Frage an Beate Müller-Gemmeke bezüglich Jugend

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Beate Müller-Gemmeke
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Frage von Gerhard R. •

Frage an Beate Müller-Gemmeke von Gerhard R. bezüglich Jugend

Sehr geehrte Frau Müller-Gemmeke,

sind Sie dafür, daß Jugendoffiziere nur außerhalb des Schulunterrichts für die Bundeswehr werben?

Dazu gibt es einen Aufsatz von pax christi unter http://www.oekumenisches-netz.de/pc-pm_09-10-14.pdf vom 14.10.09.

Nach meinem Eindruck wollen immer mehr Eltern nicht, daß ihre Kinder später als Freiwillige in Afghanistan ihr Leben riskieren und jetzt in der Schule mit Jugendoffizieren in Kontakt kommen.

Gibt es eine Teilnahmepflicht bei Unterrichtsveranstaltungen mit Jugendoffizieren?
Ist die Schule verpflichtet, für einen ausgewogenen Unterricht zu sorgen?
Gibt es Lehrer/innen, die im Falle des Afghanistankrieges mit dieser Verpflichtung überfordert sind?
Ist es insbesondere im ländlichen Raum immer möglich, die zusätzliche Teilnahme von Vertretern aus Friedensorganisationen zu erreichen?
Sind Jugendoffiziere besonders geschult und deshalb Anderen insbesondere rhetorisch deutlich überlegen?

Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Reth

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Reth,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Die Werbung für den Wehrdienst an Schulen beunruhigt mich genauso wie Sie. Grundsätzlich lehnen die Grünen Werbung der Bundeswehr an Schulen als Rekrutierungsstrategie ab. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund unserer Forderung, die Wehrpflicht abzuschaffen und die Bundeswehr in eine Freiwilligenarmee umzuwandeln. Ohnehin ist das direkte Rekrutieren den Jugendoffizieren bereits jetzt offiziell nicht gestattet.

Anders bewerten wir jedoch Informations- und Aufklärungsveranstaltungen, wenn diese dazu dienen, Transparenz über die Bundeswehr und ihre Aufgaben zu schaffen und einen Austausch zwischen der zivilen Gesellschaft und Militärs zu ermöglichen. In so einem Fall stehen die Ziele der politischen Bildung und Aufklärung im Vordergrund.

Als Grüne befürworten wir das Leitbild des Bundeswehr-Soldaten als "Staatsbürger in Uniform". Ein Element dieses Leitbildes ist die Öffnung der Bundeswehr zur Gesellschaft, ganz konkret auch, dass die Soldaten für ihr Gemeinwesen Verantwortung übernehmen. Das halten wir für sinnvoll und hierzu muss auch Raum zu Information und kritischer Diskussion geschaffen werden. Ein Informationsaustausch mit der Bundeswehr soll daher unserer Auffassung nach nicht verboten werden.

Die grundsätzliche Unterscheidung zwischen Werbung und Aufklärung ist mir hier sehr wichtig. Denn eine aufklärende Auseinandersetzung mit der Thematik der Bundeswehr und ihrer Aufgaben muss zwingend ausgeglichen sein und darf somit nicht auf den Dialog mit Militärs beschränkt sein. Ich bin daher der Meinung, dass anti-militaristische und pazifistische Gruppen ebenso Aufklärungsarbeit in Schulen leisten sollten, um eine ausgewogenes Bild zu gewährleisten. Die zivile Friedensarbeit muss genauso einbezogen werden, so dass eine kritische Auseinandersetzung gewährleistet ist.

Vor diesem Hintergrund möchte ich ihre konkreten Fragen beantworten: nach meiner Auffassung haben die Schulen für Neutralität und ausgewogenen Unterricht zu sorgen. Das heisst: wenn Jugendoffizieren die Möglichkeit zur Darstellung in Schulen eingeräumt wird, dann ist dafür zu sorgen, dass im Rahmen der Informationsveranstaltung auch Friedensorganisationen vertreten sind. Dies muss selbstredend auch im ländlichen Raum gewährleistet sein – denn ausgewogene Bildung ist keine Privileg der Metropolen. Sofern die Bildungsträger für eine ausgewogene und weltanschaulich neutrale Unterrichtsveranstaltung sorgen, soll meines Erachtens auch eine Teilnahmepflicht bestehen – wie bei anderen umstrittenen Bildungsinhalten auch.

Sollten Zweifel an der Ausgewogenheit des Unterrichts bestehen, so hat die organisierte Elternschaft und Schülerschaft das Recht und die Möglichkeit, dies in den entsprechenden Gremien zur Sprache zu bringen. Wenn SchülerInnen aus Protest den Klassenraum verlassen, ist das zwar verständlich und sympathisch – sie sind aber vor den formalen Folgen und der Anrechnung als Fehlzeiten nicht geschützt. Daher halte ich eine öffentliche Diskussion auf lokaler Ebene für das geeignetere Mittel, um einseitigen Darstellungen entgegen zu wirken. Sie haben in den übersandten Materialien ja dokumentiert, dass die Vorfälle in Ostholstein in den regionalen Medien kritisch diskutiert werden. Ich bin überzeugt, Sie finden bei den Grünen vor Ort Unterstützung für ihr Anliegen.

Mit freundlichen Grüßen

Beate Müller-Gemmeke MdB

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