Frage an Bodo Ramelow bezüglich Soziale Sicherung

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Bodo Ramelow
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Frage von Barbara F. •

Frage an Bodo Ramelow von Barbara F. bezüglich Soziale Sicherung

Lieber Herr Ramelow,

meine Frage betrifft zwar eine bundespolitische Angelegenheit und ist auch nur hier lösbar, mich würde aber Ihre Stellung hierzu interessieren. Wie stehen Sie zu einem bedingungslosen Grundeinkommen von ca. 500 - 800 € incl. Krankenversicherung (hierüber kann man verschiedener Meinung sein) monatlich für jeden Bürger, auch Kinder? Ersatzlos gestrichen werden könnte Zug um Zug zur Gegenfinanzierung, Arbeitslosengeld, Hartz IV, Krankenversicherung, Kindergeld, Berufsausbildungsgeld, BAföG, Wohngeld, sonstige Leistungen (auch Darlehen für in Not geratene Abgeordnete - so was gibt es ja), etc.
Der Vorteil wäre, es würde ein enormer Apperat an Bürokratie und Selbstverwaltung incl. dieser Personal-/ und Sachkosten eingespart, was zudem auch noch als Gegenfinanzierung dienen könnte, der Bürger wäre nicht mehr unter dem Zwang des Arbeitsmarktes und der prekären Beschäftigungsverhältnisse, der Bürger hätte die Wahl, frei entscheiden zu können, wieviel mehr er verdienen möchte und ggf. welche Zusatzversicherungen er abschließen will (Krankheit, Pflege etc.). Was dem Bürger hier an Bürokratie, Willkür, Bevormundung und Repressalien, alles staatlich sanktioniert, erspart bliebe, es wäre ein Segen.

Mir ist bewusst, dass Sie viele dieser Gedanken als "Traumtänzerrei" abtun werden, aber vom Mindestlohn hat auch die Linke schon seit Jahrzehnten gesprochen, jetzt wird er in Teilen (halbherzig, leider) verwirklicht und die CDU/SPD/Grünen tuen so, als wäre das schon immer ihr Gedankengut gewesen. Also man darf doch mal träumen und es interessiert mich, wie hierzu der Standpunkt Ihrer Partei ist.

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DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Falk,

vielen Dank für Ihre spannende, wenn auch nicht thüringenspezifische Frage, zu der ich mich trotzdem sehr gern äußere.

Ich halte die Debatte um das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) in meiner Partei und darüber hinaus für zentral und wichtig, auch aus vielen Gründen die Sie bereits aufgeführt haben. Generell gibt es für mich derzeit zwei Hauptknackpunkte: die Finanzierung und die notwendige generelle gesellschaftliche Diskussion, sowie zum Arbeitsbegriff.

Zu letzterem würde ich gern ein paar kurze Ausführungen machen.

Der heute verbreitete Arbeitsbegriff, der sich vorrangig an Erwerbsarbeit orientiert, stammt im Prinzip aus den 1960er Jahren, als es noch das 3x8-Prinzip gab: Der Wochentag bestand in aller Regel (bei Männern) aus 8 Stunden Erwerbsarbeit, 8 Stunden Freizeit und Erholung und 8 Stunden Schlafen. Heute leben wir in einer Arbeitswelt in der diese Grenzen zunehmend zerfließen: Arbeit und Freizeit verschwimmen immer mehr, das klassische Normalarbeitsverhältnis ist auf dem Rückmarsch. Diese Veränderung hat zu vielen Problemen geführt, macht Menschen wegen Überlastung krank, treibt Altersarmut voran usw. Dennoch erklären auch mir immer wieder junge Menschen, dass sie das starre System mit seiner 35 bis 40-Stunden-Woche und 40 Jahren Tätigkeit im selben Betrieb gar nicht zurückwollen, sondern zumindest teilweise mit der neuen Situation auch Freiräume für sich entdecken, die sie nutzen wollen.
Hier wird für mich deutlich, dass die Debatte über das BGE ganz grundsätzliche gesellschaftliche Fragen aufwirft, die einen gesellschaftverändernden Prozess bedeuten. Dazu gehören noch viele weitere Punkte, etwa das Recht auf Arbeit.

Ich freue mich sehr darauf, diese Debatte in der LINKEN demnächst als zentrale Thematik auf einem Bundesparteitag weiterzuführen. Was für mich jedoch zentral und unverhandelbar ist, ist die Notwendigkeit eines klaren Rahmens: Das BGE darf nicht zur Ausweitung des Niedriglohnbereiches führen, auch hier gilt unsere Botschaft von einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro brutto pro Monat.

Wenn Sie nähere Informationen zur aktuellen Diskussion in der LINKEN bei diesem Thema suchen, empfehle ich Ihnen die aktualisierte Broschüre unserer Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen:

http://www.die-linke-grundeinkommen.de/WordPress/wp-content/uploads/2014/05/BGE_2014_download1.pdf

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Bodo Ramelow

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