Frage an Bernhard Daldrup bezüglich Frauen

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Bernhard Daldrup
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Frage von Maria B. •

Frage an Bernhard Daldrup von Maria B. bezüglich Frauen

Sehr geehrter Herr Daldrup,

warum werden die, in der Argenda 2010 veränderten Bedingungen für Witwenrentenhinzuverdienste nicht von der Politik angegangen? Vor dem Tod meines Mannes hatten wir 2 Gehälter. Danach wird von meine Witwenrente jeder € den ich mehr als 750€ brutto verdiene zu 40% abgezogen. Ist es politisch gewollt, dass Witwen für den Tod ihres Mannes bestraft werden sollen?
Ich gehöre der Generation an, die in den 80er Jahren ihre Kinder bekommen haben. Bei der Kinderbetreuung waren wir benachteiligt: Es gab nicht genügend Kindergartenplätze und keine Kinderbetreuung. Wir waren gezwungen Jahre zu Hause zu bleiben und nicht in die Rentenkassen einzuzahlen. Die Kinderjahre für die Rente sind auch niedriger als bei der Generation Kindererziehung in den 90er Jahren. Warum werden nicht alle gleich behandelt? Die kleine Rente, die ich demnächst hoffentlich bekommen werde, zeigt auch: Witwen müssen laut Gesetz arm bleiben. Warum? Meine beiden Kinder haben studiert und niemand hat dafür bezahlt. Die Studiengebühren waren auch zu der Zeit fällig. Wo war da noch Geld für das Alter? Und jetzt werde ich auch wieder benachteiligt. Es lohnt sich für mich nicht viel zu arbeiten. Die Steuern machen dann das Ganze zur Farce.
Bitte äußern Sie sich dazu und schreiben Sie mir, was Sie ändern können bzw ändern wollen.

Herzlichen Dank

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Barth-Schnieder,

vielen Dank für Ihre Nachricht, zu der ich gern Stellung nehme. Bitte haben Sie Verständnis für die zeitliche Verzögerung. Doch als Bürgerin meines Wahlkreises verdienen Sie es, eine gut begründete und keine Standardantwort zu bekommen. Das erfordert allerdings Zeit.

Leider konkretisieren Sie nicht, welche geänderten Bedingungen bei der Hinterbliebenenrente Ihrer Meinung nach warum angegangen werden sollten. Ich gehe deshalb auf die wesentlichen Änderungen, die seit dem 1. Januar 2002 gelten, kurz ein und versuche deren möglichen Auswirkungen auf Ihre Witwenrente nachzuzeichnen.

Eine Klarstellung vorweg: Die Anrechnung von eigenem Einkommen auf die Hinterbliebenenrente wurde bereits zum 1. Januar 1986 mit dem Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetz (HEZG) von der damals regierenden Koalition aus CDU/CSU und FDP eingeführt. Seitdem wird Einkommen der Witwe oder des Witwers, das einen Freibetrag übersteigt, zu 40 Prozent auf die Hinterbliebenenrente angerechnet. Die 40-prozentige Anrechnung, die zunächst auf Einkünfte aus Erwerbstätigkeit beschränkt war, war also lange vor der Agenda 2010 Realität.

Im Jahr 2002 wurde die Hinterbliebenenrente von der SPD-geführten Regierung reformiert. Mit dem Altersvermögensergänzungsgesetz (AVmEG) haben wir dafür gesorgt, dass alle Einkommensarten gleich behandelt werden, indem neben Einkünften aus Arbeit auch Einkünfte aus Vermögen auf die Hinterbliebenenrente angerechnet werden. Denn es ist nicht gerecht, dass hart erarbeitetes Erwerbseinkommen angerechnet wird, oft leistungslos erworbene Einkünfte aus Vermögen, z.B. aus Kapitalerträgen oder Vermietung und Verpachtung, dagegen nicht. Übrigens wollen wir Sozialdemokraten auch bei der Besteuerung für mehr Gerechtigkeit sorgen und die systematische steuerliche Besserbehandlung von Einkünften aus Kapital beenden.

Ein weiterer Aspekt der Reform von 2002 war die Einführung einer Kinderkomponente bei gleichzeitiger minimaler Kürzung der Witwenrente von bis dato 60 auf nunmehr 55 Prozent der Versichertenrente des Verstorbenen. Das Ziel dieser Regelung war, die Hinterbliebenenrente zielgenauer auf Personen auszurichten, die wegen der Erziehung von Kindern regelmäßig keiner durchgehenden Erwerbstätigkeit nachgehen konnten.

Seit dem 1. Januar 2002 gilt daher: Wenn Sie ein Kind bis zum dritten Lebensjahr erziehen oder erzogen haben, erhöht sich Ihre Witwenrente um einen Zuschlag. Für das erste Kind beträgt der Zuschlag in den alten Bundesländern aktuell 60,89 Euro, für jedes weitere Kind 30,45 Euro. Da Sie zwei Kinder erzogen haben, sollten Sie zu Ihrer Hinterbliebenenrente zusätzlich 91,34 Euro bekommen. Auch wenn nach 2002 die Witwenrente um 5 Prozent gekürzt wurde, bedeuten somit die neuen Regelungen für Fälle wie Ihren eine finanzielle Verbesserung.

Diese Regelungen gelten für seit dem 1. Januar 2002 neu zugehende große Witwenrenten. Soweit die Ehe vor 2002 geschlossen worden ist und mindestens ein Ehepartner vor dem 2. Januar 1962 geboren ist, beträgt die Witwenrente wie auch in Bestandsfällen weiterhin 60 Prozent der Versichertenrente, allerdings wird dann kein Zuschlag wegen Kindererziehung gewährt.

Angerechnet wird im Übrigen immer Nettoeinkommen, kein Bruttoeinkommen. Wenn Sie schreiben, dass Ihnen jeder Euro, den Sie über den Freibetrag hinaus brutto verdienen, zu 40 Prozent abgezogen wird, dann kann das so nicht stimmen. Der Freibetrag beträgt derzeit in den alten Bundesländern 803,88 Euro. Die Rentenversicherung ermittelt aus Ihrem Bruttoeinkommen Ihr (fiktives) Nettoeinkommen, indem sie bei Erwerbseinkommen pauschal 40 Prozent vom Bruttoeinkommen abzieht. Der Bruttoverdienst, den Sie erzielen können, ohne dass dieser auf die Witwenrente angerechnet wird, beträgt demnach 1339,80 Euro.

Sobald Sie nur Einkünfte aus Arbeit (entweder aus einer abhängigen Beschäftigung oder aus selbstständiger Tätigkeit) beziehen, sollten die Änderungen von 2002 hinsichtlich der Hinzuverdienste keine Auswirkungen auf die Höhe Ihrer Witwenrente haben. Denn Nettoeinkommen aus Arbeit, die den Freibetrag überschreiten, wurden auch vor 2002 zu 40 Prozent angerechnet. Nur wenn Sie Einkünfte aus Vermögen, Betriebsrenten oder private (Unfall-)Renten beziehen, könnte sich Ihre Witwenrente unter Umständen verringern.

Ausgehend von den von Ihnen gemachten Angaben kann ich Ihnen versichern, dass Sie ohne die 2002 in Kraft getretenen Änderungen heute möglicherweise sogar eine niedrigere Witwenrente erhalten würden. Die von der rot-grünen Regierung getroffenen Maßnahmen – insbesondere die Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten – stellen Sie im Vergleich zu den davor geltenden Regelungen strukturell besser und nicht schlechter. Eine Rückkehr zum „alten Recht“ könnte in Ihrem Fall finanzielle Einbußen nach sich ziehen.

Durch die Einführung des Kindererziehungszuschlags in 2002 wurde genau den von Ihnen angesprochenen Problemen Rechnung getragen: Es wurden zielgenau die Frauen bessergestellt, denen es wegen der Kindererziehung nicht möglich war, zu arbeiten.

Die Defizite bei der Kinderbetreuung in den 1980er Jahren in den alten Bundesländern sind mir gut bekannt. Mit dem bereits erwähnten Altersvermögensergänzungsgesetz (AVmEG) hat die SPD-geführte Regierung damals eine Reihe von Maßnahmen zur Verbesserung der eigenständigen Rentenanwartschaften von Frauen getroffen, unter anderem eine stärkere Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten.

Dass hier noch Handlungsbedarf besteht, hat auch die aktuelle Große Koalition erkannt. Genau für die Eltern (das waren größtenteils Mütter), die ihre Kinder in den Achtzigern erzogen haben, haben wir bereits zu Beginn dieser Legislaturperiode die sogenannte „Mütterrente“ eingeführt. Mütter (und Väter), die vor 1992 Kinder erzogen haben, bekommen seit dem 1. Juli 2014 pro Kind zwei Jahre Erziehungszeit statt bisher einem angerechnet. Damit erhöht sich ihre monatliche Rente in den alten Bundesländern um bis zu 28,61 Euro pro Kind.

Wir Sozialdemokraten wollen aber in Sachen Frauenpolitik nicht immer nur nachjustieren, sondern setzen uns für eine vorbeugende Politik ein, damit Frauen in Zukunft ausreichende Rentenanwartschaften erwerben können und keine Altersarmut fürchten müssen. Denn es sind nach wie vor Frauen, die häufiger in Teilzeit oder Minijobs arbeiten. Die Folge sind oft deutlich niedrigere Renten im Alter.

Leider gelingt es uns nicht immer unsere Vorstellungen gegen den Widerstand der CDU/CSU durchzusetzen. Aktuellstes Beispiel: Das Gesetz zum Rückkehrrecht in die vorherige Arbeitszeit, das die Union im Kanzleramt blockiert. Mit einem gesetzlichen Rechtsanspruch würde vor allem Frauen ein Ausweg aus der „Teilzeitfalle“ ermöglicht. Durch eine vermehrte Rückkehr von Teilzeitkräften in die vorherige Arbeitszeit würden Frauen höhere Renten beziehen und könnten vermehrt aus einer selbst verdienten Rente ohne staatliche Unterstützung ihren Lebensunterhalt im Alter bestreiten.

Das Frauenbild der Union ist nun mal ein anderes und entstammt einer längst vergangenen Zeit, als der Mann der Hauptverdiener war und die Frau für Kinder und Haushalt zuständig war. Dieses Frauenbild ist völlig überholt. Es ist für mich unerklärlich, warum die Union hunderttausende Frauen in der „Teilzeitfalle“ stecken lässt und ihnen damit eine auskömmliche Rente verwehrt. Ganz zu schweigen, dass die CDU/CSU damit den Koalitionsvertrag missachtet.

Ebenfalls denken wir in der SPD über Steuermodelle nach, die Arbeit außerhalb von Minijobs für Frauen attraktiver machen würden. Dazu stehe ich mit Fraueninitiativen im Kreis Warendorf in engem Kontakt und vermittle regelmäßig Gesprächspartner aus dem Ministerium für Arbeit und Soziales, um gemeinsam nach Lösungen für dieses Problem zu suchen. Denn auch hier stecken viele Frauen in einer „Minijob-Falle“, aus der sie nur schwer herauskommen.

Sollte ich mit meinen Ausführungen zu Ihrer Witwenrente doch falsch liegen oder Sie mit anderen Inhalten meiner Antwort nicht einverstanden sind, können Sie mich erneut kontaktieren, entweder über abgeordnetenwatch.de oder direkt per Mail auf bernhard.daldrup@bundestag.de

Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Daldrup

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