Wie möchten Sie die Ambitionslücke im Klimaschutzgesetz schließen (zwischen erlaubtem THG Ausstoß bis 2045 und Überschreitung der 1,5-Grad-Grenze des Pariser Abkommens bis 2030)?

Portrait von Bärbel Bas
Bärbel Bas
SPD
99 %
404 / 407 Fragen beantwortet
Frage von Alexander K. •

Wie möchten Sie die Ambitionslücke im Klimaschutzgesetz schließen (zwischen erlaubtem THG Ausstoß bis 2045 und Überschreitung der 1,5-Grad-Grenze des Pariser Abkommens bis 2030)?

Sehr geehrte Frau Bas,

nach der Sommerpause soll der Bundestag noch über die Entkernung des Klimaschutzgesetzes abstimmen. In der neuen Vorlage geht es u.a. um die Aufhebung der jährlichen Sektorenziele.
Wie soll Ihrer Meinung nach das 1,5 Grad Limit von Paris, dem Ihre Partei ja auch zugestimmt hat, eingehalten werden, wenn

a) das künftige KSG noch weicher formuliert wird als das aktuelle KSG
und
b) das aktuelle KSG schon nicht ausreicht, weil es noch bis 2045 erlaubt Treibhausgase auszustoßen, während wir die maximalen 1,5 Grad wahrscheinlich bis 2030 überschreiten werden?

https://www.mcc-berlin.net/forschung/co2-budget.html

Portrait von Bärbel Bas
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr K.

vielen Dank für Ihre Frage. Meine Reise nach Spitzbergen und der Besuch des dort ansässigen norwegischen Polarinstituts, sowie der Forschungsbasis AWIPEV des deutschen Alfred-Wegner-Instituts für Polar- und Meeresforschung in diesem Frühjahr haben mir noch einmal verdeutlicht, wie massiv der Klimawandel unsere Ökosysteme und die Artenvielfalt von Tieren und Pflanzen gefährdet. Wir sind uns daher einig, dass wir die Klimaschutzziele, zu denen sich Deutschland verpflichtet hat, erreichen müssen.

Mit dem Klimaschutzgesetz regeln wir verbindlich, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral wird. Die SPD hat das Klimaschutzgesetz hart gegen den Widerstand von CDU/CSU in der letzten Großen Koalition erkämpft. Darauf sind wir sehr stolz. Bereits im Ampel-Koalitionsvertrag haben wir eine Weiterentwicklung des Gesetzes angelegt. Im jetzt anstehenden parlamentarischen Verfahren werden wir das Gesetz sorgfältig beraten.

Wichtig ist, dass durch die Reform des Klimaschutzgesetzes nicht eine Tonne mehr CO2 ausgestoßen wird als nach dem bisherigen Gesetz. Die Gesamtemissionsmenge bleibt unverändert. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass eine mehrjährige und sektorübergreifende Gesamtrechnung ausschlaggebend sein soll. Dabei bleibt die Betrachtung der einzelnen Sektoren natürlich erhalten. In der nun anstehenden Diskussion wird es wichtig werden, dass eine Regelung gefunden wird, die den Druck zum Handeln auf die Bundesregierung aufrechterhält, falls sich abzeichnen sollte, dass die Ziele verfehlt werden sollten. Ein Aufweichen der Klimaziele wird es mit der SPD-Fraktion nicht geben.

In der Debatte zu den Sektorzielen müssen wir beachten, dass die Pflicht bei Zielverfehlung jährlich neue Programme in einzelnen Sektoren aufzulegen, nicht automatisch zur Einhaltung unserer Klimaziele führt. Insbesondere im Gebäude- und Verkehrsbereich sind neben kurzfristigen Maßnahmen insbesondere auch mehrjährige Programme erforderlich, die erst im Laufe der Jahre ihre Wirkung entfalten können. Deshalb wollen wir das Klimaschutzgesetz weiterentwickeln und besser machen.

Im Gesetzentwurf der Bundesregierung ist vorgesehen, dass die Bundesregierung bereits im ersten Jahr einer Legislaturperiode ein umfassendes sektorübergreifendes Klimaschutzprogramm beschließen muss. Grundlage bleibt wie bisher ein jährliches Monitoring der Emissionsentwicklung für die einzelnen Sektoren. Um besser als bisher überprüfen zu können, ob wir uns auf dem richtigen Kurs zur Erreichung der Klimaziele befinden, betrachten wir in Zukunft nicht nur die Vorjahresemissionen, sondern auch die Prognose für die zukünftige Emissionsentwicklung. Das bedeutet: Mit den Emissionsdaten des Vorjahres wird in Zukunft auch die prognostizierte Emissionsentwicklung für die Jahre bis 2030 und mit Blick auf 2035, 2040 und 2045 dargestellt. Es wird für jeden Sektor geprüft, ob die CO2-Minderung ausreicht, um die Ziele zu erreichen.

Wenn das Gesamtziel aller Sektoren künftig zwei Jahre in Folge überschritten wird, ist die Bundesregierung gemäß dem Gesetzentwurf verpflichtet, Maßnahmen zu beschließen, die sicherstellen, dass das Klimaziel für 2030 erreicht wird. Dazu müssen weiterhin gerade jene Sektoren beitragen, die Ziele verfehlen. Damit sich sowohl einzelne Ministerien als auch die gesamte Bundesregierung zukünftig nicht aus der Verantwortung schleichen kann, kommt es uns hierbei auf eine hohe Verbindlichkeit an.

Ich kann Ihnen versichern, dass wir bei dem nun anstehenden Gesetzgebungsverfahren genau darauf achten werden, dass das von uns auf den Weg gebrachte Klimaschutzgesetz nicht verwässert, sondern sogar besser als bisher wird.

Gerne füge ich Ihnen im Folgenden auch die entsprechende Passage aus der Einigung des Koalitionsausschusses (Seite 2-3) bei, sodass Sie nachvollziehen können, auf welcher Grundlage meine Antwort beruht:   

„Die Novelle des Klimaschutzgesetzes wird insbesondere folgende Punkte beinhalten:

1. Künftig wird die Bundesregierung im ersten Jahr einer Legislaturperiode ein umfassendes sektorübergreifendes Klimaschutzprogramm beschließen, um das Erreichen der Klimaziele sicherzustellen. Dabei liegt der Fokus auf einer langfristig wirksamen, ökonomisch vernünftigen und sozial gerechten Transformation.

2. Die Bundesregierung wird weiterhin das jährliche Monitoring der Emissionsentwicklung vorlegen. Darin wird für jeden Sektor die erreichte Minderung transparent aufgeführt. Mit den Emissionsdaten des Vorjahres werden in Zukunft die prognostizierte Emissionsentwicklung für die Jahre bis 2030 und mit Blick auf 2035, 2040 und 2045 dargestellt. Das Vorjahresergebnis wird dahingehend bewertet, ob die zur Zielerreichung benötigte Minderungsmenge für jeden Sektor erreicht werden wird.

3. Zukünftig werden alle Sektoren aggregiert betrachtet. Wenn die Projektionsdaten in zwei aufeinanderfolgenden Jahren zeigen, dass mit den aggregierten Jahresemissionen bis zum Jahr 2030 das Gesamtminderungsziel nicht erreicht wird, wird die Bundesregierung auf Basis der Vorschläge der maßgeblich für die Minderungsmengen der Sektoren verantwortlichen Bundesministerien Maßnahmen beschließen, die sicherstellen, dass das Minderungsziel bis 2030 dennoch erreicht wird. Alle für die Sektoren verantwortlichen Bundesministerien, insbesondere jene, in deren Zuständigkeitsbereich die Sektoren liegen, die die Zielverfehlung verursacht haben, haben zu den Maßnahmen der Minderung beizutragen.

4. Damit das Ziel der Netto-Treibhausgasneutralität im Jahr 2045 erreicht werden kann, werden zum Ausgleich unvermeidbarer Emissionen natürliche Senken und technische Senken wie Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (BECCS) oder direkte CO2-Abscheidung aus der Luft und anschließende Speicherung (DACCS) eine Rolle spielen. Die Bundesregierung wird für die Jahre 2035, 2040 und 2045 ein Ziel für Negativemissionen festlegen. Dies wird erstmalig im Jahr 2024 auf Basis der im Koalitionsvertrag für dieses Jahr vorgesehenen Langfriststrategie zum Umgang mit unvermeidbaren Restemissionen geschehen.“

Was Ihre Frage betrifft, ob unsere Bemühungen ausreichen: Berechnungen für den diesjährigen Projektionsbericht zeigen: Seit dem Jahr 2021 gibt es deutliche Fortschritte in der Klimaschutzpolitik. Die Klimaschutzlücke, also die kumulierte Emissionsverfehlung bis 2030, betrug zu Beginn dieser Legislaturperiode über 1.100 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Durch Umsetzung aller seither bereits beschlossenen Maßnahmen sinkt die Klimaschutzlücke um 70 Prozent. Berücksichtigt man auch die politisch vereinbarten Maßnahmen, verkleinert sich die Klimaschutzlücke bis 2030 auf etwa 200 Millionen Tonnen – also um bis zu 80 Prozent. Das heißt, 70 Prozent aller Emissionen, die es bis Ende des Jahrzehnts zu verringern gilt, sind schon heute mit umgesetzten Maßnahmen unterlegt. Für weitere zehn Prozent sind Maßnahmen politisch vereinbart, die jetzt konsequent umgesetzt werden müssen. Die Ampel-Koalition ist unserem gemeinsamen Ziel damit entscheidend näher gekommen. Ich bin sicher, dass auch die noch bestehende Lücke geschlossen wird. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Novelle des Klimaschutzgesetzes ist vorgesehen, dass die Rolle des Expertenrates gestärkt wird. Dieser Expertenrat soll beispielsweise ein Mandat erhalten, um eigene Vorschläge zur Weiterentwicklung von Klimaschutzmaßnahmen einzubringen.

Bei weiteren Fragen zum Thema Energie bzw. Energiehilfen empfehle ich Ihnen auch, sich an den für Umwelt, Klimaschutz, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zuständigen stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion Dr. Matthias Miersch oder die Vorsitzende der Arbeitsgruppe Klimaschutz und Energie der SPD-Bundestagsfraktion Dr. Nina Scheer zu wenden.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass Sie selbstverständlich die Möglichkeit haben, auch auf direktem Weg mit dem Deutschen Bundestag, seinen Abgeordneten oder mir Kontakt aufzunehmen. Zum Beispiel über: https://www.bundestag.de.

Mit freundlichen Grüßen

Bärbel Bas

 

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Bärbel Bas
Bärbel Bas
SPD