Frage an Andrea Nahles bezüglich Soziale Sicherung

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Andrea Nahles
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Frage von Volker K. •

Frage an Andrea Nahles von Volker K. bezüglich Soziale Sicherung

Hallo Frau Nahles,

wenn an einer winzigen Einzelregelung (hier: Verlängerung des ALG I), die sich in einer Vielzahl komplexer Änderungen mehrerer Bücher des Sozialgesetzbuches widerspiegelt (gehandelt unter dem Begriff „Agenda 2010“), warum heißt es denn noch immer „Arbeitslosenversicherung“ und nicht richtigerweise „Arbeitslosensteuer“.

Denn wer beispielsweise mehr als 30 Jahre in die Sozialsysteme der Bundesrepublik Deutschland eingezahlt hat, wird schon nach wenigen Monaten auf die gleiche soziale Schieflage gezogen, wie jemand, der gar nichts oder gerade einmal die Mindesteinzahlung in einem Kalenderjahr eingezahlt hat.

Wenn dies sich nicht ändert, könnte man ja auch zur Diskussion stellen, warum ein Arbeitnehmer in Steuerklasse I, der dieselbe Arbeit verrichtet wie jemand in Steuerklasse III, zumindest im Rentenalter (wenn z.B. möglicherweise beide keine Kinder mehr zu versorgen haben) ein Vielfaches weniger ausgezahlt bekommt.

Wie weit entfernt sich eigentlich die Sozialpolitik noch von den Menschen?

Die Deutschen haben im Rahmen der so genannten Gesundheitsreform seit 2004 4,97 Milliarden nur für die Praxisgebühr (= Krankenkassengebühr) gezahlt. 2007 kommen noch einmal rd. 1,6 Milliarden dazu. Das ist keine Reform, sondern ein Gesundheitskostenerhöhungsgesetz. Die Kassen brüsten sich zurzeit damit rd. 8 Milliarden Schulden abgebaut zu haben. Die Gesamteinzahlung der Kassengebühr durch die Bürgerinnen und Bürger beträgt allein für diesen Zweck mithin 6,47 Milliarden Euro. Ein Ende dieser verkappten Beitragserhöhung ist wie bei dem Soli ebenfalls nicht abzusehen. Wer hat denn in diesem Kontext den Großteil der Schulden abgebaut? Etwa die kranken Kassen (kein Schreibfehler!) ?

Mit freundlichen Grüßen
Volker Kamp

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SPD

Sehr geehrter Herr Kamp,

tatsächlich haben Krankenversicherung und Arbeitslosenversicherung etwas gemeinsam. Beide sind - im Gegensatz zur Rentenversicherung - dafür da, im Risikofall zu helfen. Nur wer krank wird, beansprucht die Krankenversicherung, nur wer arbeitslos wird, greift auf die Solidargemeinschaft zurück. Beide Versicherungen funktionieren daher nicht in dem Sinne, wie sie es einfordern. Diejenigen, die nie krank oder arbeitslos werden, bezahlen für die, die wirklich sehr sehr krank sind, die hohen Kosten mit oder für die, die lange arbeitslos sind. Das ist der solidarische Kern unseres Sozialstaates und den schätze ich hoch ein. Niemand weiß im übrigen, ob eine Krankheit oder Arbeitslosigkeit ihn nicht auch mal selber treffen können. Daher wird es von den allermeisten Menschen auch mitgetragen. Erlauben Sie mir diese grundsätzliche Antwort, gerade in den letzten Tagen habe ich allerlei zu dem Charakter der Arbeitslosenversicherung gelesen, was nach meiner Einschätzung nicht zutrifft. Ich nehme ihre Anfrage zum Anlaß hierzu meine Position darzulegen.

Gruß
Andrea Nahles