Frage an Alexander King bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Alexander King, MdA
Alexander King
BSW
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Frage von Ernest G. •

Frage an Alexander King von Ernest G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. King,

ich möchte Ihnen ganz gerne folgende Fragen stellen:

1.) Sind Sie zufrieden mit dem derzeitigen Umgang mit dem Tempelhofer Feld?

2.) Wie ist Ihr Standpunkt zu den Mietpreisentwicklungen hier in Berlin?

3.) Inwiefern sehen Sie Notwendigkeiten an Straßenbahn-, U- und S-Bahnverlängerungen hier in Berlin, und wo?

4.) Im Falle einer mehrheitlichen Abstimmung pro Offenhalten des Flughafens Tegel: Würden Sie das Ergebnis so akzeptieren? Und, wie sollte der Senat Ihrer Meinung nach damit umgehen?

5.) Glauben Sie überhaupt noch an eine Eröffnung des neuen Großflughafens BER? Oder, sollte er wieder abgerissen werden?

6.) Wie ist Ihr Standpunkt zum Thema Flüchtlinge? Sollten nicht anerkannte Asylbewerber, sogenannte Gefährder, sowie jene, die kriminell geworden sind, überhaupt abgeschoben werden?

7.) Was sollten Deutschland und Europa, Ihrer Meinung nach, bezogen auf Sicherheit und Terrorabwhr tun?

8.) Sind Sie für Sanktionen gegen die Türkei, wegen Erdogans Politik? Sind Sie dafür, dass, trotz der derzeitgen Umstände, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei fortgeführt werden?

9.) Wie sollte man Ihrer Meinung nach mit der Politik von Trump umgehen?

10.) Befürchten Sie weitere Eskalationen zwischen Trump und Nordkorea? Und, wie sind Ihre Standpunkte dazu?

11.) Was ist Ihre Meinung zu den oft astronomischen Bonis und Gehälter von Top-Managern?

Ich freue mich auf, und bedanke mich schonmal im Voraus für Ihre Antworten!

Mit freundlichen Grüßen

E. G.

Alexander King, MdA
Antwort von
BSW

Sehr geehrter Herr G., vielen Dank für Ihre Fragen, die ich gerne wie
folgt beantworte:

1.) Sind Sie zufrieden mit dem derzeitigen Umgang mit dem Tempelhofer Feld?

Nein, damit kann man nicht vollständig zufrieden sein. Die große Koalition im letzten Abgeordnetenhaus hatte ja das Ergebnis des Volksentscheids durch eine Änderung am Volksgesetz relativiert. Im Ergebnis entstehen jetzt die Tempohomes für Geflüchtete. Der jetzige Senat betrachtet diese Tempohomes nur als Übergangslösung und nicht als Einstieg in die Randbebauung. Das ist gut so, denn das freie Feld soll auf jeden Fall erhalten bleiben, so wie es die Berliner Bevölkerung entschieden hat. Insgesamt fehlt mir, auch als Anwohner und Nutzer, allerdings mehr Beteiligung der Bevölkerung an der Entwicklung des Feldes.

2.) Wie ist Ihr Standpunkt zu den Mietpreisentwicklungen hier in Berlin?

Die Entwicklung der Mietpreise ist Ergebnis einer verfehlten Politik. Die Modernisierungsumlage bei energetischer Sanierung lockt Immobilienspekulanten aus aller Welt nach Berlin. Auch in unserem Bezirk hatten und haben wir mit dieser Problematik zu tun – zuletzt z.B. in der Tempelhofer Gontermannstraße. DIE LINKE will diese Umlagemöglichkeit abschaffen. Energetische Sanierung kann sinnvoll sein – aber nicht auf dem Rücken der Mieter. Die vom Senat angestoßene Änderung des BIMA-Gesetzes (betrifft Veräußerung von bundeseigenen Immobilien) wollen wir auch im Bundestag einbringen und unterstützen. Das würde der hemmungslosen Privatisierung von immer mehr Wohnraum Einhalt gebieten. Der Senat hat bereits damit begonnen, Immobilien für das Land zu erwerben und somit der Immobilienspekulation zu entziehen. Mit einem neuen BIMA-Gesetz wäre das leichter. Ich denke dabei an die Auseinandersetzung um die BIMA-Häuser in Nord-Schöneberg. Die Mietpreisbremse der Großen Koalition wirkt nicht. Wir wollen sie deutlich anziehen: die vielen Ausnahmen streichen, die Vermieter verbindlich zur Auskunft über die Vormiete verpflichten und bei Verweigerung Sanktionen einführen. Zu viel bezahlte Mieten müssen dann komplett zurückgezahlt werden. Die Berechnung der örtlichen Vergleichsmieten wollen wir auf eine breitere Grundlage stellen, damit nicht nur die letzten 4 Jahre einfließen. Und wir müssen bauen: Wir wollen den gemeinnützigen Wohnungsbau voranbringen und pro Jahr bundesweit mindestens 250.000 neue Sozialwohnungen schaffen.

3.) Inwiefern sehen Sie Notwendigkeiten an Straßenbahn-, U- und S-Bahnverlängerungen hier in Berlin, und wo?

Ich bin für den Ausbau des schienengebundenen Personenverkehrs. Sinnvoll fände ich den zügigen Ausbau der U6 bis Lichtenrade und der U7 bis Schönefeld sowie der S-Bahnen weiter nach Brandenburg. Im Koalitionsvertag wurde eine Priorität für ÖPNV, Fahrrad- und Fußverkehr formuliert. Ich setze mich für ein Sonderprogramm zum Ausbau des schienengebundenen ÖPNV in urbanen Großräumen ein. Die Priorisierung des Senats auf den Ausbau von Straßenbahnen unterstütze ich, insbesondere von Trassen aus Treptow-Köpenick in Richtung Mariendorf, Lichtenrade und Marienfelde.

4.) Im Falle einer mehrheitlichen Abstimmung pro Offenhalten des Flughafens Tegel: Würden Sie das Ergebnis so akzeptieren? Und, wie sollte der Senat Ihrer Meinung nach damit umgehen?

DIE LINKE ist für Volksabstimmungen und hat in Berlin während der letzten rot-roten Koalition daran mitgewirkt, dass diese Möglichkeit direkter Demokratie geschaffen wurde. Insofern ist es für mich selbstverständlich, dass wir das Ergebnis der Tegel-Abstimmung akzeptieren. Ich persönlich hoffe, dass der Volksentscheid abgelehnt wird, denn die dauerhafte Offenhaltung von Tegel würde den Steuerzahler Hunderte von Millionen Euro kosten. Dass ausgerechnet die FDP, die sich so viel auf ihre wirtschafts- und finanzpolitische Kompetenz zugutehält, die Berliner Steuerzahler mit einem solchen enormen finanziellen Risiko belasten will, ist Ausdruck von Verantwortungslosigkeit. Peinlich, dass die FDP dabei ausgerechnet von der arbeitnehmerfeindlichen Billigfluglinie RyanAir unterstützt wird. Trotzdem bleibe ich dabei: Das Ergebnis muss akzeptiert und so gut wie möglich umgesetzt werden. Das könnte z.B. heißen, die Offenhaltung zumindest bis zum Abschluss sämtlicher BER-Erweiterungsphasen zu verlängern. Ich denke, das könnte den verständlichen Zweifeln vieler Berliner am Übergang von Tegel zu BER entgegenkommen.

5.) Glauben Sie überhaupt noch an eine Eröffnung des neuen Großflughafens BER? Oder, sollte er wieder abgerissen werden?

Die Geschichte des BER ist eine unglaubliche Verquickung von Pleiten, Pech und Pannen, eine Aneinanderreihung von Fehlentscheidungen und gibt Anlass, auch über Korruption im großen Stil nachzudenken. Ich wäre trotzdem nicht dafür, BER wieder abzureißen. Damit würde man der Verschwendung von Steuergeldern ja noch die Krone aufsetzen. Nein, wir sollten, trotz allem, an dem Projekt festhalten, die Zufahrten nach Schönefeld ausbauen und so schnell wie möglich den Flugverkehr aus der Innenstadt herausholen.

6.) Wie ist Ihr Standpunkt zum Thema Flüchtlinge? Sollten nicht anerkannte Asylbewerber, sogenannte Gefährder, sowie jene, die kriminell geworden sind, überhaupt abgeschoben werden?

Das Asylrecht ist kein Instrument des Strafrechts. Diese beiden Fragen, die jede für sich genommen schon kompliziert genug sind, sollte man nicht miteinander vermischen. Wir wollen Abschiebungen vermeiden und setzen auf freiwillige Rückkehr von Menschen, die kein Bleiberecht haben. Die Abschiebung von Familien, deren Kinder hier bereits Wurzeln geschlagen haben, zur Schule gehen oder eine Ausbildung machen, lehne ich ab. Nacht- und Nebelabschiebungen oder das Abholen aus der Schulklasse finde ich unmenschlich. Das sollte es in Deutschland nicht geben. Ebenso bin ich strikt gegen die Abschiebung in Länder, in denen Krieg herrscht. Nach Afghanistan, wo jährlich Tausende im Krieg sterben, darf nicht abgeschoben werden. Für eine in Deutschland begangene Straftat muss der Täter, ganz gleich, woher er kommt und was seine Staatsbürgerschaft ist, in Deutschland belangt werden. Hier muss er oder sie die Strafe verbüßen. Das ist ein Grundsatz des bürgerlichen Rechtsstaats. Daran hält DIE LINKE auch dann fest, wenn der verständliche Wunsch aufkommt, solche Straftäter in ihre Heimat abzuschieben, noch bevor ihnen hier der Prozess gemacht wird. In besonders schweren Fällen ist eine Abschiebung nach einer Straftat ohnehin bereits möglich, sofern ein Pass vorliegt. Der Umgang mit sogenannten Gefährdern ist ein schwieriges Thema. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass natürlich auch in Bezug auf diese Menschen der Rechtsstaat nicht ausgehebelt werden kann. Auf der anderen Seite steht das berechtigte Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung in Deutschland. Damit Gefährder nicht zu Tätern werden, müssen die Behörden länder- und staatsübergreifend besser zusammenarbeiten. Der Fall von Anis Amri hat gezeigt, dass hier noch dringender Verbesserungsbedarf besteht. Außerdem muss das Gegeneinander von Behörden aufhören. Das V-Leute-System hat sich oftmals (Bsp. NSU) als eher strafunterstützend denn als strafvereitelnd erwiesen und muss dringend auf dem Prüfstand. Präventiv muss Radikalisierung verhindert werden. Sofern wir von islamistischen Gefährdern sprechen, sind hier auch die muslimischen Gemeinden in der Verantwortung.

7.) Was sollten Deutschland und Europa, Ihrer Meinung nach, bezogen auf Sicherheit und Terrorabwehr tun?

Hier komme ich auf Frage 6 zurück. Zusätzlich will ich die notwendige personelle Aufstockung bei der Polizei ansprechen. Und wir müssen uns fragen: Wie entsteht Terror? Prävention in Deutschland, z.B. in Zusammenarbeit mit den Moscheen, ist ein wesentlicher Faktor. Wir sollten genau hinschauen, wer was in den Moscheen predigt, wo und durch wen die Imame ausgebildet werden usw. Und wir müssen den Blick auch wieder stärker auf den Rechtsterrorismus richten. Präventions- und Aufklärungsprogramme, antirassistische Bündnisarbeit, Jugendarbeit und Erinnerungskultur müssen stärker unterstützt werden. Es gibt eine Verbindung zwischen der westlichen Kriegspolitik und der Entstehung von Terrororganisationen. Ich erinnere daran, dass der Islamische Staat in den Trümmern des durch die USA zerstörten Irak entstand. US-geführte und oft auch von Deutschland unterstützte Kriege treiben den islamistischen Terrorgruppen die Rekruten zu. Deshalb müssen wir außenpolitisch umsteuern. Waffenexporte an Terror-Unterstützer wie Saudi-Arabien müssen sofort eingestellt werden.

8.) Sind Sie für Sanktionen gegen die Türkei, wegen Erdogans Politik? Sind Sie dafür, dass, trotz der derzeitgen Umstände, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei fortgeführt werden?

Die Verhaftung mehrerer deutscher Staatsbürger in der Türkei hat ein Schlaglicht nicht nur auf die inneren Verhältnisse in der Türkei, sondern auch auf die deutsch-türkischen Beziehungen geworfen. Pressefreiheit, freie Meinungsäußerung, Versammlungsfreiheit – alle demokratischen Freiheitsrechte sind in der Türkei massiv bedroht, seit Präsident Erdoğan daran arbeitet, die Türkei Stück für Stück in eine islamistische Diktatur umzubauen. Der gescheiterte Putschversuch vom 15.7.2016 diente als Vorwand für eine umfangreiche Säuberung. Über 100.000 Angestellte wurden seither aus dem öffentlichen Dienst entlassen. 37.000 angebliche Verschwörer wurden inhaftiert. Dabei trifft die Repression nicht nur Anhänger des Predigers Gülen, den Erdoğan als Drahtzieher des Putschversuches vom 15.7.2016 vermutet. Vielmehr nutzt Erdoğan die Niederschlagung des Putsches zu einem Schlag gegen die gesamte Opposition. Wirtschaftssanktionen gegen die Türkei würde ich dennoch nicht befürworten. Sie würden die ganze Bevölkerung treffen. Sanktionen, von denen Erdoğan und sein engstes Umfeld persönlich betroffen wären, könnten hingegen sinnvoll sein. Ich bin dafür, die EU-Beitrittsverhandlungen auszusetzen und auch die Vorbeitrittshilfen der EU an die Türkei nicht länger auszuzahlen. Waffenexporte in die Türkei sowie geheimdienstliche, polizeiliche oder gar militärische Zusammenarbeit sollten ebenfalls ausgesetzt werden.

9.) Wie sollte man Ihrer Meinung nach mit der Politik von Trump umgehen?

Die Politik von Donald Trump ist hochgefährlich. Deutschland wäre m. E. gut beraten, sich von seinen Kapriolen möglichst unabhängig zu machen. Wir treten ohnehin dafür ein, dass sich Deutschland aus der allzu engen Bindung an die USA und deren Interessen befreit und eine eigenständige, auf Frieden und Entspannung in Europa ausgerichtete Außenpolitik entwickelt. Meine Antwort auf die verrückte und kriegerische Politik von Trump ist: noch entschiedenerer Einsatz für den Frieden. Wir müssen uns nun umso stärker dafür einsetzen, dass die US-Atomraketen endlich aus Deutschland abgezogen werden und dass sich Deutschland nicht mehr als logistische Zentrale für völkerrechtswidrige Drohnenmorde zur Verfügung stellt. Ich finde auch, dass sich Deutschland viel stärker für die Aufwertung der Vereinten Nationen einsetzen sollte. Bei wichtigen Initiativen in den VN, etwa bei der Ächtung von Atomwaffen, hat Deutschland gefehlt. Trumps Aufforderung, das NATO-Aufrüstungsziel von 2% des BIP, der die Union Folge leisten möchte (was Deutschland jährlich über 30 Mrd. Euro zusätzlich kosten würde), weisen wir deutlich zurück. Ebenso seine Ankündigung, in Afghanistan noch stärker militärisch zu intervenieren und dafür die Entwicklungszusammenarbeit einzusparen.

10.) Befürchten Sie weitere Eskalationen zwischen Trump und Nordkorea?
Und, wie sind Ihre Standpunkte dazu?

Natürlich befürchte ich das. Unabhängig davon, dass die Tyrannei in Nordkorea unermesslich ist und das nordkoreanische Regime offensiv den Weltfrieden bedroht – die Reaktion von Trump ist unverantwortlich und hat bisher erwartungsgemäß nicht zur Deeskalation beigetragen. Den Provokationen aus Nordkorea mit immer mehr Druck zu begegnen, wie es Japans Ministerpräsident Shinzo Abe und US-Präsident Donald Trump nach dem Überflug der Rakete über die japanische Insel Hokkaido verabredet haben, ist eine Strategie, die zum Krieg führen kann. Die Ablösung des seit 60 Jahren währenden Waffenstillstands durch einen Friedensvertrag unter Beteiligung der beiden koreanischen Staaten sowie der USA und China ist der einzig gangbare Weg zur Befriedung der koreanischen Halbinsel. Die Bundesregierung sollte einen solchen Prozess unterstützen.

11.) Was ist Ihre Meinung zu den oft astronomischen Bonis und Gehälter von Top-Managern?

Ich bin für verbindliche Obergrenzen für Manager- und Vorstandsgehälter: Sie dürfen nicht mehr als das Zwanzigfache des niedrigsten Gehalts im Unternehmen betragen. Jahresgehälter über einer halben Million Euro dürfen nicht mehr steuerlich abzugsfähig sein. Wir sollten auch über eine Strafsteuer für Unternehmen nachdenken, deren Löhne zu weit auseinander gehen.

Mit freundlichen Grüßen,
Alexander King

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