Frage an Bärbel Höhn bezüglich Wirtschaft

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Bärbel Höhn
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage an Bärbel Höhn von Konrad S. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Höhn,

Ihre Partei ist der Auffassung, dass Wirtschaftswachstum Grenzen gesetzt sind, und versteht sich selbst als wachstumskritisch (Vgl. http://www.gruene.de/einzelansicht/artikel/sind-die-grenzen-des-wachstums-erreicht.html?tx_ttnews%5BbackPid%5D=212 ).

Trotzdem will Ihre Partei in die Wirtschaft und daher auch in Wirtschaftswachstum investieren (Vgl.http://www.gruene.de/einzelansicht/artikel/wirtschaftsfoerderung-die-wirkt.html?tx_ttnews%5BbackPid%5D=212 ).

Daher meine Frage: Inwiefern führt für Sie wirtschaftliches Wachstum zu Wohlstand (auch nicht materiellen)? Wann ist Wirtschaftswachstum für die Grünen positiv und wünschenswert und wann stehen die Grünen Wirtschaftswachstum ablehnend gegenüber? Wollen die Grünen vom Wachstum loskommen, und wenn ja, wie gedenken Sie die daraus resultierenden Probleme, die Ihre Partei in der ersten angegebenen Quelle nennt, zu bewältigen?

Mit freundlichen Grüßen
Konrad Schröder

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Schröder,

vielen Dank für Ihre Fragen zum Wirtschaftswachstum, die ich gerne beantworte. Weltweite Herausforderungen wie der Klimawandel und das Artensterben sowie knapper werdende Ressourcen, wie zum Beispiel Erdöl, das immer aufwendiger und unter größerem Risiko gefördert werden muss - wie die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko zeigte -, machen deutlich, dass wir ein anderes Wirtschaften brauchen. Notwendig ist eine Transformation hin zu einem CO2-armen Wirtschaften, bei dem Ressourcenverbrauch und Wirtschaftswachstum entkoppelt sind.
Für uns Grüne geht es bei der Frage um Wachstum nicht um das Weniger oder Mehr, sondern um das Besser. Nicht nur wir Grüne, sondern immer mehr Bürgerinnen und Bürger haben Zweifel daran, dass die Gleichung Wachstum gleich Wohlstand gleich Lebensqualität noch aufgeht. Wir brauchen deshalb eine andere Bewertung von Wachstum. Der Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum, gesellschaftlicher Wohlfahrt, sozialem Fortschritt, nachhaltiger Entwicklung und dem Erhalt der biologischen Vielfalt muss hinterfragt werden. Die international übliche Wachstumsmessung mit dem Bruttoinlandsprodukt (BiP) misst weder die Nachhaltigkeit wirtschaftlicher Aktivitäten, noch deren Auswirkungen auf das Klima und die biologische Vielfalt, und es bildet nicht die sozialen Folgen des quantitativen Wirtschaftswachstums ab. Das BiP ist deshalb keine geeignete Grundlage für notwendige politische Entscheidungen um den Wandel zu beschleunigen und auch unzureichend, um den Fortschritt des Transformationsprozesses in eine ökologische Wirtschaft abzubilden. Wachstum als alleiniger Indikator für Wohlstand ist überholt. Die Messung des Fortschritts in einer Welt im Wandel bedarf neuer Indikatoren. Deshalb haben wir die anderen Fraktionen im Bundestag davon überzeugt, dass eine breite Diskussion des Themas Wachstums notwendig ist. Seit dem 17. Januar diesen Jahres gibt es die Enquete-Kommission: "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität - Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft". Insgesamt 17 Abgeordnete und 17 Sachverständige beschäftigen bis zum Ende der Wahlperiode mit dem Stellenwert von Wachstum, der Suche nach einem neuen Indikator und der Frage der Ressourcenentkopplung. Die Sitzungen der Enquete-Kommission sind übrigens öffentlich.
In der Enquete wollen wir Grüne klären, wie Wohlstand ohne oder mit geringen Wachstum aussehen könnte, wie wir dieses mehr an Wohlstand messen und mit welchen Instrumenten wir den ökologischen Wandel beschleunigen können. Ich möchte Ihre Fragen deshalb etwas auf den Kopf gestellt beantworten: Die Ressourcenverknappung und der Klimawandel sind Fakten, an denen wir nicht vorbeikommen und auf die wir uns einstellen müssen. Noch ist Zeit dazu. Ob eine ressourcensparende Gesellschaft im Sinne des BIP noch wachsen wird, wird sich zeigen. Wir haben lernen müssen, dass das Wachstum in Industrieländern über die Jahre gesehen eher gering ausfällt. In Deutschland, wo die Bevölkerung schrumpft, wird das noch eher der Fall sein. Unsere sozialen Sicherungssysteme sind aber auf Wachstum angewiesen. Darauf müssen wir Antworten finden.
Unter folgenden Link finden Sie die Seite der Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität - Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft" des Deutschen Bundestages: http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/gremien/enquete/wachstum/index.jsp

Mit freundlichen Grüßen

Bärbel Höhn