Führt die jährliche Neuverschuldung nicht irgendwann in den Staatsbankrott?

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Frage von Christoph H. •

Führt die jährliche Neuverschuldung nicht irgendwann in den Staatsbankrott?

Laut Bund der Steuerzahler beträgt die Staatsverschuldung 2,5 Billionen €, Tendenz seit Jahrzehnten steigend.

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Sehr geehrter Herr H..,

vielen Dank für Ihre Frage und das damit an meiner politischen Arbeit zum Ausdruck kommende Interesse. Wie häufig, steckt hinter einer prägnanten Frage (leider) eine komplexere Antwort. Diese will ich gerne geben:

Von einem Staatsbankrott oder Bankrottgefahr ist auszugehen, wenn ein Land nicht mehr in der Lage ist, finanzielle Verpflichtungen wie fällige Zinsen oder Rückzahlungen gegenüber Kreditgebern mit seinen Einnahmen zu decken. Es kann also seine Schulden nicht mehr begleichen.

Die Möglichkeit eines Staatsbankrotts besteht grundsätzlich auch für die Bundesrepublik Deutschland. Derzeit ist ein solches Szenario aber eher unwahrscheinlich. Ein wichtiger und anerkannter finanzpolitischer Indikator für die Wahrscheinlichkeit einer Zahlungsunfähigkeit ist die "Schuldenquote". Sie beschreibt in Prozent das Verhältnis von den Schulden eines Landes zu seiner jährlichen wirtschaftlichen Leistung, dem Bruttoinlandsprodukt. 

Als Richtwert für eine zur Besorgnis Anlass gebende "Schuldenquote" gelten insoweit 90 Prozent. In der EU sollte der Schuldenstand eines Mitgliedslandes allerdings 60 Prozent des BIP nicht überschreiten. Wird diese Vorgabe nicht eingehalten, kann die europäische Staatengemeinschaft den Verstoß beispielsweise mit Geldbußen ahnden. Die deutsche Staatsschulden stiegen im Jahr 2022 um 71 Milliarden Euro auf 2,57 Billionen Euro, die Schuldenquote sank allerdings von 69,3% im Jahr 2021 auf 66,4 Prozent im Jahr 2022. Die deutschen Verschuldensquoten bewegen sich seit 2017 in einem Prozent-Korridor von 59,6% (Minimum) und 69,3% (Maximum). Insoweit verstößt auch Deutschland regelmäßig gegen die europäischen Vorgaben, ist dabei allerdings im EU-Vergleich eher noch als rechtstreu zu bezeichnen. Gemessen am Indikator "Schuldenquote" gibt es mittelfristig eher keinen Anlass zu der Sorge, dass Deutschland in Insolvenzgefahr geraten könnte. 

Für Bund und Bundesländer besteht als finanzpolitisches "Insolvenzversicherungsinstrument" seit 2009 außerdem die Verpflichtung zur sogenannten "Schuldenbremse". Diese ist verfassungsrechtlich in Art. 109 Abs. 3 GG verbrieft. Ähnliche Sicherungsinstrumente gibt es auch in anderen Ländern. Die deutsche Schuldenbremse sieht vor, dass sich die Bundesrepublik ab 2016 jährlich nur bis zu 0,35 % des Bruttoinlandsproduktes (damals circa neun Milliarden Euro) neu verschulden darf.

Ausnahmen gelten nur in Notsituationen, z.B. bei Umweltkatastrophen oder Weltwirtschaftskrisen. So konnte 2020 und 2021 während der Corona-Pandemie die Schuldenbremse ausgesetzt werden. In diesen Jahren nahm Deutschland dann auch die höchsten Kredite in seiner Geschichte auf. Im Ergebnis ist festzustellen, dass die Wirksamkeit dieses ansatzweise sehr guten, nachhaltigen und generationengerechten Sicherungsinstrumentes sowohl politisch als auch tatsächlich in Gefahr ist. Aktuellste Diskussionen zeigen dies. Die AfD tritt als Verteidigerin dieses grundsätzlich wichtigen Sicherungsinstitutes auf.

Mögliche Folgen eines Staatsbankrottes wären ein vollständiger oder teilweiser Ausfall bei den Gläubigern, Kapitalflucht (ins Ausland), Kollabieren der heimischen Wirtschaft, Ausfall von weiten Teilen des Öffentlichen Dienstes, Unternehmens- und Privatinsolvenzen mit Arbeitslosigkeit etc., Hyperinflation, Ansteckungseffekte bis hin zu Kontinentalwirtschafts- oder gar Weltwirtschaftskrisen. Die Effekte können - je nach Stärke - alternativ oder kumulativ auftreten.

Weil ein Staat im Falle eines Bankrotts, anders als ein Unternehmen, nicht einfach aufgelöst werden kann, müssen Lösungswege gefunden werden, um ihn wieder zahlungsfähig zu bekommen.

Deshalb werden im Krisenfall möglichst frühzeitig Verhandlungen zwischen der Regierung des betroffenen Landes und seinen Gläubigern notwendig. Ziel wäre es dabei, die Schuldenlast auf den überschuldeten Staat zu verringern. So können z.B. fällige Rückzahlungen verlängert, gestrichen oder auch Zins- und / oder Währungsschnitte zu Lasten der Gläubiger erfolgen.

Außerdem könnte der Internationale Währungsfonds (IWF) als Sonderorganisation der Vereinten Nationen Kredite und Finanzhilfen an Länder vergeben, um sie bei Zahlungsschwierigkeiten zu unterstützen. Allerdings müssen betroffene Staaten dafür meist Auflagen erfüllen und Konzepte für wirtschaftliche Reformen vorlegen. 

Zusammenfassend:

Monetäre und auch politische Krisen können zu Staatsbankrotten führen. Zwischen 1824 und 2004 wurden über 250 Staatsinsolvenzen gezählt. Seit dem Jahr 1980 hat es 90 Staatsbankrotte in 73 Ländern gegeben - manche Staaten sind also mehrfach betroffen gewesen. Chile war siebenmal, Brasilien sechsmal und Argentinien fünfmal insolvent. Auch Deutschland traf es bereits zweifach, jeweils nach den beiden Weltkriegen.

Aktuell und mittelfristig schätze ich, trotz meiner Meinung nach dringend abzubauender Rekordverschuldung, die Insolvenzgefahr für Deutschland als gering ein. Im politischen Wettbewerb müssen wir diese Gefahr dennoch stets im Auge haben und für unser Land, seine Einwohner und Unternehmen entsprechend weitsichtig entscheiden.

 

Freundliche Grüße

Ihr

Albrecht Glaser

 

 

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