Frage an Andrea Nahles von Michael G. bezüglich Soziale Sicherung
Guten Tag Frau Nahles.
Jahrzehntelang kam das damalige Arbeitsamt quasi ohne Sanktionen und Security vor den Türen aus.
Warum glauben Sie, ist das heute notwendig ?
Wie Ihnen bekannt sein dürfte, leiden Arbeitslose nicht selten an situationsbedingten, depressiven Symptomatiken (siehe auch die stark angestiegenen Suizidraten in Gr o. Sp).
Jeder der sich auch nur oberflächlich mit der Thematik beschäftigt hat, weiß, dass Druck das Allerletzte ist, was diese Menschen brauchen. Mir selbst sind zwei Frauen (beides alleinerziehende Mütter in ländl. Umgebung wohnend) bekannt, die dem Druck der "Jobcenter" nicht mehr standhielten und versuchten, sich mit Tabletten das Leben zu nehmen.
Eine bewohnte eine etwa 100 EURO zu teure Wohnung die sie verlassen sollte, obwohl es in der Nähe ihrer betagten Mutter, dessen Versorgung sie sicherstellte, keinen angemessenen Ersatz gab. Zwar haben wir ihr regelmäßig über die letzte Woche des Monats hinweg geholfen, aber der Druck [...sich die fehlenden 100 EURO besorgen zu müssen, ihre Wohnung und die Nähe zu ihrer Mutter und ihren Freunden (sozialer Rückhalt) zu verlieren] wurde ihr irgendwann zu groß. Die "Geschichte" zur Zweiten erspare ich mir. Nur soviel: Sie und ihre beiden Kinder, die sie seinerzeit auffanden, sind noch heute, nach fast 5 Jahren, in psy. Behandlung.
Frage 2: Hat die SPD jemals in Erwägung gezogen, die Folgen der Hartz-Gesetzgebung auf die Gesundheit der Betroffenen zu evaluieren ? Oder auf den Punkt gebracht : Hat man schon mal die Toten gezählt ?
M.Grass
Sehr geehrter Herr Grass,
ich gebe Ihnen recht, dass es eine bessere Förderung von Alleinerziehenden im Hartz-IV-Bezug geben muss. Alleinerziehende sind auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor deutlich benachteiligt. Wir wollen mehr Chancen für Alleinerziehende. Dazu gehört z.B., einen Schulabschluss oder eine Berufsausbildung auch in Teilzeit abschließen zu können. Zudem fordern wir, dass Alleinerziehende in dem Verhältnis von Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik profitieren, wie es ihrem Anteil an allen Arbeitslosen entspricht. Außerdem sollen sie einen Anspruch auf Qualifizierung und Weiterbildung bereits während der ersten drei Lebensjahre des Kindes bekommen - auch wenn sie in Elternzeit sind.
Zudem müssen natürlich strukturelle Ungerechtigkeiten wegfallen: Zieht z. B. ein neuer Partner ein, wird er sofort Teil der Bedarfsgemeinschaft - mit Einstandsverpflichtung. Kinderlose Paare hingegen haben ein Jahr Zeit sich zu beschnuppern. Dies ist eine unnötige Ungleichbehandlung, die wir abschaffen wollen. Fast die Hälfte aller alleinerziehenden Frauen sind auf Hartz IV angewiesen und mir ist bewusst, welche psychischen Belastungen dies mit sich bringen kann. Das macht deutlich: Wir müssen endlich die Leistung Alleinerziehender anerkennen. Die schwarz-gelben Sparmaßnahmen an der Arbeitsmarktpolitik müssen zurückgenommen werden. Zum Thema alleinerziehende Mütter hat die SPD-Bundestagsfraktion erst im Oktober letzten Jahres z. B. folgenden Antrag im Bundestag gestellt: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/110/1711038.pdf
Darüber hinaus hat bereits im Juni 2011 die arbeits- und sozialpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Anette Kramme anlässlich einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales Änderungen beim Sanktionsrecht in der Grundsicherung für Arbeitsuchende gefordert: http://www.spdfraktion.de/presse/pressemitteilungen/Sanktionsrecht_muss_ge%C3%A4ndert_werden Insofern Herr Grass, wir kennen und sehen die Probleme und diskutieren intensiv über mögliche Lösungsvorschläge.
Beste Grüße
Andrea Nahles