Frage an Andrea Nahles von Bettina B. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Nahles,
zur immerwährenden Diskussion über Minijobs und Mindestlohn habe ich folgende Frage:
Aktuell verdient ein Arbeitnehmer 8,84 € Mindestlohn pro Stunde ( Bruttoverdienst) und hat davon entsprechende Abzüge für Krankenkasse, Rentenversicherung, Pflegeversichertung etc. sowie Lohnsteuer.
Wenn ein anderer Arbeitnehmer im Minijob ebenfalls 8,84 € /Stunde verdienst, welche Abzüge fallen hier an?
Ist Ihnen klar, dass diese Entlohnung im Minijob netto ist - sprich dass dies eine absolute Ungleichbehandlung von Arbeitnehmer im normalen Job und im Minijob ist ?
Was haben Sie sich bei diesem Gesetz gedacht ?
Sehr geehrte Frau Bönning,
Sie stellen die Situation geringfügig Beschäftigter gegenüber der übrigen Belegschaft dar. Ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn ist zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer notwendig. Die Beschäftigung zu niedrigen Löhnen hat in Deutschland in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Ein Mindestlohn ist geeignet, einen angemessenen Mindestschutz der Arbeitnehmer/-innen zu gewährleisten. Letztlich zahlt dann der Steuerzahler auch wieder drauf, wenn aufstockende Hilfen in Anspruch genommen werden müssen. Es gibt keine Arbeit, die weniger wert ist als den Mindestlohn. Dies gilt insbesondere auch für Minijobber und Aushilfen und natürlich auch für junge Menschen. Sonst brauchte man keinen Mindestlohn einzuführen. Ziel ist es, prekäre Beschäftigungsverhältnisse einzudämmen. Ein Lohn unter dem Mindestlohn macht niemanden frei von staatlicher Unterstützung. Und Löhne – auch in Tarifverhandlungen – sind nun einmal immer Bruttolöhne.
Nur weil der Job vielleicht beim Einzelnen nicht dazu gedacht ist, den Lebensunterhalt zu erwirtschaften, könnte er jedoch für den Lebensunterhalt eines Normalbeschäftigten reichen – sofern er bei voller Stundenzahl ordentlich bezahlt würde. Niemand stellt einen Normalbeschäftigten ein, wenn er mit drei Minijobbern das gleiche Ziel erreichen kann und keinen Mindestlohn zu zahlen braucht. Minijobber schaden insoweit auch den Sozialversicherungssystemen, da viel zu wenige Beiträge erbracht werden – die Leistungen jedoch dennoch anfallen aus dem Hauptversicherungsverhältnis. Minijobberinnen und Minijobber sind arbeitsrechtlich grundsätzlich anderen Beschäftigten gleichgestellt. Aufgrund des Diskriminierungsverbotes von Teilzeitbeschäftigten sind Ausnahmen vom Mindestlohn für Minijobberinnen und Minijobber nicht zulässig. Beiträge zur Sozialversicherung müssen bei Minijobs die Arbeitgeber allein tragen. Die Tatsache, dass Arbeitgeber einen höheren Anteil an der Sozialversicherung zahlen müssen als bei anderen Beschäftigten, ist kein sachlicher Grund, um vom Diskriminierungsverbot abzusehen. Die höheren Beiträge der Arbeitgeber sind politisch gesetzt, um Anreize zur Umwandlung von regulärer Beschäftigung in Minijobs zu mindern und eine Schwächung der sozialen Sicherungssysteme zu vermeiden. Zudem profitieren die Arbeitgeber von der hohen Flexibilität der Arbeitsverhältnisse. Minijobberinnen und Minijobber sind nicht weniger produktiv als andere Arbeitskräfte.
An manchen Problemen bei dem Übergang in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wird sehr deutlich, dass hier noch viel Aufklärungsbedarf besteht – jedoch nicht, dass Ausnahmen nötig sind. Leider ist vielen Menschen in geringfügigen Beschäftigungen immer noch nicht klar, das Vorsorge wichtig ist und ein freiwilliger Verzicht auf Beitragszahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung, der im Minijob möglich ist, sich im Alter eben auch in Bedürftigkeit äußern kann. Eine ganz einfache und anzustrebende Lösung der von Ihnen empfundenen Ungerechtigkeit und der oben dargelegten Problematik ist eine Beitragspflicht zur Sozialversicherung vom ersten Euro an, jedoch nicht die Schaffung unterschiedlicher Mindestlöhne.
Beste Grüße
Andrea Nahles