Frage an Astrid Rothe-Beinlich bezüglich Staat und Verwaltung

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Astrid Rothe-Beinlich
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Wolf J. •

Frage an Astrid Rothe-Beinlich von Wolf J. bezüglich Staat und Verwaltung

Sehr geehrte Frau Rothe - Beinlich,
warum wird der Vorschlag des MP Ramelow betr. der Lockerungsmaßnahmen (obwohl verständlich erklärt) so scharf von vielen Politikern (M.Söder) u.a. auch von den Grünen kritisiert und auf der anderen Seite will die Bundesregierung die Reisen in die EU zeitgleich ermöglichen. Und diese Maßnahme wird wohl für gut befunden? Man kann doch nicht ernsthaft glauben, dass Länder wie Italien, Griechenland usw. dauerhaft die erforderlichen Hygienemaßnahmen durchführen werden. Was sagen Sie dazu.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Wolf

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr W.,

zunächst danke für Ihre Zuschrift und die Frage.

Nun war ich gerade niemand, der/die die Aussagen von Ramelow grundsätzlich verdammt hat. Fakt ist, die Corona-Pandemie stellt uns alle vor eine völlig neue Situation. Es gibt viele Expert*innen und noch mehr Meinungen - doch weiß niemand genau, was noch auf uns zukommt. In Thüringen konnten wir mit einem konsequenten Lockdown die Infektionsraten und glücklicherweise auch die Sterbefälle niedrig halten. Die meisten Menschen haben den Ernst der Lage erkannt und entsprechend gehandelt. 

Leider mussten sehr viele Menschen in den letzten Wochen mit starken Einschränkungen ihres gewohnten Alltags leben. Für etliche war und ist
die Krise existenziell. Und gerade Familien mussten und müssen Vielfachbelastungen schultern. Zur Arbeit und zu Existenzsorgen kamen die ganztägige Kinderbetreuung, das Homeschooling und die Sorge um Ältere und Kranke. Kleine und mittelständische Unternehmen konnten zwar
Soforthilfen beantragen, das konnte aber nicht alle Lasten nehmen. Hinzu kamen gefühlt und teilweise auch real neue Ungerechtigkeiten. Einige
Berufsgruppen galten als systemrelevant und andere nicht. Es kam in der Folge zu einem schwer zu überblickenden Regelungsflickenteppich, der viele Bürger*innen vor große Probleme stellte. Mit entsprechenden Nachbesserungen wollten auch wir als regierungstragende Fraktionen allen Betroffenen helfen und trotz aller Einschränkungen für ein verträgliches Leben mit dem Virus sorgen. An oberster Stelle stand und steht jedoch der Gesundheitsschutz und natürlich ging es immer auch darum, die Freiheits- und Bürger*innenrechte nicht aus dem Blick zu verlieren.

Die derzeitige Entwicklung der Infektionszahlen und die Anzahl der Infizierten zeigen uns, das wir in Thüringen an einem Wendepunkt stehen, der es uns nicht nur erlaubt, sondern auch vorgibt, die Maßnahmen zu lockern. Hinzu kamen diverse Urteile, nicht zuletzt zur sofortigen Öffnung der Fitnessstudios, die neue Fakten geschaffen haben. Für uns ist zum Beispiel klar, dass es für den Regelbetrieb von Schulen und Kindergärten auch die Sicherheit braucht, dass das pädagogische Personal regelmäßig und fächendeckend getestet wird. Auch muss überlegt werden, wie Risikogruppen dauerhaft und verlässlich im Alltag geschützt werden können.

Das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen in Geschäften und im ÖPNV halte ich - genauso wie das Abstandsgebot - auch weiterhin für richtig. Und ich erlebe in meinem Alltag auch, dass sich eigentlich auch fast alle ohne Murren daran halten.

Ich bin davon überzeugt, dass die überwiegende Mehrheit der hier lebenden Menschen grundsätzlich versteht, dass gegenseitige Rücksichtnahme und Abstand wichtig sind. Auch sind mir als Bürgerrechtlerin sind Gebote in der Regel eingängiger als Verbote. Zudem gehe ich davon aus, dass niemand einen zweiten Lockdown wollen kann und sich hoffentlich entsprechend verhalten wird.

Nun zur Frage der Reisen:

Wir sprechen keine Empfehlung aus, ob jemand ins Ausland reisen darf/soll/kann. Das muss jede und jeder für sich selbst entscheiden. Wir sind für offene Grenzen, wie wir das in Europa gewohnt sind und wissen um die landestypischen Unterschiede. Wir würden anderen Ländern allerdings auch nicht pauschal absprechen, Hygieneregeln einhalten zu können. Das liegt eher am Handeln von Individuen und diese agieren bekanntlich auch bei uns sehr unterschiedlich. Wir sehen den Schwerpunkt für Reisen aktuell eher im Inlandstourismus, da wir davon ausgehen, dass die Bürger*innen in einer fragilen Situation eher im eigenen Land Urlaub machen werden. Und da gibt es genug Handlungsbedarf:
https://www.gruene-bundestag.de/presse/pressemitteilungen/sommerurlaub-in-deutschland-bedarf-aussergewoehnlicher-organisation

Nachhaltiger Tourismus und Besucher*innenentzerrung gilt natürlich auch für europäische Hotspots, das haben wir auch vor Corona schon gefordert. Stichpunkt Venedig, Barcelona, Lissabon....

Ich hoffe, Ihre Fragen damit beantwortet zu haben

Mit freundlichen Grüßen
Astrid Rothe-Beinlich

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