Frage an Annalena Baerbock bezüglich Umwelt

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Annalena Baerbock
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Frage von Samuel K. •

Frage an Annalena Baerbock von Samuel K. bezüglich Umwelt

Sehr geehrte Frau Baerbock,

Sie hatten auf DLF am 14.12. in Kontrovers geäußert, dass die Verwendung von Margarine anstatt Butter ein möglicher Beitrag des Verbrauchers zum Klimaschutz sei. Welches sind die wissenschaftlichen Berechnungen, auf die Sie sich beziehen? Interessieren würde mich, welche Faktoren bei einer solchen Berechnung berücksichtigt werden. Ich verzichte seit Jahren bewusst auf Margarine, weil es mir bis jetzt nicht gelungen ist, ein Produkt zu finden, das frei vom Palmöl ist. Berücksichtigen die Berechnungen, auf die Sie sich beziehen, den Effekt auf den Klimawandel, der durch die massenhafte Abholzung des Regenwaldes für Palmölplantagen entsteht sowie durch den Transport des Palmöls im Vergleich zu Butter aus der Region? Bei der Palmölproduktion entstehen meines Wissens auch hoch toxische Substanzen, die häufig ungeklärt in die Gewässer abgelassen werden. Im Vergleich von Margarine mit Butter darf man meiner Meinung nach auch nicht nur auf die Klimabilanz schauen, sondern man sollte auch die sozialen Aspekte zumindest als weiteres Entscheidungskriterium für die Produktwahl mit erwähnen. Die Palmölplantagen verhindern eine nachhaltige Landwirtschaft und berauben somit die einheimischen Bauern und Forstwirte ihrer beruflichen Existenzgrundlage. Hier stehen Raubbau von Rohstoffen oder Agrarfläche durch westliche Konzerne gegen eine Ökonomie, bei der die Menschen des jeweiligen Landes an der Wertschöpfung beteiligt werden. Vermutlich ist bei dem Thema in einigen Länder auch Landgrapping noch ein Thema.
Gibt es eigentlich noch die durch Agrarsubventionen der EU verursachten "Butterberge" oder hat sich hier etwas geändert? Falls es immer noch eine durch EU-Subventionen verursachte Überproduktion geben sollte, hätte der Verbraucher durch sein Kaufverhalten ohnehin keinen Einfluss mehr auf die erzeugte Buttermenge. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir über diese Fragen Auskunft geben könnten.

Mit freundlichen Grüßen
Samuel Maria Karbe

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Karbe,

vielen Dank für Ihre konkrete Nachfrage und Ihr Interesse an meiner Arbeit.

Der im Deutschlandfunk gezogene Vergleich sollte, wie ich auch in der Sendung deutlich gemacht habe, ein plakatives Beispiel dafür sein, wie jede einzelne Verbraucherentscheidung den CO2-Ausstoß, Umweltschäden usw. beeinflusst. Ein anderes Beispiel wäre der Vergleich vor allem nationaler Flug- und Bahnreisen. Mein Ziel dabei ist es, Denkanstöße für einen bewussten Konsum zu geben. Wie ich im Deutschlandfunk ebenso deutlich gemacht habe, ist die Landwirtschaft und insbesondere die Viehhaltung global gesehen für den Treibhausgasausstoß ein maßgeblicher Faktor, der oft vernachlässigt wird.

Sie fragen konkret nach den wissenschaftlichen Berechnungen, auf die ich mich beziehe. Dazu will ich gerne Auskunft geben: Die Daten stammen aus dem GEMIS-Projekt des Internationalen Instituts für Nachhaltigkeitsanalysen und -strategien (IINAS) mit Sitz in Darmstadt. In diese Berechnungen fließt eine ausführliche Prozesskette ein. So finden sowohl die Diät der Tiere (Sojaschrot, Mais-Silage,…) als auch der Treibhausgasausstoß der Kühe als solcher und beispielsweise der Energieverbrauch für Transporte und Kühlung Berücksichtigung. Treibhausgasemissionen aus Rodung finden jedoch keinen Eingang in die Berechnungen.

Diesbezüglich haben jedoch Nilsson et al (2010) in ihrer Studie „Comparative life cycle assessment of margarine and butter consumed in the UK, Germany and France” festgestellt, dass Margarinen “nur” ungefähr die Hälfte des Landverbrauchs von Butterprodukten haben. Auch hierbei wäre Margarine also leicht im Vorteil. Denn was oft vergessen wird: Die Futtermittelherstellung für Tiere, insbesondere Kühe, geht ebenfalls mit massiver Entwaldung einher.

Die vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit sowie der Europäischen Union geförderte Gesellschaft co2online hat die Zahlen des IINAS aufbereitet: So stecken in einem Kilo Butter 23.800 g CO2, in der Margarine „nur“ 1.350 g. Nach Berechnungen des Thünen-Instituts (http://literatur.vti.bund.de/digbib_extern/bitv/dn046465.pdf) stecken in Butter sogar rund 25kg CO2/kg, in Margarine rund 750g/kg.

Zu Ihrer Bemerkung ob der Erhältlichkeit von Margarineprodukten ohne Palmöl: Solche sind mittlerweile, wenn auch in sehr geringer Zahl, im Handel zu finden. Aus Neutralitätsgründen möchte ich keine Empfehlungen für ein bestimmtes Produkt aussprechen. Das Portal „utopia.de“ listet jedoch einige palmölfreie Margarinen auf (http://www.utopia.de/produktguide/essen-trinken-39/palmoelfreie-margarine).

Die von Ihnen angesprochene Problematik der Butterberge existiert so nicht mehr. Die sogenannten „Butterberge“ und „Milchseen“ waren mit der alten Preisstützungspolitik vor der Einführung der Milchquote 1984 verbunden. Die Milchquote wurde nach 30 Jahren im April 2015 abgeschafft. Seitdem haben wir einen weitgehend unregulierten Markt. Zwar haben wir augenblicklich eine massive Überproduktion, diese liegt aber u.a. in den Marktkräften und der falschen Milchpolitik der vergangenen Jahre begründet. Wir Grünen setzen uns für eine Milchmengenregulierung ein, d.h. auch für eine Mengenreduzierung um höhere Erzeugerpreise zu realisieren.

Abschließend gilt natürlich: Wenn eine Verbraucherin oder ein Verbraucher den ökologischen Aspekt eines Produkts in die Kaufentscheidung einbezieht, sollte natürlich im Idealfall die gesamte Produktionskette betrachtet werden – auch wenn das meist kaum möglich ist. Bei der Kaufentscheidung jedes und jeder Einzelnen geht es jedoch natürlich um verschiedenste Aspekte wie den auch von Ihnen völlig zu Recht angesprochenen sozialen Aspekt. Ob in dieser Hinsicht jedoch eine Palmölplantage in Indonesien oder eine Sojaplantage in Brasilien sozial verträglicher ist, wage ich nicht zu beurteilen.

Wir Grünen setzen uns nach wie vor für eine bäuerliche Landwirtschaft - auch im Ausland – ein, die den Bauern ein vernünftiges Auskommen ermöglicht. Jeder einzelne Verbraucher und jede einzelne Verbraucherin kann dazu einen Teil leisten und beispielsweise fair gehandelte, regionale, saisonale und ökologische Produkte beim Kauf bevorzugen.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Annalena Baerbock

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