Leben wir bereits im Überwachungsstaat und gibt es noch realistische Möglichkeiten ein Freies Leben als Bürger ohne diese Digitalen Dinge dauerhaft und auch im Reallife zu sichern?

Portraiaufnahme von Anke Domscheit-Berg mit rotem Hut
Anke Domscheit-Berg
DIE LINKE
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Frage von Jochen T. •

Leben wir bereits im Überwachungsstaat und gibt es noch realistische Möglichkeiten ein Freies Leben als Bürger ohne diese Digitalen Dinge dauerhaft und auch im Reallife zu sichern?

Win10 darf Computer regelmäßig scannen und Dateien legal verändern+löschen(Raubkopien?),Europol erhält quasi Geheimdienstprivilegien,3 Große Smartphonehersteller kontrollieren den Markt (Apple,Samsung+Huawei), fast die gesammte Bevölkerung besitzt solche Geräte. Wobei Huawei von den USA dort inländisch bereits als ernstes Sicherheitsproblem verboten wurde
Meist ohne die Technologie(Coden,Hardware+Missbrauchspotential)wirklich zu verstehen.
Zudem wird der private Raum der GG geschützt sein sollte, abhörbar gestaltet, über Echodots sowie über Smartphonesmikro+Gyrometrie.
https://netzpolitik.org/2021/neue-verordnung-europol-wird-quasi-geheimdienst/
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/usa-verbannung-markt-huawei-sicherheit-100.html
https://www.chip.de/news/Spionage-durch-Windows-10-So-schalten-Sie-auffaellige-Funktionen-ab_128664288.html
https://www.youtube.com/watch?v=U0lKHJHHbfw
https://www.spiegel.de/netzwelt/web/smartphones-ueberwachung-mittels-bewegungssensor-moeglich-a-986266.html

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Jochen T.,

Haben Sie vielen Dank für für Ihre Anfrage und das damit verbundene Interesse an meiner Arbeit als digitalpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Deutschen Bundestag. Ihre Antwort möchte ich wie folgt beantworten:

Als Publizistin, Netzaktivistin und mittlerweile auch als Bundestagsabgeordnete beschäftigen mich die digitalen Bürgerrechte seit Jahrzehnten und sind ein wichtiges Element meiner fachpolitischen Arbeit, wie z.B. die Frage, wie verhindern wir einen Überwachungsstaat 2.0 und erhalten unsere Privatsphäre auch in einer digitalisierten Gesellschaft?

In vielen Ländern werden zunehmend Überwachungstechnologien eingesetzt, um die digitale Aktivitäten der Bürger*innen zu überwachen. In manchen Ländern (China) hat das schon extreme Ausmaße angenommen, aber auch der NSA Skandal, den Edward Snowden zur USA ans Licht brachte, hat uns natürlich alle geschockt. Es ist keinesfalls selbstverständlich, dass Grundrechte auf Privatsphäre auch in der digitalen Welt ausreichend geschützt bleiben. Und natürlich geht es dabei nicht nur um staatliche Kontrolle, sondern auch um die Datensammelei großer Konzerne, die aus Profitinteresse Nutzer:innen manipulieren und damit neue demokratische Probleme schaffen (z.B. zunehmende Radikalisierung).

Ob wir bereits in einem Überwachungsstaat leben, hängt natürlich von der Definition und dem historischen Vergleich ab. Für die Bundesrepublik Deutschland würde ich diese Schlussfolgerung aktuell nicht ziehen, noch gibt es Sicherheitsnetze im Grundgesetz, die vom Verfassungsgericht auch regelmäßig verteidigt werden, siehe Verbot der Vorratsdatenspeicherung. Sicher ist jedoch, dass digitale Überwachungstechnologien (Überwachungskameras, Internetüberwachung, Datenanalyse und Massenüberwachung von Kommunikation) eine zunehmend große Rolle spielen und auch in Deutschland seit Jahren Begehrlichkeiten von Sicherheitsbehörden und Innenministerium geäußert werden und immer wieder Gesetze verabschiedet werden, die verfassungswidrig sind.

Digitale Technologien und das Internet haben unsere Lebensweise stark verändert (und durchaus auch zum positiven!), und viele Aktivitäten hinterlassen digitale Spuren. Unternehmen und Regierungen sammeln und analysieren häufig diese Daten, um Informationen über Individuen und ihre Aktivitäten zu gewinnen.

Im Hinblick auf ihre Frage, ob es noch realistische Möglichkeiten gibt, ein freies Leben ohne diese digitalen Überwachungstechnologien zu führen, muss man bedenken, dass die Nutzung digitaler Technologien und das Vorhandensein von Überwachungsmethoden oft Hand in Hand gehen. Ob aktuelle Überwachungsfantasien in der geplanten KI-Verordnung, in der EU-Chatkontrolle-Verordnung, stetig wiederkehrende Debatten zu Vorratsdatenspeicherung und Hackbacks, die Erlaubnis zur Ausnutzung von Sicherheitslücken in IT-Systemen – sie alle stellen unverhältnismäßige Eingriffe in die Grundrechte der Betroffenen dar.

Es gibt jedoch einige Maßnahmen, die man persönlich ergreifen kann, um die eigene Privatsphäre zu schützen und das Ausmaß der Überwachung einzuschränken, z.B.:

  1. Die Verwendung von Verschlüsselungstechnologien: Durch die Verwendung von Verschlüsselung bei der Kommunikation können Inhalte vor unbefugtem Zugriff geschützt werden (z.B. OpenPGP).

  2. Die Nutzung von Anonymisierungsdiensten: Dienste wie Tor können dabei helfen, die eigene Identität und Aktivitäten im Internet zu verschleiern.

  3. Sensibilisierung und Aufklärung: Durch das Verständnis der Risiken und Herausforderungen im Bereich der digitalen Überwachung kann man bewusstere Entscheidungen treffen und sein Verhalten entsprechend anpassen. Oft kann man schon durch Einstellungen an Geräten und Verwendung zusätzlicher Werkzeuge (Cookie-Blocker) das Tracking reduzieren.

Natürlich bilden alle diese Maßnahmen keinen vollständigen Schutz vor Überwachung. Will man das Risiko ganz ausschließen, reicht es vermutlich nicht mal, selbst keine digitalen Dienste und Geräte zu verwenden, denn im öffentlichen Raum kann man z.B. auch von Dritten fotografiert werden und auf einem Foto in einem sozialen Netz landen, oder von Kameras im öffentlichen Raum dokumentiert werden, in machen Ländern gibt es davon extrem viele, z.B. in London/UK. Auf einer einsamen Insel im Meer hätte man zwar einen maximal hohen Schutz vor all diesen Phänomenen, nur ein normales Leben hat man dann auch nicht mehr. Aber ein durchschnittliches Leben ist nie risikofrei und am Ende ist alles immer eine Frage der Abwägung.

Letztendlich ist es auch eine gesellschaftliche Frage, wie wir mit der digitalen Überwachung umgehen wollen. Eine breitere Diskussion und politische Debatte über das Ausmaß der Überwachungspraktiken, die Weiterentwicklung der Datenschutzgesetze und die Gewährleistung der Bürgerrechte sind wichtig, um eine ausgewogene Lösung zu finden und die Freiheit der Bürger*innen zu schützen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass Anonymität eine Grundvoraussetzung für eine freiheitliche Demokratie mit selbstbestimmten Individuen ist, daher braucht es ihren Schutz. Dass sie da Grenzen haben muss, wo es schwerwiegende Konflikte mit anderen Grundrechten (Dritter) gibt, versteht sich von selbst

Deswegen setzen meine Kolleg*innen und ich uns in der Linksfraktion u.a. für folgende (politische) Forderungen ein:

  • Gegen jegliche Vorratsdatenspeicherung,
  • Eine umfassende Überwachungsgesamtrechnung,
  • Eine unabhängige Evaluation aller Überwachungsgesetze,
  • Verhinderung weiterer Überwachungsgesetze (z.B. die EU-Chatkontrolle),
  • Exportverbot von Überwachungstechnologie
  • Für ein Recht auf Privatsphäre, sichere Kommunikation und Verschlüsselung
  • Mehr Ressourcen für die Datenschutzbeauftragten und eine Geschäftsstelle,
  • Aufrechterhaltung des Prinzips der Datensparsamkeit,
  • Stärkung der parlamentarischen Kontrolle von Geheimdiensten,
  • Verbot personenbezogener Online-Werbung (das reduziert das Tracking),
  • Recht auf Offlinezugang zu öffentlichen Diensten – nicht nur aus Gründen der Datensparsamkeit , sondern auch aus Gründen der Barrierefreiheit
  • Das konsequente Verbot des Einsatzes von Staatstrojanern, keine Nutzung und Anschaffung von Zero Day Exploits oder eingebauten Backdoors
  • Konsequentes Verbot von automatisierter Gesichtserkennung

 

Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen ausreichend beantworten. Bei Rückfragen melden Sie sich gern noch einmal bei meinem Team unter anke.domscheit-berg@bundestag.de oder über das Frageformular bei abgeordnetenwatch.de.

Mit freundlichen Grüßen,

 

Anke Domscheit-Berg

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