Sehr geehrte Frau Klose, im Rahmen der Debatte zur Situation von ME/CFS-Betroffenen am 19. Januar 2023: Warum ist die Versorgungslage von Menschen mit ME/CFS nach wie vor so katastrophal?

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Frage von Robert K. •

Sehr geehrte Frau Klose, im Rahmen der Debatte zur Situation von ME/CFS-Betroffenen am 19. Januar 2023: Warum ist die Versorgungslage von Menschen mit ME/CFS nach wie vor so katastrophal?

Sehr geehrte Frau Klose,
die Lage von an ME/CFS erkrankten Menschen in Deutschland ist nach wie vor katastrophal. Es ist keine medizinische Infrastruktur zur Diagnostik und Behandlung von Patienten vorhanden; lediglich wenige Ambulanzen am Beispiel der Charité ermöglichen wegen Personalmangels eine EINMALIGE Vorstellung, und dies auch nur für Patienten aus der Region Berlin Brandenburg (https://cfc.charite.de/fuer_patienten/). Die weitere Betreuung muss durch Hausärzte erfolgen, diese sind keine Fachärzte und in den seltensten Fällen über die Krankheit informiert. Es werden nach wie vor auch von offizieller Seite, wie in der aktuellen Stellungnahme zu ME/CFS des IQWiG, wissenschaftlich überholte und schädliche Therapiekonzepte wie CBT und GET empfohlen (https://www.iqwig.de/projekte/n21-01.html). Dies muss sich dringend ändern. Bitte beziehen Sie am 19. Januar im Rahmen der Debatte zum Antrag der CDU/CSU Stellung zur aktuellen Versorgungslage in Deutschland.

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Sehr geehrte Herr K.,

zunächst möchte ich mich für Ihre Nachricht zu diesem enorm wichtigen Thema bedanken.

Ich sowie die gesamte SPD-Bundestagsfraktion sind sich dem langwierigen Leidensweg der Betroffenen sowie Angehörigen, bis sie zu dieser niederschmetternden Diagnose gelangen, bewusst. Sie können sich sicher sein, dass wir Ihre Sorgen und Anliegen sehr ernst nehmen. Das ist auch der Grund, warum die Bundesministerien für Gesundheit (BMG) sowie Bildung & Forschung (BMBF) bereits in enger Abstimmung mit uns im Parlament zahlreiche Maßnahmen auf den Weg gebracht haben.

Der Stand der Forschung zu ME/CFS ist derzeit leider noch unbefriedigend. Die konkreten Ursachen der Erkrankung sind  noch nicht im Detail bekannt, da es sich um ein sehr vielfältiges Krankheitsbild handelt. Grundlagenforschung ist daher das Gebot der Stunde, um Anhaltspunkte für die Entwicklung einheitlicher Diagnosekriterien und wirksamer Therapieansätze zu finden. Das BMBF fördert deshalb bereits die Etablierung der Nationalen Klinischen Studiengruppe „Post-Covid Syndrom und ME/CFS“ zur Durchführung von klinischen Phase II-Studien mit insgesamt zehn Millionen Euro bis Ende 2023. Das Ziel dieser Studie ist es, die Wirkung von bereits zugelassenen Medikamenten zu erforschen, um diese dann schnellstmöglich breiter bei der Versorgung von Betroffenen einzusetzen.

Das BMG wiederum fördert im Rahmen seiner Ressortforschung derzeit einen Verbund zwischen des Klinikums der TU München und der Charité Berlin. Hierbei soll ein altersübergreifendes klinisches Register mit einer Biodatenbank aufgebaut werden. Die durch das Register gewonnenen Daten werden explizit auch Patient:innenmit ME/CFS nach einer COVID-19-Infektion erfassen.

Die Koordinierung der Forschungsanstrengungen erfolgt dabei über einen gemeinsamen Arbeitsstab von BMG und BMBF, wobei auch hier Erkenntnisse aus der ganzen Welt mitberücksichtigt werden. Darüber hinaus hat das BMG das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bereits im März 2021 damit beauftragt, den aktuellen Wissenstand zu ME/CFS systematisch aufzuarbeiten. Ein abschließender Bericht wird im Juni diesen Jahres erwartet. Dieser Bericht soll grundlegend für den weiteren Ausbau der bereits laufenden Aufklärungskampagnen sein, da hierdurch eine noch validere Grundlage zu schaffen.

Im Koalitionsvertrag haben wir uns zudem auf die Schaffung eines deutschlandweiten Netzwerks von Kompetenzzentren und interdisziplinären Ambulanzen für Long-COVID- und ME/CFS-Betroffene beschlossen. Hier laufen bereits die Vorbereitungen für die Umsetzung dieser Maßnahme.

Des Weiteren haben bereits Akteur:innen der Zivilgesellschaft und des Gesundheitswesens Anlaufstellen für betroffene Menschen und ihre Angehörigen identifiziert und veröffentlicht. So zum Beispiel das Fatigue Centrum der Charité Berlin oder auch bundesweit das Netz von Long-Covid-Ambulanzen.

Für die Verbesserung und Ausweitung der Versorgungssituation haben wir im Dezember 2022 im Bundestag beschlossen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bis zum 31.12.2023 eine Richtlinie für eine berufsgruppenübergreifende koordinierte und strukturierte Versorgung für Personen mit Long-/Post-COVID erstellen soll. Der G-BA ist das höchste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung des Gesundheitswesens. Bei der Erarbeitung dieser Richtlinie besitzt der G-BA die Möglichkeit, den Anwendungsbereich auch auf weitere ähnliche Krankheitsbilder, wie zum Beispiel ME/CFS, zu erweitern.

Abschließend möchte ich betonen, dass ich insbesondere die geplanten bzw. bereits beschlossenen Maßnahmen für absolut notwendig halte. Mir sowie der gesamten SPD-Bundestagsfraktion ist dabei bewusst, dass die Forschungs- und Versorgungslage für die betroffenen Menschen und ihre Angehörigen bei weitem nicht zufriedenstellend ist. Wir werden weiterhin die weitere Forschung sowie entsprechende folgende Maßnahmen finanziell unterstützen, um die Versorgungslage der Betroffenen und Angehörigen nachhaltig zu verbessern.

In diesem Zusammenhang bin ich Ihnen sehr für Ihre Fragen und Anmerkungen dankbar, da dies ein elementar wichtiger Bestandteil unserer Demokratie ist. Ich hoffe, ich konnte Ihre Anfrage beantworten und zeigen, was bereits passiert, aber auch geplant ist, um die Versorgungssituation bei ME/CFS zu verbessern.

Mit freundlichen Grüßen
Annika Klose

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