Gibt es noch Chancen für Änderungen beim CETA-Abkommen - und wer unternimmt ggf. wann was?

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Frage von Dr. Peter L. •

Gibt es noch Chancen für Änderungen beim CETA-Abkommen - und wer unternimmt ggf. wann was?

Ich beziehe mich auf das Interview mit dem Vorsitzenden der kanadischen New Democratic Party Jagmeet Singh, veröffentlich am 22.11. im IPG-Journal der FES.

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Sehr geehrter Herr Dr. L.,

herzlichen Dank für Ihre Frage. Auch wenn die Außenpolitik und internationale Beziehungen nur indirekt etwas mit meinem Resort zutun haben, möchte ich gerne auf Ihre Frage eingehen. 

Der überwiegende Teil des CETA-Vertrages wird bereits seit einigen Jahren vorläufig angewendet. Negative Auswirkungen für Verbraucher, Umwelt oder die Demokratie als Ganzes konnten nicht beobachtet werden. Seit Inkrafttreten ist das Handelsvolumen um 31% gestiegen und liegt damit bei ca. 60 Milliarden Euro. Auch der Handel mit umweltfreundlichen Gütern, Technologie und Dienstleistungen hat um 21 Prozent zugenommen.

Im Deutschen Bundestag diskutieren wir jetzt die endgültige Ratifizierung des Abkommens. 15 Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben bereits ratifiziert. Erst wenn alle Mitgliedstaaten ratifiziert haben, kann das Abkommen vollständig in Kraft treten. Die SPD-Bundestagsfraktion nimmt die Sorgen der Zivilgesellschaft ernst. Erst auf Drängen der SPD und ihrem damaligen Wirtschaftsminister konnten wichtige Änderungen des Abkommens wie der internationale Schiedsgerichtshof etabliert werden.

Wir haben uns in den letzten Jahren intensiv mit den Inhalten des Vertrages auseinander gesetzt und zwar juristisch, parlamentarisch und im Austausch mit der Zivilgesellschaft. 

Zusammenfassend einige Ergebnispunkte:

  • Die Daseinsvorsorge in den Mitgliedstaaten wird in besonderem Maße vor Privatisierung geschützt.[1] Sie ist von den Regelungen des CETA ausgenommen[2]. Das Vorsorgeprinzip ist in den EU-Verträgen verankert und kann durch kein Abkommen der Welt außer Kraft gesetzt werden.
  • Investitionsgerichtssystem: Auf sozialdemokratischen Druck hin hat die EU-Kommission 2016 die bereits abgeschlossenen CETA-Verhandlungen noch einmal geöffnet und ein völlig neues Gerichtssystem entwickelt, mit dem private Schiedsgerichte ein- für allemal der Vergangenheit angehören werden. An die Stelle privater Schiedsgerichte tritt ein öffentlich-rechtlicher Investitionsgerichtshof mit Berufungsinstanz. Statt fallweise ernannter Richter entscheiden unabhängige Richter, die für einen längeren Zeitraum benannt werden und einem strengen Ethikkodex unterliegen. Außerdem werden die Urteile veröffentlicht: Damit schaffen wir endlich Transparenz und Rechtstaatlichkeit im Investitionsschutz.
  • Der Gemischte CETA-Ausschuss hat eine umsetzende und empfehlende Funktion. Die Tagesordnungen sowie Berichte über die Ausschusssitzungen werden online veröffentlicht. Die Parlamente behalten ihre vollständige Entscheidungskompetenz. Denn in CETA ist klar geregelt: Beschlüsse des Gemischten CETA-Ausschusses gelten vorbehaltlich der Anforderungen der Vertragsparteien[3]. Die EU-Mitgliedstaaten haben sich darauf verständigt, dass sie nur Themen beschließen, die vorher einstimmig von allen Mitgliedstaaten beschlossen wurden. 

[1] Siehe Art. 28 GG; Art 14 und Art. 106 AEUV

[2] Siehe CETA Annex II

[3] Artikel 26.3 CETA

 

Selbstverständlich wird bei der Diskussion und stetigen Evaluation auch das weltpolitische Geschehen mit einbezogen wie z.B. die neue sicherheitspolitische Lage seit dem 24.02.2022. Es hat sich gezeigt, dass bei der Auswahl von Handelspartnern auch die Werte der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und der offenen Gesellschaft eine wichtige Rolle einnehmen müssen. 

Das Ratifikationsgesetz befindet sich jetzt im parlamentarischen Verfahren. Und nach dem Struck'schen Gesetz, was besagt, dass kein Gesetz den Bundestag verlässt, wie es hinein gekommen ist, wird sich kritisch damit auseinander gesetzt werden.  Zum Ende des Jahres wird über das Ratifikationsgesetz im Deutschen Bundestag abgestimmt werden.

Herzliche Grüße

Bernd Westphal

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