und Anstand: Landtagsparteien und ihre Politiker wollen weiterhin geschmiert werden. Im Mai 2007 hatte die bayerische ödp eine Petition zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und der Verhaltensregeln für Abgeordnete eingereicht, über 8000 Menschen hatten diese Initiative unterstützt. Nun lehnte am 29.11.2007 der Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen in seltener Einmütigkeit die ödp-Petition für eine Änderung des Abgeordnetengesetzes ab. Die Parlamentarier waren sich einig, dass das, was für Beamte vom Streifenpolizisten bis zum Gerichtspräsidenten gilt, nämlich das strikte Verbot der Annahme von Zuwendungen, für Landtagsabgeordnete nicht gelten muss. Ohne Konzern- und Verbandsspenden an Parteien und Abgeordnete seien die Parteien handlungsunfähig und die moderne Demokratie kaum vorstellbar, so der Ausschussvorsitzende Franz Schindler (SPD). Es sei sogar wünschenswert, wenn die Parteien nicht von staatlicher Parteienfinanzierung abhängig seien. Der Wähler, so Schindler, habe wegen der großen Transparenz der Geldbewegungen die Wahl, Abgeordnete, die Zuwendungen annehmen, nicht mehr zu wählen. Es sei aber nicht Aufgabe der ödp, hier eingreifen zu wollen.
Derzeit dürfen Abgeordnete Geldgeschenke bis zu einer Höhe von 10.000 Euro annehmen, ohne dass dies überhaupt veröffentlicht werden muss. Die ödp wollte diese Zuwendungen verbieten. Außerdem wurde der Landtag mit der Petition aufgefordert, den Anstoß zu einer Bundesratsinitiative Bayerns zu geben, um Parteispenden juristischer Personen (Konzerne und Verbände) zu verbieten. Die Reaktion der Landtagsparteien ist beschämend und zeigt zudem, dass keine Krähe der anderen ein Auge aushackt. Wenn die ödp dies außerparlamentarisch versucht, werden sie und ihr Vertreter einfach verunglimpft.“

Soweit mein damaliger Leserbrief, leicht gekürzt.

Das Programm der ödp für den Bayerischen Landtag greift die von Ihnen angesprochenen Punkte auf, ich zitiere einige der „über 100 Gründe, ödp zu wählen“ (das gesamte Programm finden Sie im Internet unter www.oedp-bayern.de ):

Grund Nr. 120
*Die ödp will die direkte Demokratie auch bei Haushaltsangelegenheiten ermöglichen.*
Untersuchungen haben ergeben, dass Länder und Kantone, die eine Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger auch in Haushaltsangelegenheiten kennen, nicht nur seit Jahren einen ausgeglichenen Haushalt haben, sondern oftmals mit Überschüssen abschließen. Das derzeit bestehende Verbot von Volksbegehren über Haushaltsangelegenheiten ist deshalb aufzuheben.

Grund Nr. 121
*Abgeordnete dürfen keine Geldspenden annehmen!* In den „Verhaltensregeln für die Mitglieder des Bayerischen Landtags“ findet sich unter II.2 eine Regelung, die empören muss: Bayerische Landtagsabgeordnete dürfen Geldgeschenke in beliebiger Höhe, von wem auch immer, annehmen.
Die ödp tritt deshalb grundsätzlich für folgendes Ziel ein: Die geltenden Anti-Korruptionsregeln für Amtsträger (Beamte, Richter, andere Angehörige des öffentlichen Dienstes) müssen auf die Mandatsträger ausgeweitet werden. Was für Exekutive und Judikative gilt, muss erst recht auch für die Legislative gelten.

Grund Nr. 122
*Veröffentlichung aller „Nebeneinkünfte“ der Landtagsabgeordneten, Staatssekretäre und Minister .*
Der Bürger hat ein Recht, die Unabhängigkeit der Politikerinnen und Politiker zu überprüfen. Dazu muss er sich ohne großen Aufwand darüber informieren können, welche Nebeneinkünfte ein Politiker bezieht und welche Leistungen er für wen erbringt.

Grund Nr. 123
*Der unmittelbare Wechsel von Politikern und Beamten in die Wirtschaft
muss gesetzlich verboten werden.*
Nicht nur Ex-Kanzler Schröder und Ex-Bundesminister Müller, auch der ehemalige Bayerische Wirtschafts- und Verkehrsminister Wiesheu sowie der Ex-Umweltminister Werner Schnappauf haben schlechte Beispiele gegeben: Erst am Kabinettstisch, dann ohne Übergang an den Schalthebeln der wirtschaftlichen Macht! Eklatant der Fall Bruno Thomauske, der zunächst im Bundesamt für Strahlenschutz die Zwischenlager an den Atomkraftwerken genehmigte und dann zum Atomkraftwerksbetreiber Vattenfall wechselte... Erst nach einer mindestens 2-jährigen Übergangsfrist sollten ehemalige Berufspolitiker bezahlte Funktionen in Unternehmen annehmen dürfen.

Grund Nr. 125
*Parteispenden von Konzernen und Verbänden müssen verboten werden.* Große Konzerne und Verbände überweisen jedes Jahr hohe Beträge als Spenden an CSU, SPD, FDP und an die Grünen. Die genauen Summen sind im Internet unter www.gekaufte-politik.de einzusehen. Wir halten dies für eine Form von legaler Bestechung und haben uns selbst verpflichtet, solche Spenden nicht anzunehmen. Wir fordern die klare Regel im Parteiengesetz: Spenden von juristischen Personen an Parteien müssen verboten werden.

Zur Privatisierung der Bahn:

Der öffentliche Nah- und Fernverkehr gehört zumal in Zeiten des Klimawandels, der ökologischen Nachteile des Autoverkehrs (CO2, Feinstaub) und steigender Ölpreise zur Daseinsvorsorge und damit zu den Aufgaben des Staates, ähnlich wie Krankenhäuser und Wasserversorgung. Es gibt Erfahrungen in anderen Ländern. In Neuseeland wurde die Staatsbahn mitsamt ihrem Netz komplett privaten Investoren übergeben, die Folgen waren desaströs. Am Ende musste der Staat das völlig heruntergekommene Netz teuer zurückkaufen. Ähnliches gab es in England und in Argentinien. Solche extrem negativen Erfahrungen im Ausland werden hier komplett verdrängt. Eine privatisierte Bahn arbeitet nach den Regeln der Börse, also für den Investor, nicht für die Allgemeinheit. Schon daher ist die Idee, sie zu privatisieren, absurd und wohl nur als Ergebnis von bezahlter Politik zu verstehen.

Die ödp hat vor einem Jahr eine Presseerklärung zu den Privatisierungsplänen veröffentlicht. Ich bin genau der gleichen Auffassung und zitiere sie deshalb:

Brehme: „Skandalöse Plünderung öffentlichen Eigentums” „Wenn die Bahn privatisiert wird, drohen ausgedünnte Fahrpläne, stillgelegte Strecken und eine skandalöse Plünderung öffentlichen Eigentums.” Das befürchtet Ulrich Brehme, stellvertretender Vorsitzender des Bundesarbeitskreises Wirtschaft der Ökologisch-Demokratischen Partei (ödp), anlässlich der heutigen Diskussion über die Bahnprivatisierung im Deutschen Bundestag.

Die Bahn AG, die zur Zeit noch vollständig dem Bund gehört, soll zur Hälfte privatisiert werden. Die Bahn kann dann 15 Jahre lang das Schienennetz als Monopolist bewirtschaften und bilanzieren. Die Bahn hat ein Vermögen zwischen 100-180 Milliarden Euro. Für den Verkauf von 49 Prozent der Bahnaktien erwartet der Bund aber nur einen Erlös von 5-9 Milliarden Euro. Zusätzlich darf die DB AG große, als nicht wesentlich erachtete Teile des Netzes verkaufen. Die Bahn AG ist auf Grund der geringen Gewinne überhaupt nicht kapitalmarktfähig. Sie stellt ihre finanziellen Ergebnisse falsch dar und kann kein einziges Kriterium für einen Börsengang auch nur annähernd erfüllen. Mit niedrigen Kapitalrenditen könne man keinen Börsengang durchführen. Das ziehe wie ein Magnet statt der erhofften Investoren die Plünderer an. Die drei zentralen Geschäftsfelder der Bahn Fern- und Güterverkehr sowie das Netz schrieben rote Zahlen, so Brehme weiter. „Gewinne erzielt die Bahn nur dort, wo es hohe staatliche Zuschüsse gibt: im Regionalverkehr. Der ödp-Politiker geht davon aus, dass sich die neuen Besitzer ihre Rendite aus den staatlichen Zuschüssen holen und die Investitionen in das Bahnnetz vernachlässigen. Die legalen bilanzpolitischen Spielräume würden so zu Verschiebebahnhöfen eines Unternehmens, das mit großem Umsatz und langfristigen Investitionen dazu gute Gelegenheiten gibt. Brehme ist sich sicher: „Statt Investitionen in die Werterhaltung wird es zu einem Substanzverzehr kommen.”

Das nicht-investierte Geld in das Netz sei der eigentliche Gewinn des Unternehmens. Der Bund wird jährlich 2,5 Milliarden Euro für Investitionen zum Erhalt und Ausbau des Netzes zahlen. „Am Ende muss der Bürger die Grundsanierung des Netzes und den Rückkauf bezahlen”, so der ödp-Politiker.
Er nimmt an, dass die Bahn AG als Netzmonopolist und größter Nutzer der Schienenwege das ihr übertragene Netz hemmungslos zur Abwehr von Konkurrenten einsetzen und gleichzeitig die Steuerzahler schröpfen werde, die das Netz weiter bezahlen müssen.

Deshalb fordert die ödp die persönliche Haftung des derzeitigen Bahnvorstands und Bahn-Aufsichtsrats für die Folgen der falschen Angaben über die Unternehmensentwicklung der DB AG.

Soweit die Pressemitteilung.

Sehr geehrter Herr Niehoff, ich hoffe, Ihre Fragen im Wesentlichen beantwortet zu haben. Viele Dinge sind im Detail natürlich komplexer, alles hat (mindestens) zwei Seiten. Mehr Informationen zur ödp bitte ich Sie, auf den diversen Seiten der ödp im Bund ( www.oedp.de ), in Bayern ( www.oedp-bayern.de ), in Schwaben ( www.oedp-schwaben.de , mit unserem Bezirkstagsprogramm) und hier in Lindau ( www.oedp-lindau.de ) nachzulesen.

In diesem Sinne: besser wählen, bessere Politik. Auf die Zukunft. Machen Sie´s gut.