Frage an Beate Merk bezüglich Recht

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Beate Merk
CSU
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Frage von Stefan B. •

Frage an Beate Merk von Stefan B. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Dr. Merk,

auf Ihrer Webseite schreiben Sie, dass Opferschutz statt Täterschutz das Handeln der CSU bestimmen würde. Dies gilt laut Ihrer Webseite nicht nur in Bayern, sondern auch auf Bundesebene. Der CSU ginge es weiter weniger um die Befindlichkeiten der Täter, sondern um den effektiven Schutz der Bürger.

Leider sehe ich im Bereich des Opferschutzes bzw. bei der Stärkung von Rechten Geschädigter bisher noch akuten Handlungsbedarf. So sollte es m. E. auf jeden Fall möglich sein, dass Ge-schädigte auch ohne Rechtsbeistand Akteneinsicht bei Staatsanwaltschaften oder bei Gericht beantragen und erhalten können. Gerade finanziell schlecht gestellte Geschädigte haben ggf. nämlich gar nicht die Möglichkeit, einen Rechtsanwalt zu bezahlen, nur um sich selbst über den Verfahrensstand informieren zu können. Für manches Opfer wäre es aber wichtig sich auch selbst darüber informieren zu können, was der aktuelle Stand des Verfahrens ist.

Meines Erachtens sollten Geschädigte hier nicht schlechter als Beschuldigte gestellt werden, die natürlich eine Akteneinsicht in der gegen Sie vorliegenden Sache beantragen können.

Was ist Ihre Meinung in der Angelegenheit und würden Sie sich selbst dafür stark machen, dass Geschädigte sich auch besser über die Ergebnisse im Strafverfahren informieren können?

MfG

Stefan Bauer

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Bauer,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 7. Juli 2012, in der Sie im Bereich des Opferschutzes und insbesondere beim Recht des Geschädigten auf Akteneinsicht akuten Handlungsbedarf sehen.

Das Thema Opferschutz ist ein Thema, das mir besonders am Herzen liegt. Auf nationaler Ebene hat die Justiz in den letzten Jahren viel getan, um den Opfern im Strafverfahren zu helfen. So hat das Opferschutzgesetz vom 18. Dezember 1986 zu einer Besserstellung des Opfers beim Zeugenschutz in der Hauptverhandlung, bei der Informationsgewährung und bei der Anschlussbefugnis zur Nebenklage geführt. Das Zeugenschutzgesetz vom 30. April 1998 hat die Möglichkeiten, unter denen Opfer von Straftaten einen anwaltlichen Beistand erhalten können, erweitert und den Einsatz von Videovernehmungen für besonders schutzbedürftige Zeugen ermöglicht. Das Opferrechtsreformgesetz vom 24. Juni 2004 enthielt zahlreiche Maßnahmen und Regelungen, um die Belastungen des Verletzten durch das Strafverfahren zu verringern, seine Rechte zu stärken und zivilrechtliche Ansprüche gegen den Täter gleich im Rahmen des Strafverfahrens durchzusetzen. Eine weitere deutliche Verbesserung des Opferschutzes hat zuletzt das 2. Opferrechtsreformgesetz vom 29. Juni 2009 gebracht, durch das beispielsweise die Möglichkeiten, sich als Nebenkläger am Verfahren zu beteiligen und die kostenlose anwaltliche Vertretung schwer betroffener Opfer im Strafverfahren erweitert wurden. Auch wurden die Informationsrechte der Opfer deutlich gestärkt. Weitere Verbesserungen im Bereich des Opferschutzes finden sich im Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG), der derzeit im Bundestag beraten wird. Dem Opferschutz und der Stärkung der Rechte der Opfer wird in der Gesetzgebung somit inzwischen ein sehr hoher Stellenwert eingeräumt. In bestimmten Bereichen stößt eine Erweiterung der Rechte von Opfern aber an rechtliche Grenzen. Ich bitte um Verständnis, dass daher auch Ihr Vorschlag auf Einführung eines uneingeschränkten Akteneinsichtsrechts für Geschädigte im Strafverfahren Bedenken begegnet:

Nach § 406e StPO kann der Verletzte in einem Strafverfahren die Akten unter bestimmten Voraussetzungen grundsätzlich nur durch einen Rechtsanwalt einsehen. Dem Verletzten, der keinen Rechtsanwalt hat, können unter diesen Voraussetzungen hingegen nur Auskünfte und Abschriften aus den Akten erteilt werden. Die grundsätzliche Beschränkung der Akteneinsicht auf den Rechtsanwalt dient sowohl der Aktensicherung, als auch datenschutzrechtlichen Belangen. Der Rechtsanwalt darf die durch die Akteneinsicht erlangten Erkenntnisse (auch Kopien aus den Akten) aufgrund seiner verfahrensrechtlichen Funktion als "Vertreter" des Verletzten an diesen weitergeben, soweit die Weitergabe nicht durch Auflagen beschränkt ist. Vor diesem Hintergrund erscheint es aus meiner Sicht hinnehmbar, dass die Strafprozessordnung dem Geschädigten selbst kein generelles Akteneinsichtsrecht zugesteht. § 406e StPO beinhaltet insoweit letztlich eine sachgerechte Regelung, die in dem schwierigen Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz, Unschuldsvermutung, Verteidigungsinteressen, Wahrheitsfindung, Funktionsinteressen der Strafrechtspflege und dem legitimen Informationsanspruch des Verletzten die verschiedenen Interessen in einen angemessenen Ausgleich bringt.

Eine ungerechtfertigte Schlechterstellung des Verletzten gegenüber dem Beschuldigten ist damit nicht verbunden. Nach § 147 StPO ist auch beim Beschuldigten grundsätzlich nur der Verteidiger zur Akteneinsicht befugt. Lediglich dem Beschuldigten, der keinen Verteidiger hat, sind auf seinen Antrag unter näher bezeichneten Voraussetzungen Auskünfte und Abschriften aus den Akten zu erteilen. Die Strafprozessordnung enthält damit auch für den Beschuldigten selbst keinen generellen Anspruch auf Akteneinsicht. Unterschiede zwischen den Rechten von Beschuldigten und Geschädigtem ergeben sich nur bezüglich der Anforderungen (zum Teil Darlegung eines berechtigten Interesses durch den Geschädigten erforderlich) und bezüglich einer Versagung der Auskunft bzw. Akteneinsicht, die beim Beschuldigten nur unter strengeren Voraussetzungen als beim Geschädigten möglich ist. Für diese Unterscheidung spricht die zentrale Bedeutung des Akteneinsichtsrechts für den Beschuldigten, für dessen Verteidigung dieses unerlässlich ist. Auf Seiten des Beschuldigten ist insoweit auch das - durch die Menschenrechtskonvention und unsere Verfassung verbürgte - essentielle Recht auf ein faires Verfahren berührt.

Eine Information des Geschädigten über die Ergebnisse des Strafverfahrens ist im Übrigen bereits zum jetzigen Zeitpunkt gesetzlich vorgesehen, da dem Geschädigten, der bei der Anzeigeerstattung, bei einer Zeugenvernehmung oder einer anderen Gelegenheit einen entsprechenden Antrag stellt, die Einstellung des Verfahrens und der Ausgang des gerichtlichen Verfahrens mitgeteilt werden müssen (§ 406d StPO). Handelt es sich bei dem Geschädigten zugleich um den Antragsteller, der mit seiner Strafanzeige erkennbar die Strafverfolgung eines anderen begehrt, so ist ihm eine etwaige Verfahrenseinstellung auch ohne Antrag mitzuteilen.

Über die von Ihnen aufgeworfene Frage hinaus werde ich mich jedoch weiterhin mit Nachdruck für eine Stärkung der Rechte von Opfern im Strafverfahren einsetzen. Auch die Bemühungen der Europäischen Union in diesem Bereich gehen hier in die richtige Richtung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Beate Merk, MdL
Staatsministerin