Frage an Andrea Nahles bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Portrait von Andrea Nahles
Andrea Nahles
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Andrea Nahles zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Hanne B. •

Frage an Andrea Nahles von Hanne B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Ich schließe mich der Frage von Hrn. Gehrels an!

Da Sie doch dagegen waren, wieso haben Sie dann dafür gestimmt?

Portrait von Andrea Nahles
Antwort von
SPD

Liebe Frau Bendel,

eine berechtigte Frage. In den Fraktionen des Bundestages gibt es folgendes Verfahren. Wer gegen eine Sachfrage ( die keine Gewissensfrage ist) eingestellt ist, kann versuchen, eine Mehrheit von seiner Meinung zu überzeugen. Es gibt dann IN der jeweiligen Fraktion eine Abstimmung. Ich bin hier mit meiner Meinung unterlegen, d.h. ich hatte keine Mehrheit. Es wird dann erwartet, dass man im Plenum die Mehrheit der Fraktion vertritt, auch wenn man persönlich eine andere Auffassung vertritt. Das gilt nicht für Fragen wie Krieg und Frieden. Manchmal z.B. bei Patientenverfügungen usw. steht von vorneherein fest, dass frei abgestimmt wird. Was für einen Sinn hat so eine Regel. Nun, es gibt immer Einzelinteressen in Wahlkreisen oder Regionen, es gibt oft starke Minderheitenmeinungen auch quer durch die Fraktionen. Wenn es keine klaren Regeln gäbe, würde die Mehrheitsfindung in Deutschland chaotisch verlaufen - es gibt dafür viele Beispiele in anderen Ländern - auch in Europa.

Ich stehe hinter verlässlichen Mehrheitsfindungen und auch hinter Vereinbarungen (die häufig Kompromisse sind) in einer Koalitionsregierung. Allerdings ist der Abwägungsprozess oft sehr schwierig und manchmal schmerzlich. In den letzen Jahren meines politischen Wirkens im Bundestag habe ich mir einmal nach heftigen Auseinandersetzungen und nach einem wochenlangen persönlichen Abwägen der Folgen für ein NEIN zu einer Sachfrage entschieden. Das war bei der letzten Gesundheitsreform in 2006. Eine absolute Ausnahme, zu der ich aber stehe.

In dieser Woche habe ich mich für einen anderen Weg entschieden. Mein Kollege Christoph Strässer hat eine persönliche Erklärung zur Abstimmung formuliert, die meine Skepsis und meine Bedenken aufgegriffen und ausgedrückt hat. Diese habe ich unterstützt. Sie findet sich im Protokoll des Bundestages und auf meiner Homepage.

Mir ist bewußt, dass diese Erläuterungen für Menschen, die ein einfachen Ja oder Nein erwarten, nicht befriedigend sein können. Es gehört für mich jedoch zu meinem Verantwortungsbewußtsein und meinem Politikverständnis dazu, dass ich nicht nur als Individuum agiere und dass ich auch ohne mühsame Mehrheitsfindungsprozesse und demokratische Spielregeln nicht wirklich Politik gestalten kann. Ich kann nur versuchen Ihnen dies zu erläutern.

Ihre Andrea Nahles