Wieso wird nicht in die Phase 2 klinische Studie des vielversprechenden Medikaments BC007 investiert? Wir sind ca. 1 Millionen autoimmun an Long Covid Erkrankte und es gibt bisher KEINE Medikamente!

Ates Gürpinar
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DIE LINKE
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Frage von Mareike M. •

Wieso wird nicht in die Phase 2 klinische Studie des vielversprechenden Medikaments BC007 investiert? Wir sind ca. 1 Millionen autoimmun an Long Covid Erkrankte und es gibt bisher KEINE Medikamente!

Dieses Medikament ist von außerordentlicher Bedeutung. Mein Mann erhielt eine Immunadsorption an einer Uniklinik und war daraufhin 10 Wochen komplett symptomfrei (!), vorher und jetzt großteils bettlägerig. BC007 macht dasselbe wie die Blutwäsche Immunadsorption, nur besser, risikoärmer und günstiger. BC007 bindet die Autoantikörper, auch jene welche schon an den Zellen angedockt haben. Zudem scheint es einen nachhaltigen Effekt zu haben, da 3 der 4 Probanden aus den Heilversuchen aus der UK Erlangen immernoch symptomfrei sind. Das Nebenwirkungsprofil ist ebenfalls günstig (vorangegangene Studien zu Kardiomyopathie seit 2015). Long Covid wird immer noch schwer unterschätzt, viele Verläufe chronifizieren sich. Zudem entsteht durch die schiere Menge an Betroffenen ein immenser wirtsch. Schaden. Es gibt bisher keine sehr aussichtsreichen Medikamentenkandidaten im internationalen Raum für Long Covid, außer BC007. Ohne finanz. Unterstützung kann es immernoch nicht in die Studie starten.

Ates Gürpinar
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DIE LINKE

Sehr geehrte Frau M.,

vielen Dank für Ihre Frage. Das Thema Long Covid, da bin ich ganz bei Ihnen, wird immer noch unterschätzt, im Hinblick auf die volkswirtschaftlichen Auswirkungen, aber vor allem auf die individuellen Konsequenzen für Betroffene. Es ist unabdingbar, dass wir sowohl einen medizinischen wie gesellschaftlichen Umgang mit Long Covid finden, der es den Erkrankten ermöglicht wieder normal am Leben teilzuhaben.

Zu Ihren allgemeineren Fragen Long Covid betreffend möchte ich auf den Antrag der LINKEN "Auf sich verändernden Pandemieverlauf vorbereiten – Maßnahmenplan vorlegen" (https://www.linksfraktion.de/parlament/parlamentarische-initiativen/detail/auf-sich-veraendernden-pandemieverlauf-im-winter-vorbereiten-massnahmenplan-vorlegen/) verweisen, in dem wir weitreichende Unterstützung für Long Covid-Erkrankte fordern.

Das Medikament BC007 verspricht nach gegenwärtigem Erkenntnisstand tatsächlich die größten Chancen für Betroffene. Zum Fortschreiten der medizinischen Studien habe ich bereits im Juli das Gesundheitsministerium befragt, die Antwort können Sie hier einsehen: https://dserver.bundestag.de/btp/20/20046.pdf#P.4815 . Wenn sich die Effekte mit den bisherigen vier Proband*innen in den folgenden Phase-II-Studien bestätigen würden, wäre das tatsächlich großartig. Klar ist das noch nicht, da mit Versuchen an nur vier Proband*innen selbstverständlich noch keine validen Aussagen zu Wirkungen und Nebenwirkungen dieses Wirkstoffes getroffen werden können.

Berlin Cures, das Unternehmen mit dem Patent für BC007, hat neben dem Interesse an der Heilung Erkrankter natürlich auch ein wirtschaftliches Interesse daran, das Medikament schnellstmöglich auf den Markt bringen zu dürfen. Dementsprechend hat das Unternehmen auch einen ambitionierten Zeitplan für die Zulassung veröffentlicht, präziser: für eine Notfallzulassung bzw. bedingte Zulassung. Laut https://www.berlincures.com/en/bc-007-pipeline sollen Anfang 2023 die randomisierten und verblindeten Phase-II-Studien beginnen und bis etwa Mitte 2024 abgeschlossen sein. Falls sich darin herausgestellt haben wird, dass das Medikament sicher ist und einen Nutzen hat, dann steht einer sehr raschen Zulassung nichts im Weg. Eine beschleunigte Zulassung würde dann sicher auch von uns unterstützt. Dass das gewählte Verfahren von Berlin Cures zeitlich sehr gestrafft und ambitioniert ist, sehen sie ja auch in dem in der Grafik darunter abgebildeten Verfahren mit demselben Wirkstoff für die Indikation Herzversagen. Dieses Verfahren hat 4,5 Jahre früher begonnen und wird dennoch erst später beendet sein.

So, wie derzeit gewinnorientierte Arzneimittelforschung rechtlich organisiert ist, ist es kaum vertretbar oder durchführbar, mit öffentlichen Mitteln die Zulassungsstudien zu finanzieren. Denn die im Falle einer Zulassung erwartbaren und in diesem Fall obendrein hohen Gewinne macht alleine das Unternehmen. Die Kosten zu vergesellschaften, aber die Gewinne zu privatisieren, das ist kein Vorgehen, das DIE LINKE unterstützt. Dies ist im Übrigen bei den COVID-19-Impfstoffen auch zurecht kritisiert worden. Die Politik hat hier derzeit also nur sehr begrenzte Eingriffsmöglichkeiten.

Was wir aber schon seit vielen Jahren jedes Jahr in den Haushaltsberatungen des Bundes vorschlagen, um die Entwicklung benötigter Medikamente oder auch anderer Heilverfahren zu unterstützen und schnell zu realisieren, ist die Förderung der nichtkommerziellen Pharma- und Methodenforschung mit 2 Mrd. Euro jährlich. Damit hätten die staatlichen Stellen eine Möglichkeit, darauf hinzuwirken, dass beforscht wird, was für die öffentliche Gesundheit wirklich notwendig ist. Wir fordern in diesem Sinne einen Paradigmenwechsel und den Einstieg in eine staatliche Gesundheitsforschung, die pharmazeutische und auch nichtpharmazeutische Therapieoptionen in den Blick nimmt und die geistigen Eigentumsrechte in öffentlicher Hand behält. Dies ist übrigens auch wichtig für die Versorgung im globalen Süden, da hier neue patentgeschützte Medikamente oft unerreichbar teuer sind.

Ihrem Mann und Ihnen wünsche ich alles Gute und viel Kraft, mit freundlichen Grüßen

Ates Gürpinar

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