Frage an Andrea Nahles von Joachim B. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Nahles,
vielen Dank für Ihre Antwort.
Leider ist Ihre Antwort bzgl. der Anpassung der Ruhegelder für Politiker und Beamte wie erwartet schwammig und nicht konkret. Wenn die SPD die soziale Gerechtigkeit glaubwürdig vertreten möchte, warum geht Ihre Partei mit dem Thema der Anpassung der Pensionen an das Rentenniveau der Bevölkerung nicht an die Öffentlichkeit und schreibt dies in das Wahlprogramm? Oder geht es der SPD nur bei einer bestimmten Bevölkerungsgruppe um soziale Gerechtigkeit?
Bei den Beamten würde Ihre Partei sicherlich Stimmen verlieren, bei den übrigen Wählern aber sicherlich viele gewinnen. Aber es sollte doch um die Sache gehen. Um Moral und Glaubwürdigkeit.
Beim Thema Veruntreuung von Steuergelder weichen Sie leider ebenfalls aus. Bei der Verschwendung von Steuergeldern handelt es sich ebenfalls um eine Veruntreuung von anvertrauten Geldern. Ich hoffe doch und nehme an, dass Ihnen die Verfehlungen, die der Bundesrechnungshof jedes Jahr aufdeckt, bekannt sind. Leider habe ich noch nie gehört oder gelesen, dass sich Politiker für diese Verfehlungen bei den Steuerzahlern entschuldigen. Vielmehr werden jedes Jahr aufs neue Unsummen verschwendet.
Ist es nicht an der Zeit, dieser Verschwendung eine Ende zu setzten und dagegen in gleicher Vehemenz vorzugehen, wie gegen den Tatbestand der Steuerhinterziehung?
Es ist doch moralisch überhaupt nicht zu vertreten, Steuern zu erhöhen, wenn jedes Jahr Unsummen an Steuern vom Staat und von Behörden verschwendet werden.
Mit freundlichen Grüßen
J. Bisch
Sehr geehrter Herr Bisch,
ich habe nicht schwammig geantwortet, sondern Sie u. a. auf den Fakt hingewiesen, dass wir in den einzelnen Bundesländern durchaus unterschiedliche Regelungen für die Beamten haben. Darüber hinaus habe gleichfalls deutlich gemacht, dass die SPD in ihrem Grundsatzprogramm fordert, die gesetzliche Rentenversicherung langfristig auf alle Erwerbstätigen auszudehnen, also auch Beamte einzubeziehen. Kurzfristig kann dieses Ziel jedoch nicht verwirklicht werden, weil wesentliche Elemente der Beamtenversorgung durch Artikel 33 des Grundgesetzes geschützt sind. Außerdem kann der Bund seit der sog. Föderalismusreform nur noch die Versorgung der Bundesbeamten (und Berufssoldaten) regeln. Für die weitaus größere Zahl der Landesbeamten sind die jeweiligen Länder zuständig.
Das Grundsatzprogramm der SPD geht außerdem davon aus, dass die gesetzliche Rentenversicherung durch Betriebsrenten oder öffentlich geförderte private Vorsorge ergänzt wird. Deshalb könnte die Beamtenversorgung nicht allein durch die Rentenversicherung ersetzt werden. Vielmehr müsste die Beamtenschaft dann, wie jetzt schon die Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes, ergänzend bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder versichert werden. Da die Beamtenversorgung beitragsfrei ist, müsste bei ihrer Ablösung durch Rentenversicherung und Betriebsversorgung damit gerechnet werden, dass die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes eine Erhöhung der Bruttobezüge fordern, um die Beitragsbelastung auszugleichen. Außerdem blieben bestehende Beamtenverhältnisse bzw. erworbene Versorgungsanwartschaften weitgehend unberührt.
Auch wenn ein grundlegender Wechsel im System der Beamtenversorgung also nicht stattfinden kann, können Änderungen des Rentenrechts trotzdem wirkungsgleich auf die Beamtenversorgung übertragen werden, wie es schon in der Vergangenheit geschah.
Der in diesem Zusammenhang auch von Ihnen vorgenommene Vergleich der durchschnittlichen Höhe von Renten und Pensionen geht aus mehreren Gründen methodisch fehl:
• Bei der Beamtenversorgung handelt es sich um eine sog. Vollversorgung, die nicht nur die Rente ersetzt, sondern auch die ganz oder teilweise arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversorgung, die die Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes und viele andere Arbeitnehmer, zumindest in Großunternehmen, erhalten. Die Höhe der Beamtenversorgung kann schon deshalb nicht mit der Höhe der Rente gleich gesetzt werden.
• Die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung bedeutet nicht, dass darüber liegende Einkommensanteile bei der Versorgung unberücksichtigt bleiben. Gerade bei denjenigen Angestellten in der Privatwirtschaft, deren Gehälter die Beitragsbemessungsgrenze überschreiten, stellen Pensionszusagen der Arbeitgeber den Regelfall dar. Alternativ werden die Gehälter so bemessen, dass die Angestellten selbst eine zusätzliche Altersversorgung sicherstellen können.
• Es gibt in der heutigen Rentnergeneration zahlreiche Klein- und Kleinstrenten bei Personen, die nur kurzzeitig (versicherungspflichtig) gearbeitet haben und danach beispielsweise Hausfrau wurden oder als Selbstständige nicht mehr der Versicherungspflicht unterlagen. Beamte müssen in solchen Fällen aus dem Beamtenverhältnis ausscheiden und werden in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert, weshalb es Klein- und Kleinstpensionen zwangsläufig nicht gibt, sondern diese auch noch in Form von Renten anfallen. Das gleiche gilt für Zeitsoldaten, die ebenfalls in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert werden.
• Die unterschiedlichen Statusverhältnisse (Beamte und Tarifbeschäftigte) sind nicht gleichmäßig über die unterschiedlichen Qualifikationen verteilt. Mehr als drei Viertel der Beamten (ohne Soldaten) gehören zu den Laufbahnen des gehobenen und höheren Dienstes, nur knapp ein Viertel gehört zu den Laufbahnen des einfachen und mittleren Dienstes (Stand 2010).
Letztlich kann man die Altersvorsorgeregelungen für Beamte und Politiker auch nicht in einen Topf werfen. Zur rechtlichen Regelung der Altersentschädigung für ehemalige Abgeordnete des Bundestages habe ich Ihnen bereits aus meiner Sicht alles gesagt.
Für politische Gestaltung braucht der Staat ausreichende und verlässliche Einnahmen. Unsere Strategie aus Wachstumsimpulsen und Konsolidierungsmaßnahmen sorgt mit einer sozial ausgewogenen Finanzpolitik dafür, dass mehr Steuergerechtigkeit erreicht und Steuerhinterziehung wirkungsvoll bekämpft wird. Insofern, ja ich kann Steuererhöhungen vertreten.
Beste Grüße
Andrea Nahles