Darf das Jugendamt die Energiepreispauschale für Halbwaisen einbehalten?

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Bettina Hagedorn
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Frage von Andrea D. •

Darf das Jugendamt die Energiepreispauschale für Halbwaisen einbehalten?

Sehr geehrte Frau Hagedorn,
Ich bin seit 9 Jahren Pflegemutter und Vormund (gesetz. Vertreter) einer 12ährigen, welche seit 2 Jahren Halbwaisenrentner ist. Da Halbwaisenrentner bei der Energiepreispauschale ausdrücklich mit einbezogen sind, habe ich das Jugendamt um Auszahlung derselben gebeten. Dies wurde mir aber mit dem Hinweis auf die Anrechnung von Halbwaisenrente auf das Pflegegeld verweigert.
Entspricht dies der Rechtslage oder hat meine Pflegetochter /ich als gesetzlicher Vertreter Anspruch auf Auszahlung der oben genannten Pauschale zur Deckung der gestiegenen Energiekosten?

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau D.,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 01. Januar zur Energiepreispauschale, die ich Ihnen gerne beantworte. Da es sich bei dem Fall Ihrer Pflegetochter um eine sehr spezielle Situation handelt, habe ich eine Antwort zu Ihrer Frage vom zuständigen Bundesfamilienministerium erbeten, um Ihnen eine rechtlich fundierte Antwort geben zu können. Die volle Antwort des Ministeriums habe ich unten abgedruckt, aber sie hört sich natürlich ziemlich technisch an.  Fazit ist (Zitat): „Letztlich bedarf es daher im Einzelfall einer Prüfung, ob die aktuellen Energiekosten von den Unterhaltskosten der Kinder- und Jugendhilfe abgedeckt sind oder nicht. Sind die aktuellen Kosten abgedeckt, handelt es sich um eine zweckgleiche Leistung nach § 93 Absatz 1 Satz 3 SGB VIII, die von dem Träger der Kinder- und Jugendhilfe zu vereinnahmen ist.“

Tatsächlich also ist die Rechtslage so, dass ein Jugendamt in bestimmten Fällen die Energiepreispauschale mit dem Pflegegeld verrechnen muss. In solch einem Fall kommt es zu keiner oder nur einer anteiligen Auszahlung der Energiepreispauschale an eine grundsätzlich anspruchsberechtigte Bezieherin einer Halbwaisenrente.

Der Grund dafür ist folgender: Das Pflegegeld nach § 39 SGB VIII dient unter anderem dazu, die Kosten für Wohnen und Energiebedarf des Pflegekindes abzudecken. Die Energiepreispauschale wurde ebenfalls mit dem Ziel konzipiert, die steigenden Energiepreise für Verbraucher abzudecken. Somit dienen theoretisch beide Leistungen, das Pflegegeld wie auch die Energiepreispauschale, demselben Zweck. Wenn also ein Jugendamt feststellt, dass das ausgezahlte Pflegegeld und eine weitere Geldleistung (in diesem Fall die Energiepreispauschale) demselben Zweck dienen, muss das Jugendamt entsprechend § 93 Absatz 3 SGB VIII diese Geldleistung verrechnen. Dieser Fall der zweckgleichen Leistung ist möglicherweise bei Ihrer Pflegetochter eingetroffen. Sollte dies so sein, ist es korrekt, dass das Jugendamt die Energiepreispauschale mit dem Pflegegeld Ihrer Pflegetochter verrechnet hat. Das Jugendamt darf das aber nicht pauschal so machen, sondern nur nach einer Einzelprüfung, über deren Ergebnis Sie sich bei der Sachbearbeitung natürlich informieren lassen können.

Ich hoffe, dass ich Ihnen in verständlicher Weise Ihre Frage beantworten konnte.

Hier nun die Antwort des Ministeriums im Original:

„Mit dem Gesetz zur Zahlung einer Energiepreispauschale für Rentnerinnen und Rentner (RentEPPG) wird Rentnerinnen und Rentnern eine Energiepreispauschale (EPP) in Höhe von 300 Euro gewährt. Junge Menschen, die im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe in einer Pflegefamilie oder Einrichtung leben und eine Waisenrente beziehen, können, wenn die Voraussetzungen vorliegen, eine EPP nach dem RentEPPG erhalten. Ziel der Energiepreispauschale nach dem RentEPPG ist es, die Rentnerinnen und Rentner angesichts der weiterhin zu erwartenden hohen Preissteigerungen im Energiebereich zu entlasten. Nach dem RentEPPG ist die EPP bei einkommensabhängigen Sozialleistungen nicht als Einkommen zu berücksichtigen (§ 4 Absatz 1 RentEPPG). Dies betrifft die Fälle, in denen derjenigen/demjenigen, der/dem die EPP zusteht, auch die andere Sozialleistung zusteht.

Bei der Frage, ob ein junger Mensch die EPP neben den Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe zum Unterhalt behalten kann, sind darüber hinaus auch die besonderen Vorschriften des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) zu berücksichtigen.

Der Unterhalt, den die Kinder- und Jugendhilfe an junge Menschen in einer Pflegefamilie nach § 39 SGB VIII zu leisten hat, umfasst unter anderem die Kosten für den Unterkunftsbedarf (Kosten für Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung) sowie grundsätzlich die Kosten für Fahrtkosten zu Ausbildungsstätten. Sollen sowohl mit der Energiepreispauschale als auch mit dem Unterhalt nach § 39 SGB VIII die bestehenden Energiekosten für das Wohnen und notwendige Fahrten abgedeckt werden, handelt es sich um eine zweckgleiche Leistung im Sinne des § 93 Absatz 1 Satz 3 SGB VIII. Eine solche zählt nicht zum Einkommen und ist unabhängig von einem Kostenbeitrag aus Einkommen für die Kosten der Leistung der Kinder- und Jugendhilfe einzusetzen.

Die Höhe des Betrages nach § 39 SGB VIII für den Unterkunftsbedarf und für Fahrtkosten kann jedoch im Einzelfall abhängig von der jeweiligen Kommune variieren und damit in einem unterschiedlichen Umfang auch die Höhe der aktuellen Kosten für Energie umfassen. Letztlich bedarf es daher im Einzelfall einer Prüfung, ob die aktuellen Energiekosten von den Unterhaltsleistungen der Kinder- und Jugendhilfe abgedeckt sind oder nicht. Sind die aktuellen Kosten abgedeckt, handelt es sich um eine zweckgleiche Leistung nach § 93 Absatz 1 Satz 3 SGB VIII, die von dem Träger der Kinder- und Jugendhilfe zu vereinnahmen ist.“

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